»Stell Dir vor, es ist Rosenkrieg, und keiner geht hin«. Die Paartherapeutin und Trennungsmediatorin Nadja von Saldern empfängt täglich Paare in der Krise. In ihrer Praxis abseits des Kurfürstendamms werden Seitensprünge verhandelt und Vorwürfe besprochen, Beziehungen weiterentwickelt oder Trennungen vollzogen. Wofür sich ein Paar am Ende entscheidet, kann und will Nadja von Saldern nicht beeinflussen. Ihre Mission ist es, einen Rosenkrieg zu verhindern.
Frau von Saldern, Sie sind als Paartherapeutin und Trennungsmediatorin tätig. Böse Zungen könnten behaupten, dass man Ihnen zu diesem cleveren Geschäftsmodell gratulieren muss, denn wenn eine Paartherapie misslingt, können Sie in Personalunion die Trennung begleiten.
»Cleveres Geschäftsmodell« hat so einen negativen Touch. Das sehe ich so nicht, ich habe eine ganz beziehungserhaltende Seele. Mein Anliegen ist, dass sich das Paar gut verstehen muss, ob zusammen oder getrennt. Für mich ist meine Arbeit immer eine Arbeit für das Paar, hin zum guten Verstehen. Und wenn es dafür ist, dass beide hinterher gute Eltern oder Freunde sein können, reicht mir das. Aber tatsächlich sagen die Paare, die hierher kommen, von Anfang an, »Wir kommen ziemlich spät. Wir hätten früher kommen sollen, hoffen aber, dass sie noch was machen können. Wenn nicht, freuen wir uns aber, wenn Sie uns in die gute Trennung begleiten.« Und in der Regel, wenn dann nach fünf Sitzungen klar wird, das läuft auf eine Trennung hinaus, bin nicht ich verantwortlich dafür, sondern das Paar. Ich selbst trage wenig dazu bei, wenn sich ein Paar für die Trennung entscheidet. Es ist vielmehr so, dass wir dann bereits einen Prozess hinter uns haben, Vertrauen in mich und meine Arbeit besteht und wir gemeinsam schon ganz anders arbeiten können. Deshalb entscheiden sich Paare dann, ihre Trennung von mir begleiten zu lassen. Die Kombination ist also eher ein Vorteil als ein Geschäftsmodell.
Werden Sie denn öfter als Paartherapeutin oder als Trennungsmediatorin angefragt?
Im Moment werde ich mehr als Paartherapeutin angefragt. Aber mein Eindruck ist, dass eher Paare zu mir kommen, die schon fühlen, dass eine Trennung in der Luft ist. Ich bin leider nicht die Paartherapeutin für die einfachen Fälle.
Was können Sie denn besser: kitten oder trennen?
Nicht ich, sondern das Paar kittet. Ich leiste nur Hilfestellung, das Paar muss zwischen den Sitzungen arbeiten. Es ist toll, wenn sich Paare wieder besser verstehen, aber die Paartherapie ist ein laufender Prozess, es gibt kein wirkliches Ergebnis. Aber die Scheidungsmediation hat einen Abschluss und das fühlt sich manchmal ganz gut an. Ich empfinde auch eine große Erfüllung, wenn sich Paare gut trennen. Dann nehmen Kinder einfach nicht so Schaden.
Warum sollten sich denn Menschen in Trennungsphasen beraten lassen?
Ich denke, eine Trennung ist grundsätzlich eine ganz schön haarige Angelegenheit. Sie wird im Moment vermeintlich erleichtert, weil das Internet und Dating-Apps das Gefühl vermitteln, dass man auch schneller wieder jemanden findet. Aber sich zu trennen ist nach wie vor schwierig. Es ist ja ein langer und intensiver Prozess.
Warum kommen die meisten zu Ihnen?
Die wichtigsten Gründe sind der Wunsch nach mehr Nähe und Zärtlichkeit, sprich: Sex, und einem besseren Miteinander. Viele haben Kommunikationsschwierigkeiten oder kommen, weil das Elternsein, die gemeinsame Erziehung, nicht gut klappt.
Hinter dem euphemistisch klingenden Titel »Glücklich getrennt« verbirgt sich ein flüssig geschriebener Ratgeber, wie Paare achtsam miteinander umgehen können, wenn die Liebe abhanden gerät. Neben den theoretischen Grundlagen zu den Phasen von Beziehungen und Trennungen öffnet sie den Blick für die kleinen und großen Dramen, die ihr täglich in ihrer Praxis begegnen. Sie zeigt auf, woran Beziehungen scheitern, wie Konflikte eskalieren und Kinder darunter leiden. Zugleich liefert sie einen »Wegweiser zur friedlichen Trennung« und erläutert anhand vieler Bespiele aus ihrer Praxis, wie man sich durch eine gute Mediation den Anwalt mehr als sparen kann. Denn so einzigartig, wie jede Paarbeziehung ist, sind auch die Umstände der Trennung. Richter können dann zwar Recht sprechen, Gerechtigkeit entsteht dabei aber nicht.
Und die wollen sich alle gleich trennen?
Das muss ich in jedem Einzelfall herausfinden. Deshalb frage ich am Anfang: Was brauchen sie? Was wollen Sie? Wieso sind sie hier? Was wäre ihr ideales Szenario? Mit was würden Sie gerne rausgehen? In der Regel wollen beide die Beziehung erhalten, besser streiten lernen, sich in einem Punkt einig sein wollen. Aber ich habe auch unterschiedliche Aufträge. Einer sagt, ich möchte mich gleich trennen, der andere sagt, ich möchte die Beziehung retten. Dann muss ich gucken, was ich mit diesen unterschiedlichen Positionen mache.
Sie schildern in Ihrem Buch die typischen Phasen einer Beziehung. Gibt es Phasen, in denen Paare für Krisen besonders anfällig sind?
Mein Eindruck ist, dass oft die Umstellung vom Paar- auf den Familienmodus nicht gut gelingt. Die Familie wird oft mit dem Stress nicht fertig, etwa wenn Kleinkinder einem den Schlaf rauben. Mit der fehlenden Selbstbestimmung umzugehen ist oft eine große Herausforderung für Paare. Auch die Umstellung von den Eltern zum Partner ist oft schwierig. Wenn die Schwiegereltern in die Paarbeziehung funken und sich beispielsweise der Partner zwischen Mutter und Ehefrau stellt, ist das ein echtes Problem. Kritisch ist aber auch, wenn Phasen übersprungen werden, wenn etwa jemand in der Verliebtheitsphase, die ein bis zwei Jahre anhält, schon in die Bindung geht. Das ist häufig bei Internetbekanntschaften der Fall. Die sagen ja schon in ihren Profilen, dass sie sich binden wollen. Dann ziehen sie nach ein paar Wochen zusammen und durchleben die Bindungsphase nicht wirklich. Das heißt, sie überlegen sich nicht richtig, ob die- oder derjenige andere zu ihnen passt. Das ist riskant. Irgendwann stellt dann einer der beiden fest, dass der Partner gar nicht so toll wie gedacht ist. Mit dieser Realität können viele dann nicht umgehen.
Was ist mit dem verflixten siebenten Jahr? Gibt es das tatsächlich?
Die meisten Scheidungen erfolgen im Durchschnitt nach 15 Jahren. Weil sich aber immer mehr Paare nach 25 Jahren und später trennen, spricht man seit neuem auch von »Silbertrennung«. Relativ viele Trennungen finden aber auch sehr früh statt. Das siebente Jahr aus meiner Erfahrung aber spielt keine besondere Rolle.
Sie haben gesagt, dass viele Paare zu Ihnen kommen und wissen, dass sie zu spät dran sind. Wann sollten Paare spätestens zur Therapie gehen?
Eine Beziehung muss man genauso erlernen wie einen Job. Man wird ja auch nicht Schreiner, ohne zu wissen, wie man die Säge führt. Deshalb ist es eigentlich nie zu früh, sich damit zu beschäftigen, was es heißt, Konflikte auszutragen oder Partnerschaft zu leben. Es gibt daher kein zu früh. Zum Paartherapeut sollte man aber spätestens dann gehen, wenn sich destruktive Muster einschleichen.
Was können das für Muster sein?
Zum Beispiel das Gefühl, bei einem Thema nicht weiterzukommen. Oder es gibt Verletzungen, über die einer nicht hinwegkommt. Oder man spürt, dass Kindheitsthemen in der Beziehung immer wieder aufkommen und man sie nicht geklärt bekommt. In all diesen Fällen ist es allerhöchste Eisenbahn, einen Paartherapeuten aufzusuchen.
In vielen Beziehungen stellen die Partner irgendwann fest, dass sie »verlernt haben«, miteinander zu reden. Was ist da passiert?
In der Regel ist es so, dass der eine Partner dem anderen etwas Authentisches gesagt hat, was der andere nicht gut fand und mit »Das will ich nicht von dir hören« oder »Ich verstehe Dich da nicht« beantwortet hat. Dann verstummt der andere und sagt sich »Dann sage ich halt nicht mehr, was in mir vorgeht«. Der eine Partner kann dem anderen dann nicht mehr sagen kann, was wirklich in ihm vorgeht. Wenn mir beispielsweise mein Mann auf die Frage »Wie findest du die Blondine dahinten« mit »Toll« antwortet und ich dann drei Tage sauer auf ihn bin, dann wird er mir beim nächsten Mal nicht mehr ehrlich sagen, wer er irgendeine anwesende Frau findet. Das ist der Anfang der unauthentischen Kommunikation. Denn ich habe ihm ja gesagt, dass es mich ärgert, wenn er mir etwas sagt, das ich nicht hören will. Ein anderer Punkt ist das Gefühl, bei bestimmten Fragen keine Lösung zu finden, etwa mit der Schwiegermutter. Da sagt dann die Frau irgendwann »Ich kann mit dir darüber nicht mehr reden, wir kommen ohnehin zu keiner Lösung« – und schon wird nicht mehr gesprochen. Eine solche Entwicklung kann wie ein Virus sein, der immer mehr Symptome entwickelt.
Der Satz, Du verhältst Dich kindisch, bekommt bei Ihnen eine ganz neue Bedeutung. Warum spielt das »Kind in uns« in Beziehungen eine so große Rolle?
Weil wir von dem Partner, mit dem wir uns etwas aufbauen, in gewisser Weise emotional abhängig werden. Wenn der schlechte Laune hat, geht es uns schlecht, wenn er gut drauf ist, geht es uns gut. Wir haben eine emotionale Verbindung. Deshalb kann der Partner bei uns sehr schnell etwas auslösen. Dieses Gefühl kennen wir aus der Kindheit, da waren wir emotional abhängig von den Eltern. Ich sitze hier in meiner Praxis immer mit sechs Leuten, neben dem Paar sind emotional immer auch die Eltern mit im Raum. Oft verwechseln wir die emotionale Abhängigkeit vom Partner mit der Abhängigkeit aus unserer Kindheit. Das bringt oft Probleme in die Beziehung.
Können sie das an einem Beispiel erklären?
Wenn der Vater oft wegging und die Tochter dann allein zuhause war, kann sich Alleinsein für die erwachsene Frau bedrohlich anfühlen. Weil sie als Kind vielleicht nie gelernt hat, mit Einsamkeit umzugehen. Wenn der Partner dann abends zum Kegeln will, kann es zum Switch zur Kindheit kommen. Dann dreht die Frau durch und schreit ihren Mann an, dass er sie nicht verlassen dürfe. Innerlich aber sagt sie dem Vater sagen, dass er nicht gehen dürfe. Die Frau müsste sich jetzt zurück in ihre Kindheit versetzen und das aufarbeiten, damit sie ihren Mann Kegeln gehen lassen kann, aber sich in die Kindheit versetzen heißt eben auch, wieder so hilflos und bedürftig vor dem Vater zu stehen. Das ist nicht so einfach.
Wenn Sie hier mit den Paaren sitzen, haben sie auch deren Dynamiken im Raum. Da gibt es Machtgefälle, Nähe-Distanz-Probleme, Kindheitsverletzungen und vieles mehr. Wie gelingt es Ihnen, dabei neutral zu bleiben?
Wenn ich das nicht könnte, dann wäre ich fehl am Platz. Mit beiden empathisch zu sein ist die Grundvoraussetzung für meinen Job. Wenn ich beispielsweise merke, dass die Partnerin versucht, Kontrolle über ihren Partner auszuüben – etwa indem sie sagt, »Du musst das so und so machen« oder »Ich will nicht mehr, dass du so bist«, dann frage ich immer nach. Denn ich weiß, dass Kontrolle nichts Böses, sondern Ausdruck von Hilflosigkeit ist. Ich kann in jedem Menschen die Not sehen, die ihn umtreibt. Und in einer Paarbeziehung ist jeder in der Not, weil er händeringend erreichen will, dass es gut läuft. Davon gehe ich zumindest erst einmal aus, wenn ich mit Paaren arbeite. Es gibt natürlich Ausnahmen, etwa wenn einer schon jemand anderen hat und das nicht offen auf den Tisch legt. So etwas merke ich meist sehr schnell, weil der dann nicht mehr richtig mitmacht. In so einem Fall ist die Paartherapie erschwert, weil sie nicht mehr ehrlich ist. Aber im Regelfall kommen die Paare zu mir, weil sie gemeinsam etwas erreichen wollen. Und das bedeutet, dass jedes Verhalten, sei es auch noch so unbequem, ein Zeichen dafür ist, dass da jemand für die Beziehung arbeiten möchte. Sätze wie »Du Blödmann kommst immer zu spät« oder »Mich nervt, dass wir so wenig Sex haben« kommen zwar als Vorwurf rüber, aber sie sind eigentlich Ausdruck einer Not. Und wenn man geschult darin ist, in jedem Menschen das, was sie wirklich bewegt, zu sehen, dann kommt die Empathie für beide ganz von allein.
Ehrlichkeit ist ein gutes Stichwort. Währt ehrlich tatsächlich am längsten. Oder gibt es auch so etwas wie eine Pflicht, den eigenen Partner zu schonen?
Ich möchte hier differenzieren. Wenn es darum geht, authentisch im Sinne von »Ich zeige mich Dir, wie ich bin« zu sein, sollte man sich so wenig wie möglich verstellen. Ich finde wichtig, dass der Partner weiß, wie ich wirklich bin. Denn dann entsteht auch Liebe, wenn man das Gefühl habe, der andere liebt einen immer noch, obwohl man ihm die schlechten Seiten zugemutet hat. Ob ich meinem Partner aber alles sage, was ich denke oder in der Vergangenheit gemacht habe, ist ein anderes Thema? Bei dieser Art der Ehrlichkeit finde ich es schon schön, wenn man seinen Partner im Blick hat und ihm nicht alles zumutet. Wenn nach dem Fremdgehen etwa jemand zu dem Ergebnis kommt, dass das gar keinen Einfluss auf seine Beziehung hat – das heißt, man kann sagen »Ich liebe meinen Partner noch ganz genau so« –, dann ist es in der Regel besser, es nicht zu sagen. Sobald man aber merkt, dass man sich von seinem Partner entfernt oder sogar eine Parallelbeziehung entsteht, muss man es offenlegen. Sonst kann der Partner nicht mit einem arbeiten.
Wann weiß man, dass man um eine Trennung nicht mehr herum kommt? Merken das die Paare, die bei Ihnen sitzen, selbst oder sind Sie diejenige, die das feststellt?
Ich sage das nicht, denn ich kann das nicht beurteilen. Wenn ein Paar vor mir sitzt und sagt »Wir wollen von Ihnen eine ehrliche Einschätzung haben«, bin ich natürlich in einer blöden Situation. Dann mache ich ganz klar, dass alles, was ich sage, absolut subjektiv ist. Meist biete ich dann an, die nächste Sitzung zu nutzen, um eine Trennung intellektuell durchzuspielen. So können beide sehen, was da passieren würde, und für sich einige Fragen beantworten. Wie würde sich das anfühlen? Was würde besser werden? Was würde schlecht bleiben? Würden wir das finanziell hinbekommen? Was würden die Kinder sagen? Diese und andere Trennungsgedanken spielen wir dann in einer Sitzung, also 90 Minuten lang, durch. Die Paare wollen das dann meist auch. Und wenn einer von beiden dann fühlt, dass er oder sie das nicht will, dann ist ja auch eine Menge gewonnen. Aber ich sage sehr selten einen Satz wie »Ich glaube, sie haben keine Chance mehr«, auch wenn ich weiß, dass andere Kollegen das machen. Ich hatte mal ein Paar, die mir nach der Therapie noch lange Briefe geschrieben haben. Und die haben gesagt, wir waren ihnen so dankbar, weil wir eigentlich nur von ihnen hören wollten, dass wir uns trennen dürfen. Diese Erlaubnis zu bekommen ist ein Riesenthema. Wir verbieten uns so viel. Wenn ich merke, beide Partner wollen sich trennen, dann versuche ich es ihnen ein bisschen leichter zu machen. Aber dafür brauche ich viele Indikatoren.
Eine typische Redewendung lautet, »Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.« Gilt das auch oder erst recht für Beziehungen?
Es gibt Paare, die sagen, »Gott sei Dank haben wir uns vor zehn Jahren nicht getrennt«, andere sagen »Mensch, wir hätten uns wie früher trennen sollen«. Heißt: ich kann das so pauschal nicht sagen. Es gibt Schwierigkeiten, bei denen man nicht wissen kann, ob man die geklärt bekommt. In meiner Beratung mache ich immer zwei Sachen. Zum Einen frage ich, ob die Hoffnung, die Beziehung zu erhalten, noch irgendwie begründet ist. Wenn hier jemand sitzt, der sagt, »Ich habe noch Hoffnung, weil meine Frau gerade eine Therapie macht und es in den letzten paar Wochen besser geworden ist«, dann hat diese Hoffnung eine Berechtigung. Wenn mir aber ein Paar sagt, dass sich seit zwölf Jahren nichts geändert hat, dann frage ich mich schon, worauf diese Hoffnung beruht.
Zum Anderen schaue ich mir an, welche Ressourcen und Fähigkeiten das Paar hat. Ich frage, ob sie mal ein Problem oder eine herausfordernde Situation bewältigt haben? Denn wie bei einer normalen Therapie geht es nicht darum, ob etwas Schlimmes passiert ist, sondern auf welche Ressourcen man zurückgreifen kann, um damit umgehen zu können. Wenn mir dann ein Paar gegenüber sitzt, dass noch nicht mal gut klären konnte, ob das Kind auf eine Waldorfschule gehen oder geimpft werden sollte, frage ich mich schon, woher die jetzt gemeinsam die Kraft nehmen sollen, um eine tiefe Krise zu verarbeiten.
Menschen durchlaufen in einer Trennungssituation verschiedene Phasen. Erst wollen sie die Situation nicht wahrhaben, dann kommt die Depression, anschließend Trauer und Wut, um dann die Trennung anzunehmen, zu verzeihen und sich zu neuen Ufern aufzumachen. Erlebt derjenige, der sich trennt, diese Phasen anders als der Partner, der vor vollendete Tatsachen gestellt wird?
Ja, und für beide ist es schwer. Sie machen diese Phasen in der Regel zeitlich versetzt durch. Wichtig für den verlassenen Partner ist, es zu schaffen, sich wieder so aufzustellen, dass man mit Freude in ein neues Leben gehen kann. Dafür braucht es einen konkreten Moment, in dem man spürt, dass man den ehemaligen Partner nicht mehr will. Eine meiner Klientinnnen beschrieb diesen Moment neulich so: »Ich habe ein halbes Jahr um ihn gekämpft. Letzte Woche bin ich morgens aufgewacht und wusste, ich will ihn nicht mehr. Ich brauche das nicht mehr, es ist vorbei.« Dieses innere Gefühl hat der, der sich trennen will, schon gehabt. Der ist hundertprozentig schon durch ganz schlimme Phasen gegangen.
Sollte man seinen Ex-Partner unterstützen, damit er diese Phasen durchlaufen kann?
Der Ex-Partner kann nicht mehr helfen, weil er der Auslöser ist. Er war ja derjenige, der sich getrennt hat. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich in seiner Einsamkeit andere Menschen sucht, die einem helfen. Es ist auch ein schönes Gefühl, wenn man merkt, dass man es ohne den anderen schafft. Das ist auch eine Motivation dafür, die Trennung zu bewältigen.
Sie schreiben, Depression, Wut und Trauer müssen in einer Trennung durchlebt werden. Warum sind diese Zustände so wichtig?
Weil der ganze Gefühlscocktail, der während einer Trennung entsteht, Energie ist. Diese Energie muss raus, muss umgewandelt werden. Ein guter Kanal ist, erst einmal alle Wut und Trauer rauszulassen. Dann können wir die Energie nehmen und in etwas Positives verwandeln. Deshalb muss das sein. Wir müssen mit dieser Energie irgendwo hin. Und bitte nicht in Rosenkrieg. Um das zu verhindern, habe ich ja dieses Buch geschrieben. Nach dem Motto »Stell dir vor, es ist Rosenkrieg, und keine geht hin.«
Was genau verstehen Sie unter Rosenkrieg?
Rosenkrieg ist die Eskalation eines Streits, der mithilfe von Dritten, sprich Anwälten, ausgefochten wird. Am Ende gibt es ein Gerichtsurteil mit einem vermeintlichen Gewinner und einem Verlierer, aber meines Erachtens bleiben bei solchen Prozessen nur Verlierer zurück. Denn meist wurde nicht nur viel Geld verloren, sondern ist auch viel Seelenheil kaputtgegangen und die Kinder haben gelitten. Und am Ende bleibt einer zurück, dem der Richter nicht recht gegeben hat. Dieser Verlierer kommt nicht zur Ruhe. Er sehnt sich auch nach zehn Jahren noch nach Ausgleich und sticht selbst dann noch die Autoreifen des Ex-Partners durch.
Kommt es noch an, wenn Sie Paaren, die sich trennen wollen, diese Folgen eines Rosenkriegs schildern? Oder sind die in der Regel schon so emotional verstrickt, dass sie sich da den Mund fusselig reden?
Nein, die Paare haben Angst davor. Es ist wichtig, dass sie vorher wissen, dass sie da reinschlittern können. Andernfalls finden sie sich plötzlich mitten im Rosenkrieg wieder. Und dann wird es echt schwer, die zurückzuholen. Ich hatte hier einmal ein Paar sitzen, wo sich beide von den teuersten und bissigsten Familienrechtlern Berlins vertreten ließen. Sie saßen hier mit Positionen, die völlig unvereinbar waren. Da fragt man sich, wie kann das denn sein, dass der eine Anwalt das sagt und der andere jenes. Zumindest wurde beiden erst hier klar, dass so nur ein Anwalt Recht bekommen kann oder sie sich in der Mitte treffen müssen. Das konnten sie im Endeffekt auch hier machen.
Nadja von Saldern, geboren 1967 in Köln, studierte Rechtswissenschaften und war anschließend einige Jahre als Anwältin am Vormundschaftsgericht tätig. Nach einigen Jahren im Ausland fasst sie den Entschluss, sich als Paartherapeutin ausbilden zu lassen. Da hat sie mit ihrem Ehemann Clemens bereits drei Kinder bekommen und viele Höhen und Tiefen durchlebt. Auf der Website ihrer gemeinsamen Praxis für Paartherapie und Trennungsmediation schreiben beide: »Wir haben gegenseitig unsere Freiheiten beschnitten, sind fremdgegangen und haben immer wieder versucht, den anderen zu ändern. Dabei ist aber stets etwas Wunderbares herausgekommen: wir haben uns weiterentwickelt.« Diese Erfahrung nutzen sie, um anderen bei der Gestaltung einer erfüllten Beziehung zu helfen. Vor wenigen Jahren setzte ein Supervisor Nadja von Saldern den Floh ins Ohr, ihre Jurakenntnisse zu nutzen und »Deutschlands bekannteste Scheidungsmediatorin« zu werden. Sie ist auf dem besten Weg. Fragt man sie, seit wann sie sich für Paare und ihre Krisen interessiert, dann antwortet sie: »Seit meinem zehnten Lebensjahr, da ließen sich meine Eltern scheiden«.
Getrennte Ex-Partner haben fast immer mit den eigenen Schuldgefühlen zu tun? Warum bringt die Schuldfrage nichts?
Was bringt es denn, wenn ich weiß, der andere hat Schuld? Geht es mir dann besser? Ich kann mein Elend vielleicht abwälzen, aber aus meiner Sicht ist es für uns Menschen am Besten, wenn wir die Verantwortung für unser Handeln selbst übernehmen. Dem anderen die Schuld geben kann mal ganz herrlich sein, weil man da die Wut rauslassen kann. Aber im Endeffekt mache ich mir dadurch doch auch nur die letzten Jahre und den Menschen kaputt, mit dem ich viele Jahre glücklich war. Damit zerstöre ich mir meine Vergangenheit.
Das Gegenteil davon wäre, dass Paare eine Trennung gemeinsam betrauern? Kann das gelingen?
Wenn das gelingt, ist das ein toller Moment. Wenn man sich im Arm liegen und sagen sich ehrlich kann, dass man es nicht hinbekommen, aber sein Bestes gegeben hat. Wenn man gemeinsam entscheiden kann, in Schmerz, aber friedlich auseinanderzugehen und dann zusammen weint. Die Herausforderung dabei ist, dass das Paar dabei noch einmal eine Nähe empfindet, vor der es Angst hat. Ein sich trennendes Paar versucht, diese Nähe zu vermeiden. Deshalb passiert es in der Regel nicht, dass man noch einmal zusammen weint.
Mir scheint, dass Ambivalenzen typisch für Trennungsprozesse sind. Wie löst man die, nicht zu viel Nähe aufzubauen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken, den Ex-Partner aber auch nicht einfach im Regen stehen zu lassen?
Ein stückweit muss man den anderen im Regen stehen lassen. Damit der verstehen kann, dass wirklich Schluss ist. Ich finde diese Klarheit sehr wichtig. Denn wenn man immer den Schirm aufspannt, dann bleibt man der unfehlbare Retter. Dann kann der andere noch weniger loslassen. Wenn ein Partner hart war und gesagt hat, »Du, tut mir leid, besprich das bitte mit jemand anderem«, sagen mir Paare hinterher immer, dass das zwar erst einmal ein Schock war, dass der aber eigentlich gut getan hat. Die Verlassenen können damit einmal bis auf den Grund des Tränenmeeres sinken, haben aber auch dann erst die Chance, sich wieder kraftvoll abzustoßen und neu anzufangen.
Vorwürfe sind etwas, das alle trennenden Paare kennen. Zu denen des Ex-Partners gesellen sich oft die der Familie oder von Freunden? Sollte man darauf reagieren?
Ich finde in Trennungssituationen Klarheit sehr wichtig. Wenn man durch diesen Prozess geht und lernt, was man im tiefsten Inneren will und braucht, dann ist schon viel gewonnen. Man lernt auch, sich abzugrenzen und Freunden zu sagen, das man bestimmte Sachen in der Situation nicht hören möchte.
Verwandte und Freunde von Paare in der Krise haben Sie in Ihrer Praxis nie sitzen, dennoch hören sie wahrscheinlich eine Menge von denen. Was raten Sie denen?
Man sollte sich auf keinen Fall in die Problematik einmischen, weil man nur eine Sicht kennt. Das heißt, man sollte das Bestärken von Vorwürfen oder Schuldgefühlen unbedingt unterlassen. Was hilft, sind Aussagen wie »Ich mag dich«, »Lass uns zusammen was machen« oder »Du kannst dich gerne hier auskotzen, aber ich gebe zu der Sache keinen bestätigenden Kommentar«. Denn das Bestätigen einer Seite schafft Realität und führt dazu, dass sich derjenige nicht mehr ausreichend selbst reflektiert.
Den eigenen Kindern zu sagen, dass man als Paar gescheitert ist, fällt naturgemäß am schwersten. Wie viel Offenheit und Ehrlichkeit sind da angebracht, ohne Kinder übermäßig zu belasten?
Kinder sollten die Paarebene nicht mit begleiten oder in diesen Fragen zu stark involviert werden. Aber Kinder dürfen Gefühle von den Eltern mitbekommen, und damit meine ich auch schmerzhafte Gefühle. Es braucht aber immer den Zusatz, dass sie nichts tun müssen. Kinder sollen sich weiterhin um ihr Großwerden kümmern können. Und ich persönlich glaube, dass Kinder immer dann am glücklichsten sind, wenn sie das Gefühl haben, die Chefetage hat alles im Griff. Und zwar auch dann, wenn sich die Eltern gerade trennen. Kinder brauchen das Gefühl, dass ihre Eltern die Situation im Griff haben und sie gemeinsam regeln.
Warum ist es wichtig, dass Paare ihren Kindern sagen, dass diese keinen Anteil an der Trennung haben?
Weil Kinder schnell Schuld annehmen für das, was passiert. Sie können es sich meist nicht erklären, was da passiert. Kinder idealisieren ihre Eltern, und wenn ich jemanden idealisiere, dann kann der nichts falsch machen. Und dann denken sie, dass sie etwas falsch gemacht haben. Diesen Gedanken muss man ihnen immer wieder nehmen.
Nehmen Kinder bei Trennungen grundsätzlich Schaden?
Nein. Kinder leiden natürlich ein bisschen, aber Schaden nehmen Sie nur, wenn es zum Rosenkrieg kommt und ein Partner den anderen fertig macht. Denn Kinder sind ja immer ein Teil Mama und ein Teil Papa. Beim Rosenkrieg wird dem Kind gesagt, dass eine Hälfte von ihm nicht gut ist. Man darf den Partner nie vor den Kindern schlecht machen und sollte immer wissen, dass man Vorbildfunktion hat. Als inneres Korrektiv kann man sich einfach selbst fragen, ob man sich so verhält, wie man das bei seinem Kind sehen will.
Wie lange brauchen Kinder, um durch eine Trennung zu kommen?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche erfahren von der Trennung und gehen spielen. Andere finden es herrlich, dass es ab sofort zwei Wohnung gibt. Und wieder andere zermürben sich und fragen jeden Tag nach, warum sich die Eltern trennen. Es gibt so viele Arten, damit umzugehen, wie es Kinder gibt. Ich finde es spannend, wie die Eltern ihr Kind einschätzen. Wenn Eltern die gleiche Einschätzung für ihr Kind haben, habe ich das Gefühl, dass das gute Eltern werden. Kinder wollen auch das Gefühl haben, dass ihre Eltern einen guten Blick auf sie haben und sich weiterhin austauschen. Dann spüren sie dass sie behütet sind und nicht vergessen werden.
Also sollten getrennte Eltern weiterhin an einem Strang ziehen?
Unbedingt, deshalb mache ich das ja hier. Ich sage immer, wir sind hier, um die sachlichen Themen zu klären. Aber die Beziehung spielt immer mit rein, weil die sachlichen Themen von der Beziehung infiziert sind. Warum machen wir das? Damit beide Partner gute Eltern werden können. Denn wenn die sachliche Ebene gut läuft, werden die Getrennten gute Eltern.
Eine Frage, die damit auch in Verbindung steht, ist die, ob man als Familie ein stückweit bestehen bleibt oder ob das eine Wunschvorstellungen ist.
Das ist eine schwierige Frage, denn dieser Wunsch ist immer irgendwie da. Aber es ist doch so: das aus der Keimzelle der Paarbeziehung geht ein wunderbarer neuer Mensch hervor, es entsteht Familie, Geborgenheit, Vertrauen und vieles mehr. Viele Paare kommen zu mir und sagen, sie wollen die Keimzelle auflösen, aber all das erhalten. Das funktioniert meines Erachtens nicht. Wenn Sie bei einem Baum die Wurzeln kappen, dann gehen die Äste irgendwann kaputt. Wenn Eltern versuchen, alles, was aus der hervorgegangen ist, zu erhalten, kommt meist einer von beiden nicht richtig ins eigene Leben. Die Trennung ist dann schwieriger, weil man sich vorgaukelt, dass da noch etwas ist. Erst wenn beide neue Partner haben und richtig in eine neue Paarbeziehung gestartet sind, kann man Familie leben. Aber diese Familie funktioniert dann eher wie eine WG, in der man Geburtstag oder Weihnachten zusammen feiern kann.
Was uns zur Frage der Rolle von neuen Partnern führt.
Ich habe dieses Thema der neuen Partner hier regelmäßig. Natürlich ist es für Eltern schwer, zu akzeptieren, dass die Kinder noch jemanden mögen könnten. Aber wenn beispielsweise die neue Partnerin des Ex-Mannes schlecht gemacht wird, dann fühlt sich das Kind nicht wohl, weil es sich sagt, »Meine Mutter leidet, wenn ich es hier schön finde.« Dann ist das Kind in seiner Entfaltung gestört.
Eine Trennung ist ein permanenter emotionaler Ausnahmezustand. Sie fordern, trotz Schmerz, Wut und Enttäuschung sorgsam miteinander umzugehen? Warum?
Weil man noch eine wichtige Sache gemeinsam machen muss, nämlich sich sachlich darüber auseinandersetzen, wer wo wohnen wird, wer wann die Kinder hat und wer welches Geld bekommt? Diese sachliche Auseinandersetzung muss man noch Hand in Hand meistern, auch wenn man sich gerade hasst, verletzt fühlt oder unglücklich ist. Das muss gelingen, denn wenn es nicht gelingt, landet man vor Gericht. Die Eskalation droht und damit lebenslange Schwierigkeiten. Dann wird man womöglich nicht mehr gemeinsam die Hochzeit der eigenen Kinder feiern oder unbeschwert die Enkelkinder genießen können. Daher sollte man sich dringend Hilfe für diese sachliche Auseinandersetzung holen. Und zwar einen neutralen Dritten, der diese sachliche Auseinandersetzung mit beiden gemeinsam und eigenverantwortlich macht. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Also einen Anwalt?
Nicht unbedingt. Der Anwalt darf per Gesetz nur eine Person zum Mandanten nehmen und ist für deren maximale rechtliche Vertretung zuständig. Und das Maximale des Einen steht gegen das Maximale des Anderen. Das führt zu Kampf. Und Recht es nicht immer gerecht. Viel besser ist es, wenn man beide Partner im Blick hat und gemeinsam nach der fairsten Vereinbarung für beide Parteien sucht. Diesen gemeinsamen Prozess kann man bei einem Mediator machen.
Das heißt, Sie nehmen bei der Trennungs- oder Scheidungsmediation im Vergleich zur Paartherapie stärker die sachlichen Fragen in den Blick?
Während der Trennungsmediation wende ich mich tatsächlich mehr dem sachlichen Teil zu, aber der ist von der Beziehung infiziert. Deshalb erkläre ich dem Paar auch, warum ihre Beziehung kaputt gegangen ist. Und wenn mir das gut gelingt, finden sich beide darin wieder. Dann kommt Frieden auf, weil keiner mehr allein Schuld hat. Dann können sie sich ansehen und eingestehen, dass beispielsweise die künstliche Befruchtung die Beziehung belastet hat und sie es nicht geschafft haben, diese Belastung gemeinsam zu verarbeiten. Oder wenn ein Kind stirbt, kann der unterschiedliche Trauerprozess über diesen Tod ein Paar auseinandertreiben. Wenn das beide erkennen und sehen, dass sie unterschiedlich getrauert und deshalb nicht mehr zueinander gefunden haben, dann sind beide befriedeter.
Und dieser Frieden schafft dann die Voraussetzung, um offener über Umgangsrecht oder Unterhalt zu sprechen?
Genauso ist es. So können auch klassische Missverständnisse ausgeräumt werden. Männer denken oft, dass sie etwas für die Beziehung tun, indem sie viel arbeiten gehen und Geld verdienen. Von den Frauen bekommen sie aber oft die Botschaft, dass sie nichts für die Beziehung tun, weil sie abends nicht da sind. Ich frage immer nach den Trennungsgründen und ganz häufig kommt von den Frauen der Vorwurf, ihr Mann hätte sie mit den Kindern allein gelassen, während die Männer meist sagen, sie hätten sich nicht mehr von ihrer Partnerin gesehen gefühlt. Wenn dieses gegenseitige Missverständnis aufgelöst werden kann, dann beruhigt sich der Konflikt. Darin liegt dann meine paartherapeutische Leistung. Und dann ist keiner mehr Schuld, keiner mehr fehlerhaft. Dann haben beide ihr Bestes gegeben, aber es kam nicht an. Wenn es zu dieser Einsicht kommt, dann sind Paare in Trennung wieder bereit, sich in die Augen zu sehen und den schwierigen und sehr herausfordernden Prozess der Trennungsfolgenvereinbarung zu beschreiten.
Sie haben vorhin gesagt, Recht sei nicht immer gerecht. Wie oft erleben Sie, dass Paare dachten, Sie hätten bei ihrer Scheidung alles geregelt und doch nicht zur Ruhe finden?
Das erlebe ich schon oft. Das ist auch ein Grund, warum ich noch viel auf die Beziehung eingehe. Denn ich finde, dass es einen Unterschied macht, ob die Frau während der Ehe immer gesagt hat, dass sie gerne zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern möchte oder ob sie ihren Ehemann gebeten hat, seine Arbeitszeit zu reduzieren, um selbst auch arbeiten gehen zu können. Vor dem Gesetz ist das hingegen egal, kein Richter wird das erfragen. Das ist meines Erachtens aber falsch, für die Regelung des nachehelichen Unterhalts sind diese Positionen von Bedeutung. Im zweiten Fall ist der Mann, wie ich finde, moralisch in der Pflicht, seiner Ex-Partnerin Unterhalt zu zahlen, im ersten hingegen nicht. Man kann solche stillschweigend geschlossenen Verträge während einer Partnerschaft nicht vollkommen ignorieren, wenn es um die Regelung der Trennungsfolgen geht.
Ist es nicht schwierig, mit solchen moralischen Kategorien zu hantieren?
Natürlich ist es das, denn was fair und was unfair ist, ist wahnsinnig schwer zu beurteilen. Und wer bin ich, dass ich das festlegen kann? Ich setze dann auf Rollenspiele und bitte den jeweiligen Gegenüber, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen und frage, wie sich das anfühlt. Ich setze auch manchmal einen Partner auf meinen Stuhl und frage, wie er oder sie die Situation von dieser Position einschätzt. In der Regel haben Menschen einen ziemlich guten inneren Kompass für das, was gerecht und was ungerecht ist.
In Ihrem Wegweiser für eine friedliche Trennung sagen Sie, man soll Wünsche äußern, einfach mal zuhören, Verantwortung für eigene Bedürfnisse übernehmen. Das klingt sehr vernünftig, scheint mir aber höchst anspruchsvoll in der Umsetzung. Müssen Paare in Trennung erst durch bestimmte Phasen, um zu diesem offenen und würdigen Miteinander zu gelangen?
Es ist natürlich sinnvoll, wenn man sich in der Wut-Phase einfach mal eine Weile aus dem Weg geht. Aber auch da möchte ich in meiner Praxis, dass jeder die Verantwortung für sich selbst übernimmt und sagt, wenn er den anderen gerade nicht ertragen kann. Ich habe immer wieder Situationen, in denen die Mediation pausiert. Wo etwa jemand merkt, dass er gerade noch nicht darüber reden kann, wer im Haus wohnen bleibt. Dann wird die Hausentscheidung eben vertagt.
Sein Gewissen prüfen, verzeihen, loslassen, Verantwortung für sich selbst übernehmen, Grenzen setzen – in Ihrem Buch geht es vor allem darum, statt den anderen die eigene Position verstehen zu lernen. Ist das in der Tiefe das Geheimnis einer guten Trennung, dass beide die jeweils eigene Position reflektieren?
Es geht auch in der Partnerschaft darum, seine eigene Autonomie zu behalten und sich nicht zu viel für den anderen aufzugeben. Viele Trennungen gehen darauf zurück, dass man das nicht gut hinbekommen hat. Viele passen sich zu viel an oder achten zu viel auf den anderen. Die Trennung bietet auch die Chance, sich neu zu finden und mit diesem neuen autonomen Ich einen Partner zu suchen, der zu diesem Ich gut passt. Das ist ein ganz wichtiger Prozess, der nichts mit Egozentrik oder Egoismus zu tun hat, sondern mit Selbsterkenntnis und Selbstfindung. Wenn wir gut mit uns selbst klar kommen, dann geht es uns besser.
Oft nehmen sich trennende Paare vor, Freunde zu bleiben. Kann aus Liebe Freundschaft werden?
Ich finde das schwierig, denn Freunde sucht man sich aus. Nach einer Trennung müsste man sich nach dieser Logik jemanden aussuchen, der einen enttäuscht oder verletzt hat. Das halte ich für recht unwahrscheinlich, denn das, was Freundschaft ausmacht, müsste man neu aufbauen und die Partnerschaft vergessen. Wenn die Trennung gut läuft, sagen mir Klienten immer mal, dass sie Freunde geblieben sind. Es geht also schon. Aber in der Regel wird das Verhältnis etwas anders als freundschaftlich sein. Es ist eher so ein Gefühl im Sinne von »Wir haben eine Verbundenheit, sind gut miteinander und können auch mal einen schönen Abend verbringen. Wir sind stolz, dass wir das so hinbekommen haben.«
Trennungen sind in unserer Gesellschaft nichts Ungewöhnliches, was aber fehlt ist eine Trennungskultur? Was sagt das über unsere Gesellschaft?
Es ist eine absolute Katastrophe. dass Scheidungsrichter in einem formalen Akt in einer Amtsstube eine Paarbeziehung besiegeln. Wir nehmen an der Stelle die Verantwortung für etwas sehr Wichtiges nicht wahr. Was wir im Hospiz gelernt haben, nämlich ein würdevolles Ende des Lebens zu gestalten, wird bei einer Beziehung nicht gelebt, weil es nur das gerichtliche Trennungsverfahren gibt. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft die Trennung zu wenig im Blick haben. Den Tod haben wir immer im Blick, deshalb erwischt er uns nicht völlig unvorbereitet. Das Wissen darum, dass wir eines Tages sterben, hilft uns, unser Leben bewusst und gut zu leben. Es wäre auch in der Beziehung wichtig, sich vor Augen zu halten, dass sie jeden Tag zu Ende sein kann. So wie der Tod das Leben beendet, beendet die Trennung die Beziehung. Und wenn wir das mehr im Blick hätten, dann würden wir wahrscheinlich auch anfangen, Trennungen zu kultivieren.
Wir sollen also Beziehungen von ihrem Ende her denken?
Nein, das nicht. Aber ich finde, es kann nicht schaden, sich als Paar ab und zu zu fragen, ob man noch einmal oder immer noch Ja zueinander sagen würde. Und wenn dieses Ja nicht überzeugend ausfällt, sollten beide erkennen, dass sie jetzt etwas tun müssen.
Informationen unter www.paartherapie-mediation-berlin-potsdam.de