Klassiker, Literatur

Spiel mit den Männern

Leaving New York on the Queen Mary 1938 | CC BY 2.0 via wikimedia commons

New York erholt sich langsam von den Erschütterungen der Welt-Wirtschaftskrise. Während die junge Generation mit allen Mitteln aufsteigen will, feiert die High-Society weiter Cocktailparties. John O’Haras Roman »BUtterfield 8« ist ein Sittenbild der dreißiger Jahre.

Gloria Wandrous gehört zu den begehrtesten Callgirls New Yorks und kaum ein Mann der städtischen High Society kann ihr widerstehen. In den angesagten und begehrten Clubs geht sie ein und aus. Ihre abendlichen Begleiter sind meist Familienväter, die die erotische Abwechslung zum familiären Alltag suchen, denn zwischen Kindererziehung und Gesellschaftsabenden kann die Leidenschaft schon mal abhanden kommen. Gloria weiß in dieser Welt abhanden gekommener Zärtlichkeiten, ihre Reize geschickt einzusetzen. Dabei sucht sie nicht die große Liebe, sondern das schnelle Geld.

Der amerikanische Schriftsteller John O’Hara war eine der Wiederentdeckungen des vergangenen Bücherjahres. Mit der Neuübersetzung seines Debütromans »Begegnung in Samara« von 1934 bewies der herausgebende C. H. Beck-Verlag im vergangenen Jahr nur einmal mehr sein Gespür für gute Literatur und den Trend der Zeit. Amerikanische Autoren und Literaten vergangener Tage sind im Kommen, sei es Truman Capote, Jerome D. Salinger oder eben John O’Hara, deren Werke in den vergangenen Jahren überaus erfolgreich in neuer Übersetzung verlegt wurden.

Der Erfolg dieser Klassiker ist nicht zuletzt das Resultat einer ökonomischen Verlegerkultur, die zunehmend alles in Buchform bringt, was sich nur irgendwie an den Mann bringen lässt. In einer solchen Bücherlandschaft weiß man, woran man ist, wenn man zu den Granden der Vergangenheit greift. Und so lag im vergangenen Jahr mit »Begegnung in Samara« ein faszinierender Text von O’Hara vor – leicht, jazzig, amerikanisch. Nicht umsonst erhob das berühmt-berüchtigte Time-Magazine O’Haras Debüt in die Riege der einhundert wichtigsten englischsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts. Der Erfolg der Neuauflage bestätigte dies durchaus.

In dem nun vorliegenden Roman »BUtterfield 8« verarbeitete O’Hara die Geschichte der jungen Starr Faithfull, deren Körper im Sommer 1931 in Long Island an Land gespült wurde. Der Fall wurde nie aufgeklärt, inspirierte aber den damals 26-Jährigen zu seinem nun neu übersetzen Roman, der die Geschichte dreier Personen erzählt. Neben Glorias amourösen Eskapaden handelt der Roman auch von ihrem besten Freund Eddie Brunner und dem ihr verfallenen wohlhabenden Geschäftsmann Weston Liggett. Brunner ist ein kleiner Schreiber, der sich mit Gelegenheitsaufträgen über Wasser hält. Er neidet Gloria zwar den Wohlstand, dass sie jedoch bereit ist, sich dafür Stück für Stück zu verkaufen, kann er nicht begreifen. Und dennoch, er liebt sie so, wie sie ist, mal bedrohlich intensiv und dann wieder mit dem einer Freundschaft gebührenden Abstand.

John O’Hara: BUtterfield 8. Aus dem Englischen von Klaus Modick. Verlag C.H.Beck 2008. 332 Seiten. 18,90 Euro. Hier bestellen

Liggett hingegen ist Gloria vollkommen verfallen. Sein gut behütetes Heim langweilt ihn zu Tode und seine Ehe ist eingeschlafen, als seine Kinder noch klein waren. Sein glühendes Begehren für Gloria scheint nicht zuletzt auch eine Flucht vor den eigenen, adoleszenten Töchtern zu sein, die in ihm inzestuöse Gefühle wecken. »Er mochte sie jetzt viel lieber, als er sie als kleines Kind gemocht hatte. Sie war größer geworden, und seine Liebe war auch größer geworden.« Die Erfüllung seiner libidinösen Sehnsüchte bei der blutjungen Gloria führt dazu, dass er sie wie besessen verfolgt und beschließt, seine Familienidylle aufzugeben.

Die Faszination, die den Leser von »Begegnung in Samara« noch in die amerikanische Kleinstadtidylle der 20er und 30er Jahre hat eintauchen lassen, bleibt hier nahezu völlig aus. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass »BUtterfield 8« weit hinter dem sprachlichen Glanz des vorher erschienenen Kleinstadtromans zurückbleibt. Einzig in den gekünstelten und aufgesetzten Äußerungen des jungen Eddie Brunner blitzt O’Haras Talent auf. Ansonsten plätschert die Erzählung in drei Strömen, die vereinzelt immer mal wieder zusammengeführt werden, ohne tatsächliche Höhepunkte vor sich hin. Der aus O’Haras Debüt bekannte scharfe Sarkasmus ist hier wie vom Erdboden verschwunden. Dialoge wie »Naja, ich versuche erst gar nicht ein Witzbold zu sein. Ich bin nur ein vielbeschäftiger Geschäftsmann. – Ach Ja? Sind Geschäftsmänner heutzutage wieder beschäftigt? Das wusste ich gar nicht.« hinterlassen lediglich einen gelangweilten, blassen Eindruck.

So teilt sich O’Hara zum Beispiel mit Truman Capote das Schicksal, ein überaus brillantes und mitreißendes Romandebüt geschrieben zu haben, welches alles weitere in den Schatten der großen Erwartungen und Ansprüche stellt. Bleibt dem Verlag nur zu wünschen, dass die Neuübersetzung des Romans durch Klaus Modick ein ähnlichen Erfolg zeitigt, wie es die Bände von Capote heute schon tun, unabhängig ihres literarischen Renommees. Die Bücherschwemme moderner Trivialliteratur spricht dafür, denn trotz aller Kritik hebt sich »BUtterfield 8« von dieser immer noch angenehm ab.