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Unsere Wirtschaft ist eine Kulturerscheinung, die es zu gestalten gilt. Wie man das am besten macht, kann man bei den großen Denkern der Menschheitsgeschichte erfahren, zeigt das tschechische Ökonomiewunderkind Tomas Sedlacek.

»Wer zu hoch und zu nahe an die Sonne fliegt, wie Ikarus, darf nicht überrascht sein, wenn seine Flügel schmelzen; je höher er geflogen ist, desto tiefer wird er dann fallen.«

Sätze wie dieser machen deutlich, warum das Buch Die Ökonomie von GUT und BÖSE aus der Feder des erst 35-jährigen tschechischen Wirtschaftswissenschaftlers Tomas Sedlacek innerhalb weniger Wochen zum Bestseller avanciert ist. Darin stellt er die These auf, dass Ökonomie eine kulturelle Erscheinung ist.

Ökonomie wird heute nahezu ausschließlich als Diktatur der Zahlen verstanden, Wirtschafts- und Finanzkrise machen das deutlich. Nicht Werte und Ideen stehen hinter den »Rettungsmaßnahmen«, sondern mathematische Notwendigkeiten. Aber Ökonomie ist mehr als nur Zahlensalat, argumentiert Sedlacek. Sie stehe in engem Zusammenhang mit Psychologie, Soziologie, Philosophie, Theologie, Anthropologie, Geschichte und überhaupt Allem, was die menschliche Kultur und Zivilisation ausmacht.

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Tomas Sedlacek: Die Ökonomie von Gut und Böse. Aus dem Amerikanischen von Ingrid Proß-Gill. Hanser Verlag 2012. 447 Seiten. 24,90 Euro. Hier bestellen

Durch diese vollführt er einen Parforceritt, um Antworten auf die nach seiner Ansicht zentrale Frage der Ökonomie, was der Mensch unserer Ansicht nach sei, zu finden. Diese Antworten sucht er zwischen Gilgamesch-Epos und Bibel, Homer und Hesiod, aber auch in den, teils vergessenen, sozioökonomischen Klassikern. In der Bibel findet er die Ursprünge des Fortschrittsgedankens und schon die Griechen hätten darum gestritten, ob der Zweck die Mittel heilige oder nicht. Die Ökonomie bewegt sich bei Sedlacek immer auf einer moralphilosophischen Achse zwischen Gut (moralisch) und Böse (nutzenorientiert), den Moralisten Kant auf der »guten« Seite und das selbstbezogene, von moralischen Prinzipien bereinigte Wirtschaften unserer Tage auf der »bösen«.

Sedlacek gelingt es mit seiner bemerkenswerten Biografie der Ökonomie, den Begriff wieder an den Menschen und seine Erzählungen zu binden. Er befreit sie aus dem Korsett der nackten Zahlen. Die Erkenntnisse von Wirtschaftswissenschaft und Mathematik will er nicht verdammen, aber deren Götzen der »Wertfreiheit« vom Sockel stoßen: »Wir haben zu viel Weisheit gegen Exaktheit getauscht, zu viel Menschlichkeit gegen Maithematisierung.«