Comic

Die Wirklichkeit des iranischen Frühlings

Das iranische Regime ruft sein Volk an die Wahlurnen. Erinnerungen an die Mutter aller grünen Revolutionen im Jahr 2009 werden wach. Der Comic »Zahra’s Paradise« blickt zurück und ermöglicht einen Blick hinter den Vorhang der iranischen Theokratie.

Die so genannte Grüne Revolution im Iran war die Mutter der arabischen Aufstände und doch ist von ihr nicht viel mehr geblieben als die Erinnerung. Nach den iranischen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 gingen Millionen junger Iraner auf den Straßen und protestierten mit dem Handy im Anschlag gegen die Diktatur der Mullahs. Über Facebook und Twitter wurde die Welt Zeuge dieser erfolglosen Revolte. Mit brachialer Gewalt stampften die Schergen des Regimes die Aufstände in Grund und Boden. Tausende verschwanden in den Verließen der Mullahs, hunderte kamen bei und nach den Protesten ums Leben.

Nun finden im Iran die ersten Wahlen seit dem Aufstand der Jugend statt. Das Regime um Machthaber Mahmud Ahmadinedschad wird eine zweite Protestwelle zu verhindern suchen, vor allem, weil die Opposition bereits zum Boykott der Wahlen aufgerufen hat. Zwischen den Anhängern des politischen Führers Ahmadinedschad und des religiösen Oberhaupts Ayatollah Chamenei brodelt es gewaltig. Die Situation ist angespannt, Erinnerungen an die Massenproteste vor drei Jahren werden wach. Doch was ist vor fast drei Jahren eigentlich genau geschehen? Ein aktueller Comic ermöglicht, zurückzublicken.

Zahras Paradise
Amir & Khalil: Zahra’s Paradise. Knesebeck 2011. 160 Seiten. 19,95 Euro. Vergriffen

Im Zentrum der fiktionalen Geschichte von Zahra’s Paradise steht die Suche nach Mehdi, einem jungen Studenten, der während der Revolte verschwunden ist. Gemeinsam begibt sich der Leser mit Mehdis Mutter und seinem Bruder auf die Suche. Er durchkämmt mit ihnen Krankenhäuser, Gefängnisse, die Universität und Internetshops, fragt bei Freunden, Bekannten, Polizisten und Gefängnisinsassen nach und dringt sogar in das Netzwerk des iranischen Geheimdienstes ein. Die nackte Gewalt des Regimes, die ihm dabei begegnet, ist gerade deshalb so schockierend, weil man förmlich auf sie warten kann.

Auf einem Bild gerät Mehdis Bruder im bildlichen Sinn zwischen die Zahnräder des Regimes. Diese Zeichnung ist die große Metapher dieser Erzählung. Der Einzelne gerät unter die Räder des Ganzen, weil er nicht zählt, das Ganze ohne das Individuum funktionieren muss. Dieses ikonische Bild enthüllt auch den aufgesetzten Charakter des Regimes, das für sich selbst existiert und die Menschen, denen es dienen sollte, mit Füßen tritt.

Dem Autorenduo Amir und Khalil gelingt es mit ihrer graphischen Erzählung, einen neuen, individuellen Blick auf die Proteste und ihre Folgen werfen. Als Leser bekommen wir einen Eindruck vom Alltag eines Landes im permanenten Ausnahmezustand. Das von Marjane Satrapi gezeichnete Bild eines stolzen iranischen Volkes, welches sich von der Gewalt des Regimes nicht brechen lässt, findet auch hier Bestätigung.

Amir und Khalil eröffnen in ihrem Comic erstaunliche Blicke hinter die Kulissen des Machtapparats, zwischen dessen Mühlenräder Mehdi gekommen ist. Tödlich, wie man als Leser lange zu ahnen meint. Die Gewissheit, die dann eintritt, ist umso erschlagend.

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