Film

Heidenspaß bei Spin-Off von »Breaking Bad«

Der schmierige Anwalt Saul Goodman aus der erfolgreichen TV-Serie »Breaking Bad« bekommt seine eigene Story. Auf der Berlinale wurden die ersten beiden Episoden des Spin-Offs »Better Call Saul« gezeigt und lösten – nicht nur bei eingefleischten Fans – schiere Begeisterung aus.

Brechend voll war der Kinosaal im Haus der Berliner Festspiele am Dienstagabend, als im Rahmen der Berlinale der sehnsüchtig erwartete Auftakt der Serie Better Call Saul gezeigt wurden, dem Spin-Off von Breaking Bad, der erfolgreichsten TV-Serie in der Fernsehgeschichte. Die erste Folge der Vorgeschichte des Strafverteidigers und Antihelden »Jimmy« McGill alias Saul Goodman (Bob Odenkirk) feierte am Sonntagabend Premiere bei AMC und fuhr die Rekordeinschaltquote von fast 7 Millionen Zuschauern. Im Haus der Berliner Festspiele war neben dieser auch gleich die zweite Folge zu sehen – eine Weltpremiere.

Um die Karten gleich auf den Tisch zu legen: ahnungsloser als der Autor hätte man in diese Vorführung nicht gehen können, denn das Breaking Bad-Universum ist ihm vollkommen unbekannt. Während sich Millionen Zuschauer Nächte um die Ohren geschlagen und die auf fünf Staffeln verteilten 62 Episoden verschlungen haben, die zwischen 2008 und 2013 ausgestrahlt wurden, hat der Autor die Serie trotz und vielleicht auch ein wenig wegen ihres Erfolges ignoriert. Zumindest so weit das möglich war, denn vollkommen kam man an der von Vince Gilligan und Mark Johnson produzierten Serie ohnehin nicht vorbei. In jedem Freundeskreis gibt es »Infizierte«, die auf die Serie schwören.

Dennoch der Versuch einer kurzen Inhaltsangabe: Im Mittelpunkt von Breaking Bad steht der Chemielehrer Walter White (Bryan Cranston), der sich aufgrund einer Krankheit zu einem skrupellosen Drogenhändler und Kriminellen wandelt. Als einer seiner Unterhändler in der zweiten Staffel geschnappt wird, taucht der selbstbewusste Strafverteidiger Saul Goodman auf. Der heißt eigentlich James McGill und bekommt jetzt mit Better Call Saul seine eigene, den Breaking Bad-Ereignissen um sechs Jahre vorgelagerte Serie.

Die erste Episode widmet sich der Situationsbeschreibung McGills. Nachdem Jimmy und sein älterer Bruder Chuck (Michael McKean) die renommierte Kanzlei Hamlin Hamlin & McGill verlassen haben, macht sich Jimmy selbstständig. Die Voraussetzungen sind so schlecht nicht, Jimmy ist selbstbewusst, laut, ein Schauspieler. Dennoch läuft es nicht. Seine Kanzlei ist eine Art Rumpelkammer hinter dem Waschraum eines Nagelstudios, auf seinem Schreibtisch stapeln sich die unbezahlten Rechnungen. Als gesetzlicher Strafverteidiger versucht er sich zwar mit den verrücktesten Fällen über Wasser zu halten, doch es reicht hinten und vorn nicht.

Aber »Money is the Point!«, wie es am Ende der ersten Episode heißt, weshalb er in der zweiten versucht, proaktiver an lukrative Fälle zu kommen. Er heuert zwei Skateboarder an, die ihn mit einem gespielten Unfall abziehen wollten. Sie sollen ihr Schauspiel noch einmal aufführen, diesmal aber bei der Gattin des Stadtkämmerers, der sich an den städtischen Geldern bedient haben soll. Es träfe also den richtigen. doch die zwei Skater vermasseln es, erwischen statt der Stadtkämmerergattin die Großmutter Abuelita von Tuco, einem mexikanischen Bandenboss. Es kommt, was kommen muss, und Jimmy findet sich mit den zwei Skatern, um sein Leben bettelnd, in der Prärie wieder.

Der Kinosaal in der Berliner Schaperstraße war voller Breaking Bad-Fans, allenthalben war vor dem Beginn der Veranstaltung aufgeregtes Gemurmel zu vernehmen. Man fühlte sich wie in einem Bienenstock vor der Ankunft der Königin. Unerwarteter Weise kam diese Königin dann zunächst nicht in Form des Films, sondern in Gestalt des Goodman-Darstellers Bob Odenkirk in den Saal. Er war überraschenderweise zur einzigen Berlinale-Vorführung des Spin-Off-Auftakts gekommen.

Auch wenn der Autor ob seiner geringen, lediglich angelesenen Vorkenntnisse nicht annähernd die Hälfte aller Anspielungen und Serienzitate entdeckten konnte, hatte er in den knapp 100 Minuten einen Heidenspass. Dem wissenden Publikum ging es offenbar nicht anders. Jubelrufe und Standing Ovations folgten den beiden Episoden und begleiteten den Auftritt von Hauptdarsteller Bob Odenkirk.

Better Call Saul hat bei aller Härte einen wunderbar trockenen, geradezu britischen Humor, der auf leisen Füßen daherkommt. Ein Humor, der seine Wirkung nicht umgehend, sondern in der Tiefe entwickelt. So kommt es inmitten der Wüste zu einer wunderbaren Verhandlung zwischen Jimmy McGill, der bald Saul Goodman heißen wird, und Tuca Salamanca (Raymond Cruz), der auch in Breaking Bad eine Rolle spielt. Nachdem es Jimmy – mit der Kneifzange am Finger – einige Überzeugungskraft und den famosen, mit Blick auf Breaking Bad Lachsalven provozierenden Satz »I’m a lawyer, not a criminal!« gekostet hat, Tuca davon zu überzeugen, dass er kein FBI-Agent ist, ist dieser bereit, ihn laufen zu lassen. Aber die beiden angeheuerten Skateboarder will er beseitigen, weil sie »seine Abuelita« beleidigt haben. In der Manier des Strafverteidigers vor Gericht handelt Jimmy eine »verhältnismäßige« Strafe aus – jedem der Jungs wird ein Bein gebrochen –, da diese Tuca »gerecht« erscheinen lasse. Das ist so wunderbar komisch und zugleich so bitterböse, wie man es nur von der britischen Satire kennt.

Es ist auch eine britische Serie, die Gilligan inspiriert hat. The Royal Family habe als Vorbild gedient, wie Odenkirk im Anschluss an die Vorführung in einer kurzen Fragerunde erzählte. Die »reizende Bösartigkeit«, die in dieser Serie stecke, habe ihn immer fasziniert; einiges davon steckt jetzt in Better Call Saul. Zugleich sprach er über seine zwei Rollen, einmal als James McGill, dem ehrgeizigen Anwalt am Boden, und dann als Saul Goodman, dem schmierigen Fürsprecher des organisierten Verbrechens. Odenkirk mag McGill lieber, ihn könne er verstehen, für ihn hege er Sympathie. Nicht so für Saul, der sei ihm unheimlich, von ihm »würde ich mich fernhalten«, sagte er dem Spiegel im Interview.

Dieser sei allerdings nicht sonderlich ungewöhnlich, immer wieder kämen Anwälte zu ihm, die ihm sagten, dass sie genau so einen wie Saul Goodman kennen würden. Es seien immer die anderen, nie sie selbst, schob er augenzwinkernd nach. Diese Realitätsnähe bei gleichzeitiger Distanz zu politischen Debatten macht den Erfolg von Gilligans Serien aus. Man muss kein Fan sein, um von diesem Spin-Off begeistert und – ja, durchaus – »infiziert« zu sein. Das schöne für den ahnungslosen Autoren ist: neben dieser neuen und aufregenden Erzählung liegt noch das komplette Universum der Mutterserie vor ihm.

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