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Amerikas falsche Saubermänner

In Ihrem Buch erfährt man, dass die Tea-Party-Bewegung auch rechtsradikale und neonazistische Verbindungen hofiert.

Ja, es gibt einen ganz rechten Rand in der Bewegung, Neonazis wie Stormfront und das National Socialist Movement, die rassistische und antisemitische Positionen vertreten. Diese tätowierten Skinheads will man aber nicht haben. Man versucht schon, solche Leute mit rechtsradikaler Gesinnung aus der Bewegung auszugrenzen oder ihnen den Mund zu verbieten. Umgekehrt versuchen diese neonazistischen Gruppen allerdings, sich in der Tea Party breit zu machen. Die sagen sich: »Da sind endlich mal Leute, die unsere Interessen vertreten.« Und hier wird die Anti-Immigrationsstrategie der Tea Party sehr wichtig, weil sie mit dieser in der rechten Szene auf offene Ohren stößt und Stimmen sammeln kann, ohne sich die antisemitischen und rassistischen Positionen der Neonazis zu Eigen machen zu müssen. Mit antisemitischen oder antischwarzen Positionen können sie heute in den USA keine Stimmen mehr sammeln, mit einwanderungsfeindlichen Haltungen aber schon.

Sie sprechen auch von der »weißen Wut«. Welche Rolle spielen farbige Politiker wie Herman Cain in der Tea Party?

Herman Cain ist der Bruno Kreisky [ehem. österreichischer Bundeskanzler mit jüdischem Hintergrund, A.d.A.] der Tea Party. Er ist ein Schwarzer – und die Bewegung kann nun sagen: »Wir sind keine Rassisten, wir haben einen Schwarzen in unseren Reihen.« Cain vertritt aber nicht die Bürgerrechtspositionen, sondern sagt ganz deutlich, die Schwarzen sollen arbeiten und den Mund halten. Und dennoch: Auch wenn er sehr konservative Positionen vertritt, ist er von den Bürgerrechtlern nicht angreifbar. Kreisky hat einmal gesagt: »Ich bin der einzige Bundeskanzler in Europa, den Golda Meir nicht attackieren darf.« Und ungefähr so ist es mit Herman Cain und den Bürgerrechtlern.

Befördern die Positionen der Tea Party den Einzug fremdenfeindlicher Haltungen in den Common Sense?

Fremdenfeindlichkeit im Sinne von Einwanderungsfeindlichkeit gab es schon immer. Seit ich in Amerika wohne, gibt es Leute, die vor zu viel Immigration warnen. Die Tea Party ist nur eine zusätzliche Stimme in einem ohnehin schon starken Chor. Allerdings artikuliert sie sich deutlich und bringt über ihre Sitze in den republikanischen Reihen Gesetze ein, die Einwanderung kriminalisieren. So gibt es inzwischen Gesetze, denen zufolge illegale Einwanderer nicht einmal mehr zum Arzt gehen dürfen und sich Amerikaner strafbar machen, wenn sie illegalen Einwanderern helfen.

Verschwörungstheorien sind ein wesentliches Element in der Welt der Tea Party, besonders die Theorie der New World Order wird gepflegt.

Das kommt von den christlichen Rechten. Pat Robertson, eine der Ikonen der extremen Rechten in den USA, hat den gleichnamigen Roman zur Theorie geschrieben. Die Anhänger der New World Order fürchten eine Weltregierung der Vereinten Nationen und alles, was von dort kommt, gilt als Bedrohung für die USA. Wenn es etwa einen Internationalen Strafgerichtshof gibt, vor dem sich auch Amerikaner verantworten sollen, dann heißt es sofort: New World Order! Immer wenn es darum geht, dass sich Amerikaner allgemeinen Weltgesetzen unterordnen müssen, wehrt man das mit Bezug auf die New World Order ab. Alles was unamerikanisch ist, ist New World Order – selbst Barack Obama, weil er ja Wurzeln in Kenia hat.

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Welche Rolle spielen die religiösen Extremisten?

Die sind sehr wichtig, sind in der Tea Party auch stark vertreten. Aber sie waren in der amerikanischen Politik schon immer bedeutsam. An denen kommt man nicht vorbei, wenn man in Amerika Präsident werden möchte. Man muss deren Positionen bedienen. Im Moment werden bei den Evangelikalen Anti-Frauenprogramme ganz stark befördert, das nimmt inzwischen extreme Formen an. In manchen Ländern wollen die Evangelikalen Fehlgeburten unter Strafe stellen. Fast überall wollen die christlichen Rechten die Antibabypille als Vorform der Abtreibung verbieten und es Jugendlichen untersagen, Verhütungsmittel zu kaufen. Sie wollen erreichen, dass Kliniken schließen müssen, weil dort Abtreibungen durchgeführt werden. Und natürlich ist man gegen die Homo-Ehe und andere gleichgeschlechtliche Familienmodelle – obwohl, das muss man zugeben, in diesem Fall der Widerstand etwas bröckelt, weil es unmöglich ist, dies durchzuhalten. Bei Rick Santorum gab es auch erstmals Widerstand gegen diese frauenfeindlichen Positionen, aber ich bin skeptisch, ob sich da tatsächlich etwas ändert. Die Religiösen sind unheimlich stark auf dem Land, wo es die ganzen christlichen Radiosender gibt und man am Sonntag in die Kirche gehen muss. Die ganzen Sozialfunktionen werden hier alle von der Kirche wahrgenommen – vom Kindergarten über die Eheberatung bis zur Seniorenfreizeitgestaltung. Es gibt in den USA ja keine Sozialhilfe oder etwas Ähnliches. Als Atheist kann man dort gar nicht leben, weil es nur religiöse Angebote gibt.

Die Debatte um eine allgemeine Krankenversicherung, die so genannte Obama-Care, ist ja mit vielen fehlerhaften Informationen und Populismus durchsetzt. Warum klären die amerikanischen Medien da nicht stärker auf?

Es gibt durchaus Medien, die auch aufklären, aber an erster Stelle steht oft die Auflage. Außerdem herrscht viel Unwissenheit. Ich habe in der Zeit, als man die Krankenversicherung eingeführt hat, nicht einen Artikel gefunden, der versucht hat, zu erklären, wie das in Deutschland funktioniert. Dabei wäre das doch nahe liegend gewesen.

Gibt es eine Partei oder eine Bewegung in Europa, die mit der Tea Party vergleichbar wäre?

In ganz Europa würde ich am ehesten den Front National unter Marine Le Pen mit der Tea Party vergleichen. Und der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders ist bei der Tea Party durchaus anerkannt, wird dort hofiert. Die Rechtspopulisten, die in den europäischen Parlamenten sitzen, können als Gegenstück zur Tea Party betrachtet werden. In Deutschland tue ich mich schwer. Im allerweitesten Sinne kann man hierzulande die Tea Party wohl mit den Leuten von Politically Incorrect vergleichen.

Welche Rolle kann die Tea Party bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November spielen?

Sie werden nicht den nächsten Präsidenten stellen und sich mit Mitt Romney anfreunden müssen. Aber es kann sein, dass dieser Rick Santorum als Vize mit an Bord holt. Sie werden aber vor allem versuchen, im Senat und im Repräsentantenhaus Sitze zu gewinnen, um in beiden Häusern innerhalb des republikanischen Lagers die Mehrheit zu haben. Es wird spannend sein, zu beobachten, ob ihnen das gelingt oder ob sie mit ihren radikalen Positionen bei den Wählern scheitern und die Republikaner insgesamt schwächen. Der Ausgang der Wahl wird dann auch ausschlaggebend dafür sein, welche Rolle die Tea Party künftig bei den Republikanern spielen wird.