Film

Kafkaeske Gegenwart 

Quentin Dupieux zeigt in Berlin seine neue Komödie »Unglaublich, aber wahr«. Man könnte die Absurdität der Gegenwart kaum in eine skurrilere Geschichte packen.

Allain (Alain Chabat) ist angekommen in den ruhigen Fahrwassern des Lebens. Als Versicherungsvertreter verdient er genug, um sich gemeinsam mit seiner Frau Marie endlich nach einem Eigenheim umzusehen. Bei der Besichtigung ihres künftigen Hauses sind sie erst nicht so begeistert, bis der Makler auf ein Detail hinweist, das dieses Haus zu einer Besonderheit macht. Im Keller gibt es ein Loch, das, steigt man hinab, zu einem Ausgang führt, der in die obere Etage des gleichen Hauses führt. Kommt man dort an, hat man einen Zeitsprung von zwölf Stunden nach vorn hinter sich gebracht. Und »unglaublich, aber wahr«, wer diesen kurzen Trip hinter sich hat, ist drei Tage jünger.

Allein diese Konstellation beweist einmal mehr, dass der Franzose Quentin Dupieux einer der aufregendsten Filmemacher Europas ist. Mit »Flat Beat« hat er eines der meistgesehenen Musikvideos überhaupt gemacht, sein letzter Film »Deerskin«, eine geniale Komödie über einen Mann, der in den Bann seiner Lederjacke gerät, ist zu Unrecht in der ersten Pandemiewelle etwas untergegangen.

Für seine neue Komödie hat Dupieux nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern auch Regie und Kamera geführt. Die beobachtet geradezu naiv die ungeheuer kafkaesken Verhältnisse, mit denen hier von der Gegenwart erzählt wird. Denn der ominöse Durchgang vom Keller ins Dachgeschoss wird von Alains Frau Marie (Léa Drucker) als Jungbrunnen entdeckt, die sich durch permanente Nutzung in ihre Zwanziger zurückverwandeln will. Dass dieses Vorhaben bei einem Nettogewinn von zweieinhalb Tagen alle zwölf Stunden eine halbe Ewigkeit dauert, will sie nicht begreifen. 

Diese absurde Verarbeitung der gesellschaftlichen Sehnsucht nach ewiger Jugend erweitert Dupieux mithilfe der Figur von Gérard (Benoît Magimel), Alains Chef, der in der Nähe von Alains neuem Haus wohnt. Bei einem gemeinsamen Essen eröffnet dessen junge Freundin Jeanne (Anaïs Demoustier), dass sich Gérard einen elektrischen Penis hat implantieren lassen. Anstelle seines originalen Exemplars aus Fleisch und Blut zuckt nun ein »iPenis« zwischen seinen Lenden. Ein Hammerteil, das er mit dem Handy steuern kann, mit verschiedenen Härtegraden und Größen, unterschiedlichen Vibrationsprogrammen und Kamera, wie er schwärmt. 

So begeistert wie Marie und Gérard von ihren Verjüngungskuren sind, so sehr werfen sie auch neue Fragen auf. Woran misst man noch Männlichkeit, wenn alle einen »Nasa-Schwanz« haben? Und was nützt die glatteste Haut, wenn unter ihr eine alte Seele wohnt, die nichts anderes mehr tut, als der Jugend nachzujagen? In einem 15-minütigen Medley, dass die Folgen der technischen und magischen Mittel für die Charaktere in diesem Film zeigt, gibt er einen Einblick in die menschliche Idiotie unserer Zeit.

Quentin Dupieux gelingt mit seinem neuen Film ein ebenso unterhaltsames wie nachdenkliches Spiel über den Traum ewiger Jugend, das in seiner kafkaesken Anordnung den Blick auf die Gegenwart schärft.