Ihr neuer Roman »Töchter« ist eines der besten deutschsprachigen Bücher des Frühjahrs. Lucy Fricke spricht im Interview über Frauenfreundschaften und Familienverhältnisse, Wahrheit und Fiktion, über das Wühlen in den eigenen Abgründen und sinnlose Kämpfe.
»Töchter« Roman handelt in weiten Teilen von der Abwesenheit von Vätern und dem Kampf zweier Töchter um das Bild, das sie von ihren Vätern haben. Warum interessiert sich Lucy Fricke für zwei Frauen, deren von den verlassenen Müttern aufgestelltes Vaterbild auf den Kopf gestellt wird?
In erster Linie interessiere ich mich für zwei Frauen um die 40, die in der deutschsprachigen Literatur meiner Meinung nach zu kurz kommen. Und wenn solche Frauen mal auftauchen, dann als Mutterfiguren. Ich wollte aber einen Roman schreiben, in dem es um Frauen geht, mit denen ich befreundet bin, die nicht nur oder gar nicht Mütter sind, sondern viel mehr. Mich haben deshalb all die Fragen, mit denen man sich in dem Alter beschäftigt, interessiert: Kinderkriegen oder nicht, Familienentwürfe, Karriere, Scheitern – all das, was man intensiv spürt in dieser Zeit. Dazu kam die Auseinandersetzung mit den Eltern, die zunehmend alt und krank werden und manchmal eben auch sterben. In meinem Freundeskreis sind Eltern von Freunden gestorben und wir haben plötzlich auch viel mehr über unsere Eltern gesprochen. Vor zehn Jahren war das gar kein Thema, da wussten wir voneinander oftmals nicht einmal, wie unsere Eltern heißen und welchen Berufen die nachgingen.
Martha und Betty sind im besten Alter. Die eine kämpft mit der Einsamkeit, die andere mit der Kinderlosigkeit. „Wir waren die erste Generation Frauen, die machen konnte, was sie wollte. Das hieß aber auch, dass wir machen mussten, was wir wollten, und das wiederum bedeutete, dass wir etwas wollen mussten.“ Ist das tatsächlich das entscheidende Problem der Frauen in den Vierzigern?
Dass Frauen jetzt machen können, was sie wollen, sehe ich gar nicht als Problem, sondern als eine große Freiheit an, die man sich auch nehmen und füllen muss. Man muss für den eigenen Weg wahrscheinlich mehr Kraft aufbringen, deshalb ist es auch eine Herausforderung, aber eine die Spaß macht. Es ist ein Glück, dass wir uns heute mit Fragen wie Wer bin ich?oder Was möchte ich im Leben? stärker beschäftigen können als die Generation unserer Mütter. Meine Mutter ist noch mit ganz anderen Gedanken groß geworden. Etwa Ich kann keine Wohnung mieten, wenn ich nicht verheiratet bin oder Ich kann ohne die Genehmigung meines Ehemanns nicht arbeiten. Es ist unfassbar, dass das erst eine Generation her ist.
Welche Rolle spielen Frauenfreundschaft für Sie?
Sie sind in den letzten Jahren wichtiger geworden. Ich war eigentlich immer mit Männern befreundet, fast ausschließlich. Erst in den letzten fünf, sechs Jahren kamen wirklich enge Frauenfreundschaften dazu. Inzwischen denke ich, dass diese Freundschaften entspannter sind als die zu Männern.
Woran liegt das?
Daran, dass sich die Wahrnehmung der Dinge eher deckt. Und sicher auch ein wenig daran, dass, zumindest unter heterosexuellen Frauen, das Sexuelle wegfällt und man keine doppelten Böden fürchten muss. Unter Frauen herrscht auch eine andere Nähe und ein anderes Verständnis. Das macht es auch manchmal ein bisschen langweilig, weil man sich sehr ähnlich ist.
Kurt lässt sich zum Sterben in die Schweiz fahren? Wir lernen ihn als einen verbittertenMann kennen, der mit Emanzipation und Feminismus nicht viel anfangen kann.Ausgerechnet er lässt sich von zwei Frauen in die Schweiz kutschieren. Was hat Sie andiesem Spannungsverhältnis interessiert?
Mich fasziniert die vollkommen andere Wahrnehmung der Wirklichkeit. Zwei Generationen, zwei Geschlechter – da steckt einfach viel Potential drin. Kurt ist ja auch mit so einer deprimierenden Gleichgültigkeit durchs Leben gegangen. Ich mag seine Stoffeligkeit. Mich hat gereizt, dass er ein paar Weisheiten parat, aber doch auch so vieles im Leben nicht verstanden hat. Es ist ein wenig so, wie man das mit den eigenen Eltern auch erlebt. Die wissen schon viel, manchmal auch viel mehr als man selbst, haben aber dennoch von dem Leben, das man führt, zum Teil überhaupt keine Ahnung. Mir war wichtig, dass das hier aufeinanderprallt. Ich wollte, dass die sich ihre Wahrheiten mal ins Gesicht schleudern.
Es gibt in der Geschichte zwei Vaterfiguren. Während Ernesto, den man später kennenlernt, von Anfang an ein ziemlich kantiger Typ ist, will man den Kurt trotz seiner Stoffeligkeit nicht wirklich unsympathisch finden.
Ich finde, Kurt hat schon Kanten. Der eckt ja auch an, weil er ziemlich auf Emanzipation schimpft und den Frauen an allem die Schuld gibt. Frauen haben ihn aus seiner Sicht immer nur ausgenommen, ein Leben lang verarscht. All das lässt Kurt ja auch raus. Aber es stimmt schon, es sind zwei unterschiedliche Vaterfiguren, die ich absichtlich gegeneinanderstelle. Der eine, nach dem es eine gewaltige Sehnsucht gibt und der somit ein größeres Ideal darstellt, sich dann aber als kein guter Kerl entpuppt. Und der andere, der eher als schwieriger Vater eingeführt wird, weil er unglaublich viel von seiner Tochter verlangt, sich dann aber zu einem herzensguten Typen entwickelt. Wenn man so will, entwickelt sich der eine vom Guten zum Bösen und der andere vom Bösen zum Guten.
Wer hierzulande zu einem selbst festgelegten Zeitpunkt sterben will, muss wie Kurt eine Reise in die Schweiz machen oder hoffen, dass der Hausarzt seinen Patienten treu bleibt und Kopf und Kragen riskiert. Wie stehen Sie zu Sterbehilfe und ärztlich assistiertem Suizid?
Ich würde mir für solche Fälle wünschen, dass wir Schweizer Verhältnisse hätten. Diese Suizidreisen von sterbenskranken oder lebensmüden Menschen sind eine Zumutung.
„Alles wissen wollen, aber dann mit der Wahrheit nicht klarkommen“, sagt Ernesto im Gespräch zu Betty. Was haben Sie beim Schreiben des Romans über den Begriff Wahrheit gelernt?
Ich habe mir Mühe gegeben, mir und meinen Gedanken gegenüber sehr aufrichtig zu sein. In dem Buch steckt ziemlich viel drin von dem, was mir in den letzten zwei, drei Jahren durch den Kopf gegangen ist. Ich habe versucht, schonungslos zu mir selbst zu sein und gewisse Verletzungen, Unzulänglichkeiten und Ängste auszusprechen. Darüber hinaus lernt man beim Schreiben unendlich viel. Schreiben ist für mich immer auch eine Art Selbstgespräch. Man ist allein mit sich und dem Text – und während man schreibt, denkt man. Manchmal denkt man auch Sachen, die einen selbst überraschen. Das führt dann dazu, dass der Text zuweilen schlauer ist als die Autorin. Mir hat dieses Wühlen in mir selbst, wenngleich es natürlich Kraft gekostet hat, aber auch Freude bereitet.
Das heißt, in dem Roman haben Sie Ihr eigenes Vater-Tochter-Verhältnis verarbeitet?
Schon auch. Ich bin wie Martha und Betty ja auch Kind getrennter Eltern. Der Roman, das Schreiben und die Veröffentlichung, hat das Verhältnis zu meinen Eltern verändert. Wir sind seitdem offener miteinander.
Das heißt, Ihre Eltern haben »Töchter« gelesen und kommen nun auf Sie zu, um zu reden?
Ja, genauso ist es. (lacht)
Nach der ersten Begegnung mit ihrem Vater Ernesto fühlt sich Betty wie ein »betrunkenes, vergessenes Kind«. Bleiben wir in der Begegnung mit unseren Eltern immer die Kinder, die geliebt werden und in den Arm genommen werden wollen?
Bedürftig? Ich weiß nicht. Aber ich weiß, dass sich alle Kinder von ihren Eltern Bestätigung und Liebe wünschen. Viele bekommen diese aber nicht, erfahren nie, dass ihre Eltern stolz auf sie und darauf sind, was sie geschafft haben. Wenn Eltern sterben und diese Bestätigung ausbleibt, dann hinterlässt das schon tiefe Wunden.
An einer Stelle heißt es: »Wer verlassen wurde, will ein letztes Gespräch, eine letzte Klarheit, ein Eingeständnis, dassdie Trennung ein Irrtum gewesen ist.« Ist nicht das Schwierige für Kinder aus Trennungsfamilien, dass nicht sie selbst, sondern Mutter oder Vater die Verlassenen sind?
Kinder haben mit Trennungen im Grunde gar nichts zu tun. Aber es fühlt sich halt so an, dass da jemand gegangen ist, ohne sich großartig zu erklären. Und das Wissen, dass man selbst damit nichts zu tun hat, macht es oft nicht besser. Ganz im Gegenteil, das ist noch schlimmer. Als Kind ist man plötzlich egal, es ging schließlich nur um die Beziehung der Eltern. Aber auch hier hat sich meines Erachtens einiges zum Guten verändert. Wenn sich Paare heute trennen, dann wird sehr viel Rücksicht auf die Kinder genommen. Manchmal auch zu viel, wie ich finde. Da leben Getrennte in Beziehungskonstrukten weiter, haben aber längst keine Beziehung mehr. Oder andere Eltern bleiben nur der Kinder wegen zusammen. Ersteres finde ich merkwürdig, letztes schwierig. Denn das will ja kein Kind auf den Schultern haben. Aber dieses einfache Verschwinden, Liebe, die einem entzogen wird, ohne dass es mit einem selbst zu tun hat, das ist schwer. Das bleibt als Schaden. Weil man denkt, man wird sowieso immer wieder verlassen. Natürlich ist das abhängig davon, wie oft einem so etwas als Kind widerfährt, aber die Erzählerin hat das durch die vielen Väter, die da waren, viel zu oft erlebt, als dass sie unbeschadet daraus hätte hervorgehen können.
Es gibt eine Szene auf einem Polizeirevier in Griechenland, bei der ein Schriftsteller übersetzt. Da heißt es, dass dieser Schriftsteller alles »in sein phantasieloses Schriftstellerhirn verschob, von denen die Erzählerin mehr als nur eine Ahnung hatte«. Verschieben Sie auch Dinge, die Sie erleben, in ihr Schriftstellerhirn?
Ich denke mir schon viel aus, aber ich ziehe natürlich auch viel aus dem, was ich sehe – also aus der Welt, die mich umgibt. Aber das ist ja nichts Untypisches. Das heißt nicht, dass die Figuren erkennbar sind, aber man klaut natürlich Sprechweisen, Angewohnheiten, Charakterzüge und auch Lebensgeschichten von anderen. Darin muss man natürlich sehr geschickt sein (lacht), das ist schon die halbe Miete.
Drei bis vier Jahre liegen immer zwischen ihren Romanen. Verspüren Sie manchmal den Druck, produktiver sein zu müssen?
Ich finde das schon einigermaßen produktiv. Aber hätte ich mehr Geld, würde ich mir mehr Zeit lassen. Meist ist die nächste Veröffentlichung ganz klar gekoppelt an den Kontostand. Das klingt schrecklich kapitalistisch, aber ich kann es mir leider nicht leisten, zehn Jahre an einem Roman zu schreiben, auch wenn ich das gern wollte. Ich schreibe im Schnitt zwei Jahre an einem neuen Buch und bin dann noch ein halbes bis zu einem Jahr mit dem Veröffentlichen beschäftigt. In der Zeit kann ich auch kein neues Buch anfangen, da bin ich eine andere, mehr nach außen hin orientiert. Da bin ich dickhäutiger und weniger sensibel für das Schreiben.
Sie schreiben auch über Berlin, denn Betty flieht auch vor der Airbnb-Wirklichkeit in Kreuzberg. Was nervt Sie an der Stadt am meisten?
Ich liebe Berlin so sehr.
Es gibt nichts, was Sie nervt?
Naja, ich kann jetzt natürlich sagen, dass steigende Mieten, Ausverkauf, Gentrifizierung und all das nicht gut sind. Aber mich nervt nichts irgendwie speziell. Ich mag sogar den Dreck. Ich finde manchmal anstrengend, dass Menschen derart laut sind, einem so nahekommen und man keine wirkliche Schutzzone um sich haben kann.
Sie sind um die Jahrtausendwende von Hamburg nach Berlin gegangen. Fühlen Sie sich nach 18 Jahren wie eine Berlinerin?
Nein, nicht wirklich, aber das meine ich nicht negativ. Ich lebe sehr schön am Landwehrkanal und habe Freunde im Kiez. Das ist ein nahezu perfektes Dasein. Aber es gibt so viele Ecken in Berlin, die ich immer noch nicht kenne. Auch das Berliner Umland kenne ich kaum. Ich kann immer noch so viel Neues entdecken, deswegen fühle ich mich manchmal gar nicht wie eine Berlinerin.
War das auch eine Flucht?
Naja schon irgendwie. Aber das war mit Anfang Zwanzig und es wurde Zeit, mal die Stadt zu wechseln. Da tun mir die Berliner immer leid, denn wo soll man hingehen, wenn man aus Berlin kommt. Ich finde das in Deutschland tatsächlich schwierig. Für mich als Hamburgerin war klar, dass Städte wie München oder Köln nicht infrage kommen. Ich habe schon ganz früh, mit 14 Jahren, von Berlin geträumt. Ich hatte einen Onkel in Kreuzberg, den ich immer mal besucht habe. Und damals dachte ich schon „Wenn ich groß bin, gehe ich mal nach Berlin.“ Und genauso ist es dann ja auch gekommen.
So ganz kommen Sie von Hamburg dennoch nicht los. Sie sind Veranstalterin der HAM.LIT, einem der, wenn nicht sogar dem erfolgreichsten Indielesefestival Deutschlands. Außerdem sind Sie Gründungsmitglied des Kook-Vereins, der vor drei Jahren in der Uckermark mit dem Wortgarten ein neues Format ausprobiert hat. Was reizt Sie an diesem vielfältigen Engagement für die Literaturszene, dass Sie sicher auch vom Schreiben abhält?
Ja, das hält mich sehr vom Schreiben ab. Das mit der HAM.LIT war mehr so ein Zufall. Ich habe die vor neun Jahren aus reinem Frust ins Leben gerufen. Damals war mein erstes Buch erschienen. Die Lesungen, zu denen ich eingeladen war, waren lieblos organisiert und ich fühlte mich als Autorin oft schlecht behandelt. Wenn man im Backstage-Raum ein ranziges Brötchen neben einem warmen Bier fand, war das keine Überraschung. Die Moderationen wurden meist lieblos heruntergeleiert, die Orte waren nicht schön gestaltet – das war alles ohne Hingabe gemacht. Man wusste sofort, warum das Publikum fehlte. Da habe ich gedacht, dass das doch auch anders gehen muss, vor allem für junge Autoren. Wenn man erst einmal erfolgreich ist, dann liest man an anderen Orten, aber mit dem ersten oder zweiten Buch muss man sich ganz schön viel bieten lassen. Und das hat mich geärgert. Deshalb wollte ich eine schöne Veranstaltung für junge Autoren organisieren, bei der es denen gut geht. Wo sich nette Menschen um eine gute Atmosphäre kümmern, interessierte Menschen zuhören und man zusammen einen tollen Abend hat. Mit diesem Partygedanken ist die HAM.LIT entstanden. Beim ersten Mal hatte ich auch nur Leute eingeladen, die ich kenne, und dazu ein bisschen Publikum. Schon damals waren die Lesungen fast ausverkauft, inzwischen gibt es schon Wochen vorher keine Tickets mehr. Die HAM-LIT ist so erfolgreich, dass ich aus der Nummer gar nicht mehr rauskomme. Mir macht diese eine Veranstaltung, auch wenn sie aufwendig zu organisieren ist, aber auch immer noch Spaß. Und zum Glück mache ich das nicht allein, sondern mit Daniel Beskos, dem Verleger vom Mairisch-Verlag.
Wir leben in turbulenten Zeiten, auch der Literaturbetrieb wird von den politischen Debatten nicht verschont. Wie wichtig sind Ihnen beim Schreiben Politik und politische Verortung?
Politisch bin ich eher, wenn ich privat bin, ganz egal ob es um Engagement, Petitionen oder Demonstrationen geht. Ich träume immer noch davon, mal richtig politisch zu schreiben. Da geht es mir aber nicht einfach nur meine Meinung, sondern um einen sehr gut recherchierten Text, verbunden mit einer persönlichen Geschichte, die nicht meine ist. Und das braucht sehr viel Zeit. Es braucht auch sehr viel Zeit, um zu verstehen, warum Sachen so laufen wie sie laufen. Man muss die Komplexität der Welt begreifen. Ich habe den Anspruch an mich selbst, dass es keinesfalls oberflächlich sein darf, wenn ich politisch schreibe. Ich brauche hier auch das historische Bewusstsein. Wo kommen Gedanken und Haltungen her? Wo gab es die schon mal und warum kehren die in welcher Form wieder? Was macht persönliche Biografien – auch von AfD-Politikern – aus? All das würde ich gern wissen, bevor ich mich schriftstellerisch dazu äußere.
Ihr Buch ist höchst komisch, dabei handelt es von einer Zeit, in der der Tod ständig anwesend ist. Machen existenzielle Lagen das Leben lustiger oder lachen wir aus Hilflosigkeit?
Weder noch. Komik ist nie einfach, auch nicht dadurch, die große Tragik dazu zu packen. Ich wollte auch nicht andersherum die Komik dazupacken, weil man die Tragik ohne die Komik nicht aushalten würde. Es ist viel einfacher. Das ist einfach mein Stil. Und der verstärkt sich von Text zu Text und von Buch zu Buch. Ich habe immer mehr Freude an der Komik und werde vielleicht auch immer besser darin. Es ist jetzt auch das erste Mal, dass mich die Leute darauf ansprechen, dass das ein wirklich komisches Buch sei.
Wobei komischhier nicht im Sinne von ulkig, sondern von leichtgemeint ist. Der Roman hat eine große Leichtigkeit trotz des schweren Themas.
Ja, das stimmt. Ich würde aber fast behaupten, dass auch meine anderen Bücher schon leicht waren. Aber das ist halt vorher nie so aufgefallen.
Müssen Sie lange an dieser Leichtigkeit und Nonchalance feilen oder passiert Ihnen das beim Schreiben?
Ich feile schon lange an meinen Texten. Was nicht heißt, dass ich mich mit dem Schreiben schwertue. Der erste Entwurf geht mir meistens relativ leicht von der Hand. Beim Humor fummelt man aber noch viel an den Details. Da tausche ich dann noch Worte aus oder nehme Kleinigkeiten weg, bis der Witz richtig sitzt. Obwohl Humor oft auch in der Wahrnehmung der Welt gründet und nicht viel mit der Sprache, sondern damit zu tun hat, die Dinge auszusprechen, wie man sie sieht.
»Aufgeben ist manchmal klüger als Kämpfen«, heißt es im Roman. Welchen Kampf haben siedenn aus Vernunft aufgegeben?
Liebesdinge, wenn einen jemand nicht will. Da sollte man auch einfach aufgeben.
»Ich möchte an keinem Ort sterben, an dem ich einmal jung gewesen bin«, sagt ihreProtagonistin Martha im Roman. Wenn sie stirbt, dann an einem Ort, wo es keineErinnerungen gibt. Wie hält es denn Lucy Fricke mit dem Ende? Haben Sie Angst vor demSterben oder dem Tod?
Das ist eine große Frage. Aber habe da aber gar keine ungewöhnliche Antwort. Sterben, Krankheiten, Schmerzen – das sind Dinge, vor denen habe mich fürchte. Aber der Tod selbst, der schreckt mich nicht so.
Was wäre denn ihre Stadt für die letzte Nacht. Vielleicht doch Hamburg, auch wenn es eineStadt voller Erinnerung ist?
Über den perfekten Ort zum Sterben habe ich noch nicht nachgedacht. Auch beim Schreiben nicht, wenngleich ich das im Roman ja einmal komplett durchspiele. Für mich wäre nicht die Frage, wo ich sterbe, sondern wer bei mir ist, wichtig. Ich möchte nicht allein in meinem Badezimmer sterben.
Lucy Fricke: Töchter
Rowohlt Verlag 2018
240 Seiten. 20,- Euro