Peter Beard war einer der großen Künstler der Fotografie. Er berichtete in beeindruckenden Bildern vom Kampf um Lebensraum zwischen Mensch und Tier, war der Hoffotograf der amerikanischen High-Society der 50er und 60er Jahre und faszinierte sein Leben lang mit außergewöhnlichen fotografischen Arbeiten. Nachdem er wochenlang als verschollen galt, hat man nun seine Leiche gefunden. Im Taschen-Verlag liegt sein fotografisches Vermächtnis vor.
Wenn man etwas über das Phänomen Peter Beard erzählen will, weiß man nicht recht, wo man eigentlich anfangen soll. Bei seinen vielen Jahren in Afrika, seinen Modeshootings in New York und Paris, seiner Tour mit den Rolling Stones oder der Verwurzelung in höchsten Künstlerkreisen? Vielleicht ist der Ansatz bei seinem Freundes- und Bekanntenkreis passend, da er das abwechslungsreiche Leben des Amerikaners wahrscheinlich am besten widerspiegelt. Als Kunststudent erlernte Peter Beard bei Francis Bacon sein künstlerisches Handwerk, später lernte er auch Pablo Picasso und Salvador Dali kennen und pflegte mit Andy Warhol eine intensive Freundschaft. Bei Aristoteles Onassis und Jackie Kennedy ging er ein und aus; mit Jackies Schwester Caroline Lee Radziwill war er sogar eine zeitlang ein Paar. Über Radziwill lernte er Truman Capote kennen und begleitete als Fotograf mit Capote die berühmt-berüchtigte US-Tournee der Rolling Stones 1972. Er kannte Mary Hemmingway, war mit Ava Gardner befreundet und gilt als Entdecker der Modell-Legenden Veruschka und Iman. Dass er ein Verehrer und Freund der dänischen Afrika-Kennerin und Romanautorin Karen Blixen war, deren Leben in dem Oscar-gekrönten Spielfilm »Jenseits von Afrika« verfilmt wurde, zeigt einmal mehr, wie legendär der Personenkreis war, mit dem sich Beard umgab. Man kann mit Fug und Recht behaupten: Beard war hatte nicht nur Kontakte zum Jetset, er war selbst Teil davon.
Mit der 53 Jahre älteren Karen Blixen verband Peter Beard die Zuneigung und Faszination zum afrikanischen Kontinent. Mit Anfang zwanzig reiste er in den sechziger Jahren nach Afrika und lernte dort Blixen kennen. Er begann, den Kontinent durch das Objektiv seiner Kamera zu entdecken, einen Kontinent, den er bisher nur aus ihren Erzählungen kennen gelernt hatte. Was er in insgesamt 23 Jahren in Afrika sehen, erleben und lernen sollte, prägte ihn und seine Arbeiten ein Leben lang. Peter Beard war einer der ersten Zeugen der vom Menschen verursachten, katastrophalen Naturzerstörung, die er am eindrucksvollsten in seinem weltberühmten Werk »Die letzte Jagd« festhielt.
In sechs Kapiteln hat er darin die Eroberung des afrikanischen Kontinents durch die weißen Kolonialherren dokumentiert. Vom Bau der Eisenbahnlinie Mombasa-Viktoria-Uganda bis hin zum massenhaften Tod bringenden Wettstreit um Lebensraum zwischen Mensch und Tier machte er den Einfluss des Menschen auf die afrikanische Natur deutlich. Beard beschrieb auch seine ersten Erfahrungen mit dem afrikanischen Kontinent, wobei die eigenen Eindrücke zwischen der Faszination der Jagd und dem Erstaunen über die allgegenwärtige Kraft und Vielfalt der Natur wechseln. Beard erlebte in seinen Jahren in Afrika das, was er im Original »The End of the Game« nannte. Mit dem stetigen Wachstum der afrikanischen Bevölkerung wurde die Kampfzone zwischen Mensch und Umwelt derart ausgeweitet, dass der Vielzahl der Tiere nicht mehr genug Platz zum Leben blieb. Er hielt in seinen schockierend-erbarmungslosen Bildern fest, wie die Tiere in ihren zu kleinen Reservaten elendig verhungerten. »Ohne Furcht und Hoffnung stirbt das Tier«, so lautet dann auch das abschließende Kapitel in »Die letzte Jagd«, welches in schwarz-weiß das Massensterben von mehr als 35.000 Elefanten in Ostafrika festhält. Wortlos reihen sich in dem Kapitel die Bilder verendender Dickhäuter und ihrer Skelette unter längst abgefressenen Bäumen aneinander.
Der französische Philosoph Romain Gary schrieb 1966 nach der Lektüre von Beards fotografierter Geschichte Ostafrikas in seinem »Letter to an Elephant«: »In my eyes, dear Elephant, sir, you represent to perfection everything that is threatend today with extinction in the name of progress, efficiency, materialism or even reason.« Diese Worte sind älter als vierzig Jahren, doch haben ebenso wie Beards Fotografien nichts von Ihrer Aktualität verloren. Es gibt kaum ein eindringlicheres Zeugnis über die Fatalität des menschlichen Eingreifens in die Natur, als dieses bereits 1965 erstmals veröffentlichte Buch.
In seinen afrikanischen Jahren führte Peter Beard unzählige Tagebücher. In diesem Dokumentieren des Alltäglichen kann man zweifelsfrei den kreativen Ursprung seines lebenslangen künstlerischen Schaffens erkennen. Er schrieb darin nicht nur seine persönlichen Erinnerungen und Gedanken, sondern machte die Bücher im Sinne eines afrikanischen Medizinmannes zur Schatztruhe seines Lebens. Wie ein Alchimist klebte, band, knetete, schmierte und tropfte er Haare, Kiesel, Baumrinde, Falter, Federn, Knochen, Lehm, Sand, Blut und vieles mehr in diese schriftlich-gegenständlichen Zeugnisse seiner Existenz. Ein Großteil dieser Bücher ist im Juli 1977 in seiner New Yorker Mühle verbrannt. Nichts als die Grundmauern blieb nach einem verheerenden Feuer von seinem privaten Besitz übrig; 20 Jahre dokumentiertes Leben, darunter Geschenke von Andy Warhol und Francis Bacon sowie alle afrikanischen Bücher sind in dem Hausbrand vernichtet worden.
Doch Beard verfiel nicht in Depressionen oder Trauer, Beard machte weiter. Weiter schrieb, fotografierte, sammelte, montierte, klebte, arrangierte er. Die dabei entstandenen Collagen und Bildmontagen sind faszinierende Dokumente eines zeitkritischen Ästheten von Welt. In ihnen verband er seine Modefotografien mit den erschütternden Aufnahmen des verendenden afrikanischen Großwilds aus den sechziger Jahren. Er verknüpfte diese mit eigenen Zeichnungen und Grafiken, versah diese mit Kommentaren, Geschichten und Erinnerungen. Private Bilder finden sich zwischen Mode- und Erotik-Aufnahmen wieder, Zeitungsausschnitte sind mit organischen Materialien versehen. Diese wilden und experimentellen doch niemals sinnentleerten Collagen schweben in ihrem Durcheinander zwischen dem geordneten Chaos eines Jackson Pollock und der surrealen Ambiguität und Tiefe eines Salvador Dali. Diese Arrangements sind wahre Kunstwerke.
»Le hasard est le plus grand artist«, sagte Honoré de Balzac einst zur Bedeutung des Zufalls für den Künstler, doch Beards Montagen unterliegt eine derart tiefgründige Komposition, dass man geneigt ist, den Zufall aus dem Entstehungsprozess geradezu auszuschließen. Aus ihnen spricht vielmehr der Geist eines Weltenbummlers, der das Leben verstanden hat und dem die Missstände unserer Zeit nur allzu bewusst sind.
Peter Beard war einer der außergewöhnlichsten Fotokünstler weltweit. Aus diesem Grund wurde er auch angefragt, die erotischen Aufnahmen für den legendären Pirelli-Kalender 2009 zu machen. Hierfür reiste er mit den Modellen nach Botswana an die Südspitze des afrikanischen Kontinents und fotografierte sie vor der Kulisse der afrikanischen Wildnis. Die entstandenen Fotografien und Collagen wirkten wie ein Konzentrat aus »Die letzte Jagd« und den unzähligen Collagen und Tagebüchern der zwei zusätzlich vorliegenden Beard-Bände. Im Zentrum standen wieder Elefanten, vor denen die Modelle oft wie zerbrechliche Elfenwesen wirken, die der unbändigen (Zerstörungs-)Kraft der afrikanischen Natur ausgeliefert sind. Es ist wie eine Rückkehr zu seinen Anfängen, wieder Dickhäuter, doch dieses mal massiv, kraftstrotzend, lebendig – nicht Opfer des Menschen, sondern vielmehr Bedrohung. Und zugleich sind da wieder seine Bildkompositionen gewesen, die verschiedene Szenen und Naturzustände miteinander in Bezug zueinander setzen und eine neue, faszinierende Ebene der Interpretation schaffen. Und genau in dieser Kunst des Zusammenfügens bestand die bestechende Kunst des Peter Beard.
Peter Beard litt an Demenz, vor wenigen Wochen wurde er als vermisst gemeldet. Nun fand man seine Leiche in einem Wald in East Hampton, die Familie bestätigte den Tod. Was bleiben, sind seine fotografischen Arbeiten und künstlerischen Collagen.