Literatur, Roman

Der Meister der Postmoderne

Dem Prinzip der Irreführung ist Danielewski auch in seinem dritten Roman, der eigentlich als zweiter zwischen den beiden Großwerken Das Haus – House of Leaves und Only Revolutions erschienen ist. Das Fünfzig-Jahr-Schwert treu geblieben. Ausgangspunkt des fünfstimmigen Sirenengesangs in Das Fünfzig-Jahr-Schwert ist eine Halloween-Party in Texas. Und weil Halloween die Nacht des Grusels ist, ist dieses Buch eine Gespenstergeschichte. »Vielleicht weil
die Geschichte einer jeden Gespenstergeschichte selber eine Gespens­tergeschichte ist, will sagen,
eine vollkommen andere Geschichte,
darf angenommen werden, das nun Folgende sei mit Fug und Recht
ebenso als Gespenstergeschichte zu
betrachten.«

Das-Fünfzig-Jahre-Schwert
Mark Z. Danielewski: Das Fünfzig-Jahre-Schwert. Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Tropen Verlag 2013. 288 Seiten. 29,95 Euro. Hier bestellen

Die Erzähler dieser Geschichte sind die fünf Waisen Tarff, Eza­de, Iniedia, Sithiss und Micit, die sich – einzig mit farbigen Anführungsstrichen voneinander zu unterscheiden – gegenseitig Erzählen, was sich im Haus von Moses Dettledown zugetragen hat. Dort traf nämlich die thailändische Näherin Chintana auf ihre niederträchtige Konkurrentin Belinda Kate, während die fünf Waisen von einem unheimlich bösen Mann »mit einem finsteren Herzen« erzählen, der über ein Schwert verfügt, dessen Klinge erst dann ihre Wirkung entfaltet, wenn das auserwählte Opfer die 50 Jahre erreicht hat. Dabei fallen sie sich gegenseitig ins Wort, fügen ihre Gedanken aneinander und setzen kaleidoskopartig die einzelnen Bruchstücke ihrer Erinnerungen zusammen. Und wenn man als Leser das Gefühl hat, man hätte die Farbcodes und Erzählstruktur dieses postmodernen Märchens einigermaßen verstanden, beginnen diese widerborstigen Racker, sich gegenseitig zu zitieren. Und wieder beginnt sich alles zu drehen.

In Wahnsinn und Radikalität dieser literarischen Spielereien erinnern an Autoren wie Arno Schmidt, Roberto Bolaño und David Foster Wallace, die ihre avantgardistisch-sperrigen Romane immer als Werkromane geschrieben haben. Zugleich sind sie Kleinodien der Buchkunst, halten hoch, was Literatur im besten Sinne sein kann und verweisen auf all jene, die dies schon vor Danielewski erkannt haben, auf Autoren wie Ovid, Dante, Milton, Proust, Musil oder Borges. Wie sie hat Danielewski eine geradezu fanatische Fangemeinde, die jedes Detail und jede noch so winzige Information über das Schreiben des Auserwählten mit Wonne entgegennimmt. Das stachelt auch Journalisten an, das möglichst perfekte Interview für diese Fangemeinde zu machen. Am besten gelungen ist das wohl dem Magazin the ledge, das Danielewskis ebenso postmodernes wie visuelles Erzählen in famoser Kreativität umgesetzt hat.

Mark Z. Danielewskis Romane ist ein Text für Wahnsinnige und Literaturliebhaber und natürlich für wahnsinnige Literaturliebhaber, zu deren Vorsitzenden seine Übersetzer Christa Schuenke, Gerhard Falkner und Nora Matocza gehören, die sich nicht nur der irrsinnigen Herausforderung dieser Antistrukturen gestellt, sondern auch die Mehrdeutigkeiten Danielewskis versucht haben, weniger-deutig aufzulösen, ohne dabei die strukturierte Antistruktur anzutasten. Ein Wahnsinn, bedenkt man, dass ein Kilo Deutsch etwa 700 Gramm Englisch entsprechen, wie es Gerhard Falkner in einem Beitrag für die Literaturzeitschrift Schreibheft schrieb. Aber ein verdammt guter Wahnsinn.

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4 Kommentare

  1. […] Schärfe eingesetzt wird. Er hat hier studierend erfahren können, dass Sprache – wie auch bei Mark Z. Danielewski – vielschichtig und geheimnisvoll ist, dass sie geschmückt und umgarnt werden will und dass der […]

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