Über Terrence Malicks »Knight of Cups« wird bis zum Ende der diesjährigen Berlinale und wahrscheinlich auch noch nach der Verleihung der Bären diskutiert werden. Genialer Scoop oder spirituelles Machwerk – die Meinungen gehen angesichts eines seltsamen Frauen- und Weltbildes auseinander.
Terrence Malicks neuer Film spaltet das Publikum. Noch während des Abspanns der Pressevorführung von Knight of Cups hallte zum ersten Mal während der 65. Festspiele ein »Wonderful« durch den Saal. Zugleich verließen in den zwei Stunden zuvor so viele Journalisten wie bislang noch nicht den Kinosaal. Nach der Vorstellung vor dem Kinosaal das gleiche Bild. Die einen jubeln vom »God of Cinema«, der außerhalb des Erreichbaren Filme mache, die anderen stöhnen über Langeweile, die fehlende Storyline und »den spirituellen Quatsch«. Was ist dieser Film eines Mannes, der alles hat und dennoch niemals zufrieden ist, also? Meister- oder Machwerk?
Christian Bayle spielt den selbstverlorenen Rick, der als »Getriebener des Systems Hollywood« ein Fünf-Sterne-Leben in Los Angeles lebt und dennoch ständig an dem zweifelt, was er tut und erlebt. Die Zuschauer sehen diesem schwankenden Dasein zwischen glänzenden Palästen und schmutzigen Ruinen, zwischen Glamourpartys und Obdachlosenasyl zu, ohne dabei allzu viel von ihm zu erfahren. Seine Äußerungen sind auf wenige Sätze reduziert, was das Leben mit ihm anstellt, muss man seiner körperlichen Reaktion ablesen.
Die fehlenden Dialoge hat Malick wie schon bei Tree of Life mit einem Erzähler aus dem Off ersetzt, eine Art väterlich-biblischen Monolog. »Du wirst aus dem Leben nicht schlau, kannst die Stücke nicht zusammensetzen«, flüstert ihm der Erzähler anfangs ins Ohr. Und kurz danach »Die Bruchstücke deines Lebens passen nie zusammen.«
Dieser Gedanke mag so manchen Zuschauer nicht loslassen, denn der Film funktioniert ähnlich. Malick bemüht sich est gar nicht, eine irgendwie konsistente Handlung zu konstruieren, sondern setzt ganz auf das, was er am besten kann; seine grandiosen Bilder. Ob die Stadtpanoramen, die Wüstenaufnahmen (schon wieder Wüste) oder die Bilder von den Partys der Schönen und Reichen – all diese Bilder hinterlassen einen schweren Eindruck. Auch wenn die schwebende Kamera nah an den Figuren ist, als wollte sie diesen in den Kopf schauen, ist das aufregend und spektakulär.
Allerdings nicht immer nur zum Guten. Es gibt keine Frauenfigur in diesem Film, deren Rolle über die einer aufgebretzelten Staffage hinausgeht. Frauen sind entweder nackt oder halbnackt, schauen mit lasziven Blicken und halboffenen Mündern in die Welt; die Kamera fährt an den Körpern immer wieder entlang. Einzig Cate Blanchett und Natalie Portman haben jeweils etwa zehn Minuten, um ihren Figuren noch einen anderen Aspekt als den der Dekoration von Ricks Leben zu geben.
Spätestens seit Tree of Life ist es kein Geheimnis, das Malick in der Natur eine Art Religiosität vermutet. Entsprechend inszeniert er sie auch immer wieder. Der Mensch gehört bei ihm zu dieser Natur mit dazu, er ist nicht Teil einer Bedrohung, sondern Teil des großen Ganzen, dass die einen Schöpfung und die anderen Universalität nennen. Allein die Bildsprache führt zu einer Überhöhung allen Seins, verbunden mit der Erniedrigung von allem Weltlichen und der psalmodierenden Erzählung aus dem Off (»Finde deinen Weg aus dem Dunkel ins Licht!«) ist man recht schnell beim göttlichen Prinzip. Dass Christian Bale dann auch noch wie ein Wiedergänger des Erlösers aussieht, scheint nur konsequent.
Und genau hier scheiden sich die Geister über Malicks Kunst. Es sind nicht wenige, die mit diesem Prinzip nichts anfangen können, die das Ganze als spirituelles Stückwerk empfinden (der Autor gehört dazu). Für sie ergeben sich die Einzelstücke dieses Lebens aus Bildern von LA, der strotzenden Wirkung der Elemente und der Schönheit des »erfüllten Lebens« eben nicht in einer Erzählung, mit der man irgendetwas anfangen könnte.
Hedonismus ist schlecht und Leiden ein Geschenk, so lautet die schlichte Moral von Terrence Malicks bildgewaltigem Wettbewerbsbeitrag, in dem die Welt zur Kulisse reduziert wird. Bale spielt angesichts der Tatsache, dass er wenig sagen darf und alles körperlich ausdrücken muss, durchaus beeindruckend, so dass er sich vielleicht sogar Hoffnung auf einen Berlinale-Bären machen kann.
Alles andere muss man abwarten, die Jury hat ja bekanntermaßen ihre eigenen Gesetze. Wenn Knight of Cups am Ende leer ausgehen sollte, dann wird das alle Sympathisanten des weltanschaulich-spirituellen Kinos von Terrence Malick ärgern. Wenn er einen Bären gewinnt, dann werden Malicks Kritiker ihr Unverständnis äußern. Bis dahin gilt Jafar Panahis Credo, dass es jeder Film verdient hätte, gesehen zu werden. Im Anschluss darf Malicks neuer Film munter diskutiert werden.