Film

MEGA-Krieg der Sterne

Gareth Edwards »Star Wars: Rogue One« is a rough one! Dem britischen Regisseur ist mit seiner Auskopplung aus dem Weltraumepos etwas gelungen, was ihm niemand zugetraut hat: einen Film zu schaffen, der für sich steht. »Rogue One« ist ein nicht unwesentlich großes und sehenswertes Puzzlestück im großen Weltraummärchen, das bislang im Gesamtbild gefehlt hat.

Was genau vor der Existenz des Todessterns passiert ist, blieb bislang immer im Dunkeln. In all seiner monströsen Zerstörungskraft war er einfach da. Ihn galt es zu zerstören. Das war von Anfang an die Mission von Luke Skywalker und seinen Unterstützern, der sie in der ersten Trilogie des Weltraummärchens nachgehen (Teile IV-VI). Die Baupläne der imperialen Raumstation, die Skywalker dabei benutzte, hatten Rebellen gestohlen, mehr wusste man davon nicht. Gareth Edwards (Godzilla, Monsters) erzählt in seiner Auskopplung nun die gewaltsame Vorgeschichte zum Kampf gegen den Todesstern, die vom großen ersten Aufstand der Rebellen gegen das Imperium handelt.

Groß war die Skepsis gegenüber dieser ersten von zahlreichen geplanten Auskopplung, nachdem das »Erwachen der Macht« als braver Retroschinken von Autor und Filmemacher J. J. Abrams nicht wirklich überzeugen konnte. Die Frage, ob das futuristische Märchen auserzählt ist, wurde offen diskutiert. Rogue One setzt dieser These ein klares NEIN entgegen, verzichtet dabei aber auch bewusst auf so manche Star Wars-Tradition. Im Intro wird auf den legendären Lauftext verzichtet, ikonische Charaktere wie Obi Wan Kenobi oder Meister Yoda kommen gar nicht vor und der traditionelle Soundtrack wird hier immer wieder in Dissonanzen verschoben. Beständig wird dem Zuschauer dieses Films bewusst gemacht, dass diese Krieg der Sterne-Episode anders ist.

Rogue One: A Star Wars Story | Ph: Film Frame ©Lucasfilm LFL

Die erste Szene entführt auf einen einsamen Planeten, auf den sich der untreue Imperialist Galen Erso (Mads Mikkelsen) mit seiner Frau Lyra (Valen Kane) und seiner sechsjährigen Tochter Jyn zurückgezogen hat, um der harten Hand des Imperiums aus dem Weg zu gehen. Doch das imperiale Raumschiff, das ihn holen wird, befindet sich schon im Anflug, und das typische Familiendrama nimmt seinen Lauf. Dem schwarzen Raumgleiter wird neben einem Zug schwarzer Sturmtruppen der hinterhältige Waffennarr Orson Krennic (Ben Mendelsohn) entsteigen, um Galen Erso und dessen Familie zu holen. Erso soll ihn dabei unterstützen, für den Imperator eine gigantische Waffe zu bauen, mit der es möglich sein soll, ganze Planeten auszulöschen. Dem künftigen Ingenieur des Todessterns gelingt es aber, seine Tochter in Sicherheit zu bringen, und während sie – versteckt von dem düster schillernden Recken Saw Gerrera (Forest Whitaker) vor dem Imperium – zu einer jungen Frau heranwächst, konstruiert Galen den Todesstern. Jedoch nicht, ohne die Baupläne im Zentrum dieser fatalen Waffe zu verstecken.

Jyn Erso (Felicity Jones) wird die erste weibliche Heldin in der Weltraumsaga werden, noch weit vor Prinzessin Leia (die am Ende mit den Bauplänen im Gepäck dem Zugriff von Lord Vader entkommen kann) und der selbstbewussten Skywalker-Tochter Rey. Bis dahin aber vergehen zwei Stunden, die in einem Ausmaß von Kampfhandlungen ausgefüllt werden, wie es sie in dem Epos noch nie gegeben hat. So hart und erbarmungslos wie in diesem Film wurde der Krieg der Sterne noch nie ausgetragen.

Rogue One: A Star Wars Story (Ben Mendelsohn) | Ph: Film Frame ©Lucasfilm LFL
Rogue One: A Star Wars Story (Ben Mendelsohn) | Ph: Film Frame ©Lucasfilm LFL

Jyn Erso wird in ihrem Kampf gegen die dunkle Seite der Macht von einer Phalanx an Kämpfern unterstützt, vor allem von einem geprägt ist: von Vielfalt. Ihr wichtigster Begleiter ist der junge Rebell Cassian Andor (Diego Luna), dessen draufgängerischer Habitus an einen italienischen Nachwuchsmafiosi erinnert. Zu ihm gesellt sich ein asiatisches Kämpfer-Duo, der schießwütige Baze Malbus (Wen Jiang) und der blinde Samurai Chirrut Imwhe (Donnie Yen). Ihre Figuren dienen nicht nur der Eroberung des asiatischen Marktes, sondern der religiösen Verankerung der Yedi-Tradition. Nicht umsonst betont der blinde Yedi-Charakter beständig, dass er die Macht an seiner Seite weiß. Der Flieger dieser kleinen rebellischen Task-Force mit dem Namen »Rogue One« wird von dem nerdigen Bodhi Rook gesteuert, der von dem britisch-pakistanischen Rapper Riz Ahmed gespielt wird. Nicht zuletzt unterstützt der umprogrammierte imperiale Droide K-2SO den vermeintlich aussichtslosen Kampf gegen das Imperium.

Dieser dezidiert bunte Haufen führt die Allianz in ihre erste echte Schlacht gegen die »white supremacist organization« (Drehbuchautor Chris Weitz in einem inzwischen gelöschten Tweet, der zu postfaktischen Verschwörungstheorien im Trump-Lager geführt hatte) von Lord Vader und dessen von Großmufti Tarkin (Peter Cushing ist dank digitaler Technik von den Toten auferstanden) angeführte Truppen an. Großartige Sympathien für diese tapferen Recken sollte man – auch wenn es aufgrund ihrer mitunter Shakespeare-haften Tiefe und Ambivalenz schwer fällt – nicht entwickeln, denn von ihnen wird in den chronologisch nachfolgenden Filmen immer nur kollektiv die Rede sein, wenn es zurückblickend heißt, dass viele Rebellen gestorben sind, um die Pläne des Todessterns in den Besitz der Allianz zu bringen.

Rogue One: A Star Wars Story (Felicity Jones, Diego Luna) | Ph: Film Frame ©Lucasfilm LFL
Rogue One: A Star Wars Story (Felicity Jones, Diego Luna) | Ph: Film Frame ©Lucasfilm LFL

Die Landschaften, in denen die verlustreichen Schlachten stattfinden (tatsächlich sind die Luftkämpfe auf ein Minimum beschränkt), sind ferne Entlehnungen an wahre Schauplätze im Nahen und Mittleren Osten. Die Wüstenstadt, in der die Rebellion ihren Ursprung nimmt, erinnert an das Jerusalem des 19. Jahrhunderts – wuselig, divers und gefährlich. Die Wüstentempel, die entfernt von dieser Stadt liegen, haben etwas von dem alten jordanischen Freibeuterhafen Petra oder der antiken syrischen Stadt Palmyra. Die künstliche Insellandschaft mit dem gigantischen Wolkenkratzer im Zentrum, auf dem es zum finalen Kampf kommt, lässt unwillkürlich an den Burj Khalifa in Dubai denken. Wer hinter all dem eine Spiegelung des Konflikts zwischen sunnitischem und schiitischem Islam vermutet, liegt damit mutmaßlich nicht allzu falsch. Dass die Rebellen dabei die typischen Mittel des politischen Terrorismus anwenden, vom Anschlag über den hinterhältigen Mord bis hin zum Märtyrertum, verwundert da nicht.

Ob der Bürgerkrieg, der sich in diesem Film in aller Ausführlichkeit abspielt, eher eine Abbildung der nahöstlichen Gegenwart ist oder eine dystopische Vorwegnahme des zunehmend schärfer werdenden Konflikts zwischen den Kräften einer offenen Gesellschaft und denen einer autoritären geschlossenen Gesellschaft, muss jeder für sich entscheiden. Fakt ist, dass die Mission in Star Wars: Rogue One ein in jeder Hinsicht schonungsloses Höllenfahrtskommando ist, das kein Erbarmen kennt. Die Kompromisslosigkeit des Films spiegelt sich aber auch in der Reduktion des Humors. Wo Abrams Erwachen der Macht eine penible und andeutungsreiche Schenkelklopfervorlage für eingefleischte Fans des Weltraummärchens war, ist Rogue One eine eigenständige Erzählung, in der Anspielungen und Witze rar gesät sind; und das ist gut so.

Rogue One: A Star Wars Story | Ph: Film Frame ©Lucasfilm LFL

Angesiedelt zwischen Eine neue Hoffnung (Teil IV) aus dem Jahr 1977 und der nachgereichten Rache der Sith (Teil III) von 2005 hat sich Regisseur Gareth Edwards für eine konsequente Retro-Ästhetik entschieden, die in Verbindung mit der angewandten 3D-Technik meist wie ein visuelles Ausrufezeichen wirkt. Einzig bei den Raumschiff-Modellen führt die Technik zu einer bedauernswerten Ent-Täuschung, denn man kann die Lego-Steine, aus denen sie zusammengesetzt sind, förmlich sehen.

Gareth Edwards: Star Wars: Rogue One. Mit Felicity Jones, Diego Luna, Donnie Yen, Ben Mendelsohn, Mads Mikkelson, Forest Whitaker. FSK: 12 Jahre

Weniger Ausrufe- als vielmehr Fragezeichen verursachen die etlichen Ortswechsel in der ersten halben Stunde des Films sowie ein aufgeblähtes Personaltableau, dass sich bis zum Ende (auch aufgrund des hohen Bodycounts, aber vor allem infolge der Zuspitzung der Handlung) auf ein überschaubares Maß reduziert.

Am Ende werden die Pläne des Todessterns in den Händen der Allianz sein und die Rebellen werden die unheilvolle Kraft der Megawaffe am eigenen Leib zu spüren bekommen. Man weiß das seit 1977. Wie sich die am Ende doch siegreiche Niederlage der Rebellen aber genau ereignet hat und wie kompromisslos bei diesem Megakrieg beide Seiten aufeinander eingehauen haben, erfährt man nun mit fast 40-jähriger Verspätung.