Film

Ab ins Du-Seminar

Pete Docters Animationsfilm »Soul« fragt nach den Geheimnissen des Menschseins und findet nicht nur kluge Antworten, sondern berührt auch mit emphatischen Tönen.

Joe Gardner sitzt verzweifelt vor seinen Schülern, die lustlos auf ihren Instrumenten spielen. Dabei hatte der Musiklehrer ganz andere Pläne mit seinem Leben. Seit ihn sein Vater als Teenager mal in einen Jazzklub mitgenommen hat, träumt er von nichts anderem, als abends in Bars am Klavier zu sitzen und sich und die Zuhörer in einen Flow zu spielen. Er hätte die Gabe – der tolle Score wurde mit dem Oscar für die beste Filmmusik ausgezeichnet –, nur die Chance will sich nicht ergeben.

Aber unverhofft kommt oft, so auch im neuesten Geniestreich der Pixar Studios (»Onward«, »A Toy Story«, »Findet Nemo«). Denn kaum hat er den Klassenraum verlassen, bittet ihn ein ehemaliger Schüler, beim Dorothea Williams Quartett am Klavier einzuspringen. Doch bevor er diese Chance beim Schopfe packen kann, gerät er, aufgeregt wie er ist, in einen Unfall und findet sich als Geist in der Welt der Seelen ein.

Dem direkten Weg ins Jenseits entkommt er nur durch einen gewagten Sprung ins Davorseits. In dieser Nicht-Welt, die auch »Du-Seminar« genannt wird, erhalten die Seelen ihre Persönlichkeit, bevor sie ein irdisches Schicksal ereilt. Dort wird Joe Gardner zum Mentor und wird Seele 22 an die Seite gestellt. Sie ist sein potentielles Ticket zurück auf die Erde. Wenn er sie von den Vorzügen des Menschseins überzeugen kann, dann könnte auch er eine zweite Chance bekommen.

Aber daran sind schon ganz andere gescheitert. Kopernikus, Marie Antoinette, Carl Jung, Gandhi, Muhammed Ali und Mutter Theresa sind nur einige Promis, die die defätistische Seele in den Wahnsinn getrieben hat. Aber was macht den Menschen überhaupt aus? Diese Frage steht im Mittelpunkt dieses wunderbaren Films, in dem es Joe und Seele 22 gemeinsam auf die Erde führt.

Allerdings fährt dabei Joes Seele in eine Katze und Seele 22 schlüpft in Joes Körper. Um das zu reparieren ist der Jazzmusiker auf die Hilfe seiner renitenten Schülerin angewiesen. Gemeinsam treiben sie durch New York und Seele 22 begreift mehr und mehr, was aufrecht gehen, Hygiene und Genuss, Erinnerung, Begegnung und soziales Miteinander mit dem Menschsein zu tun hat.

In diesem klugen Film, in dem Pixar endlich, endlich, endlich einem schwarzen Charakter die Hauptrolle gibt, geht es um Würde, Mut und Zuversicht, um Zufriedenheit und Glück und darum, was es heißt, am Leben zu sein. Große Fragen, die hier spielerisch philosophisch behandelt werden. Irgendwie konsequent, dass in einer Zeit, in der das Menschsein so sehr infrage steht, ein Animationsfilm mit dem Oscar ausgezeichnet wird, der genau das in den Mittelpunkt rückt.

1 Kommentare

  1. […] in Sundance gefeiert wurde und im Juli in Deutschland starten soll, mit einem Oscar ausgezeichnet. Pete Docters »Soul« (bei Sky zu sehen) erhielt den Oscar für den besten Animationsfilm und die be…, Darius Marders musikalisches Filmdrama »Sound of Metal« wurde für den besten Schnitt und den […]

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