Film

Nichts ist nackter als die Wahrheit

Mitten in der Pandemie hat der rumänische Regisseur Radu Jude eine Satire gedreht, die es in sich hat. Bei der digitalen Berlinale ist nun »Bad Luck Banging or Loony Porn« zu sehen. Darin tragen zwar alle Maske, die Gesellschaft wird dennoch auf einmalige Weise entblößt.

Radu Jude porträtiert eine Frau, die mächtig unter Druck steht, nachdem der Heimporno von ihr und ihrem Mann im Netz landet und viral geht. Dumm nur, dass Emi eine anerkannte Lehrerin in einer Bukarester Eliteschule ist und dort in Schüler- und Elternkreisen für emotionale Debatten.

Radu Jude, der bereits mehrfach bei der Berlinale zu Gast war, hat seinen Film wie ein religiöses Triptychon aufgebaut. Nach dem Amateurporn-Einstieg begleitet die Kamera Emi auf ihrem Weg durch Bukarest. Mit ihr flaniert man durch eine Stadt, in der einem an jeder Ecke nacktes Fleisch und virile Männlichkeit begegnen. Vor allem im Miteinander wird das deutlich, etwa wenn sich Emi mit einem Falschparker anlegt, der sie aufs übelste beschimpft. Klar wird, dass Frauen in dieser Gesellschaft nur eine Rolle vorbehalten ist: die des Lustobjekts.

Im zweiten Teil seines Triptychons steigt Jude aus der Handlung aus, um tiefer ins Detail zu gehen. In unzähligen Splittern, die auch Videoschnipsel aus den Sozialen Medien enthalten, geht er Aspekten wie Luxus und Armut, Religion und Kultur, Politik und Militär, Familie und Gewalt, Rassismus und Reichtum auf den Grund, um zu zeigen, wie sich die autoritären Kräfte – Kirche, Politik und Militär – immer wieder gegen das Volk gestellt haben. Zugleich wird aber auch sichtbar, wie der Hass auf Minderheiten und Benachteiligte mit jedem Jahr unter kapitalistischen Bedingungen gewachsen ist. In der rumänischen Gesellschaft herrscht das Recht des Stärkeren.

»Bad Luck Banging or Loony Porn« von Radu Jude | © Silviu Ghetie / Micro Film 2021

Der dritte Teil wendet sich wieder Emi zu, die nun in der Schule vor die wütenden Eltern treten muss. Die klagen sie an, die seelische Gesundheit ihrer Kinder zu gefährden, doch Emi setzt sich zur Wehr. Auch wenn sich ein zahlenmäßig ungleiches Duell entwickelt, hat die junge Lehrerin die besseren Argumente auf ihrer Seite. Mit welcher Energie und inneren Ruhe Katia Pascariu hier ihre Rolle ausfüllt, verdient Beachtung.

Das hilft nur nicht gegen einen moralisierenden Mob, der in seiner Zusammensetzung die rumänische Gesellschaft einmal mehr spiegelt. Und die zeigt sich von ihrer hässlichen Seite. In diesem inszenierten Tribunal führt Radu Jude die verlogene Moral und Geschichtsvergessenheit der rumänischen Gesellschaft vor Augen. Die nackte Wahrheit nämlich ist, dass Chauvinismus, Machismo, Sexismus, Homophobie, Xenophobie, Rassismus und Faschismus in Rumänien zur Normalität gehört. Am Ende hält der Film drei verschiedene Ausgänge des Tribunals bereit. Wirklich gut ist keiner.