Anlässlich der Woche der Unabhängigen Buchhandlungen haben wir einen Fragebogen an verschiedene Buchhändler in Berlin geschickt. Edgar Rai von der Pankower Buchhandlung »Uslar&Rai« spricht über spannende Veranstaltungen, Buch(händler)preise und die Buchhandlung 2.0.
Herr Rai, die Buchverkäufe in den Buchhandlungen gehen allgemein zurück, Leser wandern zu Amazon und Co. Wie spüren Sie das und was tun Sie gegen diesen Trend?
Wie wir das spüren? Schmerzlich. Wir versuchen, das aufzufangen, indem wir möglichst persönlich, kompetent und authentisch für unsere Kunden da sind.
Wie viele Kunden begrüßen Sie im Schnitt am Tag?
Erfreulich viele, die genaue Zahl kann ich Ihnen aber nicht nennen. Es dürfen aber gerne noch mehr werden.
Lassen sich Leser noch inspirieren oder wissen die meisten längst schon, was sie kaufen wollen?
Das hält sich meiner Erfahrung nach die Waage. Es kommen meist genauso viele mit konkreten Vorstellungen wie Menschen, die noch nicht wissen, was Sie kaufen werden.
Wie gelingt es in Berlin, in dem ein Event dem anderen folgt, Leser zu binden und in den Buchhandel zu bekommen? Welche Bedeutung haben dabei Lesungen oder Leseabende und in welchem Verhältnis stehen dabei Aufwand und Nutzen?
Interessante Veranstaltungen sind für uns Teil des Markenzeichens, also sehr wichtig. Was den Nutzen angeht kann ich nur sagen: Definieren Sie »Nutzen«. Wir haben tolle Gäste, interessante Abende und am Ende inspirierte Kunden. Mit jeder Veranstaltung finden neue und künftige Kunden den Weg in unsere Buchhandlung. Da ist die Frage, ob man mit der Veranstaltung Gewinn macht, eher nachgelagert.
Wie gewinnen Sie junge Leser?
Immer noch zu selten.
Welche Bedeutung haben für Sie Aktionen wie die Woche der Unabhängigen Buchhandlungen, Stadt-Land-Buch oder das Internationale Literaturfestival? Ist davon etwas in Ihrer Buchhandlung zu spüren? Und nehmen Sie diese zum Anlass für eigene Aktionen?
Zu spüren bekommen wir die Woche der unabhängigen Buchhandlungen schon, vor allem durch Anfragen wie diese. Auf den Verkauf wirkt sich das nicht signifikant aus. Das ILB, das ja eher eine »Westberliner« Veranstaltung ist, scheint uns überhaupt nicht zu betreffen.
Was wünschen Sie sich von den Verlagen und was vom Buchhandel, also den Kollegen und Konkurrenten?
Von den Verlagen wünschen wir uns vor allem gute Bücher, von den Kollegen einfach nur ein gutes Miteinander.
Sollten unabhängiger Buchhandel und unabhängige Verlage stärker zusammenarbeiten und mehr Kooperationen suchen?
Ich weiß nicht. Das klingt mir zu sehr nach Klassenkampf gegen die vermeintlich Großen. So pauschal würde ich das also nicht sagen.
Der Deutsche Buchhandlungspreis wird immer wieder diskutiert. Vielen fehlt es an klaren Bewertungskategorien, einigen sind zu viele Hauptstadtbuchhandlungen unter den Nominierten. Wie sehen Sie das? Ist dieser Preis sinnvoll und hilft er den Buchhandlungen tatsächlich irgendwie
Wir haben ihn ja auch schon bekommen, und ja, das Preisgeld hilft. Grundsätzlich sehe ich nicht, weshalb man den vielen Buchhändlern in diesem Land, die eine hervorragende Arbeit machen und sich in alle Richtungen engagieren, nicht die Wertschätzung entgegenbringen sollte, die sie verdienen. Ich verstehe, dass es manchen an klaren Bewertungskategorien fehlt beziehungsweise die Kritik, dass die formulierten Bewertungskategorien offenbar für die Preisvergabe oft eben doch keine Rolle spielen. Insgesamt aber habe ich den Eindruck, dass die Jury zumindest versucht, eine gute Auswahl zu treffen. Das sollte man anerkennen.
Ein anderer Preis des unabhängigen Buchhandels ist das »Lieblingsbuch der Unabhängigen«. Wie sehen Sie solche Auszeichnungen, die immer auch mit den anderen großen Literaturpreisen konkurrieren?
Was Preise angeht, bin ich grundsätzlich zwiegespalten. Ich habe schon mehr als einmal erlebt, dass besondere Romane praktisch unsichtbar und damit unverkäuflich werden, kaum dass ein großer Literaturpreis vergeben wird. Es ist einfach nicht möglich, etwas aus einer Menge herauszuheben und über die anderen zu stellen, ohne dass es einen Schatten wirft. Andererseits gilt auch hier, was für den Buchhandlungspreis gilt: Wertschätzung ist eine schöne Sache.
Worin besteht Ihrer Ansicht nach die größte Herausforderung für den unabhängigen Buchhandel?
Sich zu überlegen, wie die Buchhandlung 2.0 aussehen könnte und was für Aufgaben sie hat. Kein Mensch braucht heute mehr eine Buchhandlung, um ein Buch zu kaufen. Ich glaube, künftig wird es nicht mehr darum gehen, Bücher vorrätig zu haben, sondern Inspiration.
Bitte setzen Sie diesen Satz fort: Eine gute Buchhändlerin/ein guter Buchhändler sollte …
Mit solchen Sätzen habe ich immer Schwierigkeiten. Das ist so, wie Leute, die mir erzählen, »Kinder« soll man so oder so erziehen. Jedes Kind will anders erzogen werden, ich nehme an, für die Anforderungen an Buchhändler gilt das gleiche.
Herr Rai, vielen Dank für das Gespräch.
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