Chloé Zhaos »Nomadland« wurde seiner Favoritenrolle gerecht. Der Film über Wanderarbeiter in den USA gewann drei von sechs möglichen Oscars. Frances McDormand und Anthony Hopkins gewannen jeweils ihren zweiten Oscar für die beste Hauptrolle.
»Alles, was ich besitze, bin ich«, sagt die Nomadin Swankie in Chloé Zhaos »Nomadland«. »Ich muss nirgendwo hin zurückkehren und etwas holen. Ein Nomade zu sein ist eine Entscheidung, kein Umstand.« Und es ist keine leichte Entscheidung, wie man nach über 100 Minuten einsehen muss. Denn oftmals sind es soziale Notlagen, Arbeitsverlust, Trennungen oder der Verlust des Hauses, der immer mehr Menschen in den USA dazu zwingt, ihr Leben in einen Van zu packen und sich aufzumachen, down the road. Diesen Menschen und ihrem Leben hat Chloé Zhao mit ihrem dritten Film (»The Rider«, »Songs my Brothers taught me«) gemeinsam mit Oscarpreisträgerin Frances McDormand (»Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«, »Promised Land«) in der Hauptrolle ein würdevolles Denkmal gesetzt.
McDormand spielt darin die 61-jährige Fern, die aus ihrem Haus raus muss, weil die ganze Stadt infolge der Wirtschaftskrise geschlossen wird. Ihre Reise in ein neues Leben führt geografisch vom Mittleren Westen bis nach Kalifornien und zeitlich durch ein Jahr. Sie arbeitet im Winter in einem Amazon-Lager, im Frühjahr putzt sie Toiletten in einem Nationalpark, im Sommer kellnert sie in einem Touristencafé, im Herbst hilft sie bei der Ernte. McDormand hat sich für den Film tatsächlich an die Förderbänder und hinter den Tresen gestellt, die Aufnahmen sind authentisch, was ihrer Figur eine große Glaubwürdigkeit verleiht. Ihr Leben im Van ist karg, hat nichts mit der Vanlife-Romantik zu tun, die uns oftmals in den sozialen Medien begegnet. Kälte, Krankheiten, Pannen – all das muss sie allein durchstehen. McDormand spielt ihre vom Leben gezeichnete Figur grandios, in stiller Zurückhaltung, die Welt beobachtend. Ihrem müden Gesicht ist die Krise einer ganzen Gesellschaft eingeschrieben.
Doch sie trifft auf eine Gemeinschaft am Rand der amerikanischen Gesellschaft, die sich selbst hilft. Beim »Home on Wheels«-Treffen lernt Fern andere (echte) Nomaden wie Susanne, Swankie, Derek oder eben Bob kennen, die im Film ihre Geschichten erzählen. Und es wird deutlich, dass hier Menschen aus der Not heraus eine Tugend machen und uramerikanische Werte wieder beleben. Wie die Trapper und Pioniere passen sie sich dem Rhythmus der Natur an und verfolgen die wichtigen Dinge im Leben. Sie helfen ihren Nächsten und begegnen der Welt mit Offenheit und Wertschätzung. Chloé Zhaos »Nomadland«, der bestenfalls im Mai in Deutschland startet, rückt poetisch und ehrlich Menschen ins Zentrum, von denen sonst nie die Rede ist. Dass er dafür mit den Oscars als bester Film und beste Regie ausgezeichnet und Frances McDormand als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet ist, ist eine grandiose Entscheidung der viel gescholtenen Academy.
Ziemlich abgestürzt hingegen ist David Fincher hoch gehandelte Netflix-Produktion »Mank« über den Drehbuchautoren Herman J. Mankiewicz. Der liegt Mitte der dreißiger Jahre am Boden. Sein Erspartes hat er verspielt, seinen Ruf ramponiert, seine Gesundheit geschunden. Radiostar Orson Welles gibt ihm eine letzte Chance. Verstoßen von den Schönen und (Einfluss)Reichen schreibt Mankiewicz die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Medienmoguls auf. David Fincher (»Gone Girl«, »The Social Network«) erzählt in Rückblicken die Geschichte des Mannes, der »Citizen Kane« mutmaßlich allein geschrieben hat. Dabei entfalten die zerkratzten Schwarz-Weiß-Aufnahmen und der knisternde Score die Wirkung einer Zeitkapsel, in der Gary Oldman (»Die dunkelste Stunde«, »Batman«-Trilogie) als alkoholkrankes Genie glänzt.
Genau für diesen Zeitkapseleffekt wurde der Film mit Amanda Seyfried und Tom Burke in den Nebenrollen auch ausgezeichnet, Kameramann Eric Messerschmidt, der die erfolgreiche True-Crime-Serie »Mindhunter« ins Bild gesetzt hat, wurde mit dem Oscar für die beste Kamera bedacht. Auch das beste Szenenbild ging an den Film, der insgesamt zehn Nominierungen eingeheimst hatte. Dass er bei den Auszeichnungen auf zwei zurechtgestutzt wurde, ist möglicherweise auch als Signal an die Streamingdienste nach einem Jahr nahezu ohne Kino zu verstehen. Branchenriese Netflix war mit mehreren Produktionen nominiert, Ron Howards Verfilmung von J.D. Vance »Hillbilly Elegie« oder Aaron Sorkins »The Trial of Chicago 7« gingen aber völlig leer aus. George C. Wolfes Soulfilm »Ma Rainey’s Black Bottom«, in dem »Black Panther«-Hauptdarsteller Chadwick Boseman seinen letzten grandiosen Auftritt hatte, wurde für das beste Kostüm und das beste make-Up ausgezeichnet.
Gary Oldman, der als bester Hauptdarsteller nominiert war, ist kein Philip Seymour Hoffman, dennoch ist »Mank« die beste Charakterstudie eines gefallenen Schriftstellers seit Bennett Millers »Capote«. Dennoch musste sich Oldman Anthony Hopkins geschlagen geben, der knapp dreißig Jahre nach seiner ersten Auszeichnung für die Verkörperung von Hannibal Lecter in »Das Schweigen der Lämmer« nun für seine Verkörperung eines demenzkranken Mannes in Florian Zellers Drama »The Father« (Kino-Starttermin noch unklar) ausgezeichnet wurde. Wie Hopkins den sich in seiner vertrauten Umgebung verlierenden Mann spielt, ist einfach nur grandios, die Auszeichnung ist nur konsequent. Der sehenswerte Film wurde zudem mit dem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet.
Mit dem Oscar für den besten internationalen Film wurde Thomas Vinterbergs großartiges Drama »Der Rausch« ausgezeichnet. Darin spielt ein grandios aufspielender Mads Mikkelsen einen Lehrer in der Krise. Mit drei Freunden startet er ein Experiment, demnach Alkoholkonsum zu größerem Wohlbefinden beiträgt. Also trinken sie kontrolliert und tatsächlich steigern sich ihre persönlichen und sozialen Fähigkeiten. Doch der Selbstversuch läuft aus dem Ruder und die Geschichte kippt in ein Drama. Vinterberg (»Das Fest«, »Die Jagd«, »Kollektivet«) beschreibt seinen Film als den Versuch, dem Unkontrollierbaren und Kreativen Raum zu geben. Selbst in den dunklen Ecken dieser Geschichte leuchtet das Licht des Lebens, dem Vinterberg und sein Ensemble hier eine Liebeserklärung gemacht haben. Ab Juli ist der ilm in den deutschen Kinos zu sehen. Der deutsche Beitrag »Und morgen die ganze Welt« von Julia von Heinz, der im Mai auf Netflix startet, hatte es nicht auf die Shortlist geschafft.
Außerdem wurden Daniel Kaluuya – bekannt aus Jordan Peeles Rasissmus-Horrorfilm »Get Out« – wurde für seine Nebenrolle in der hoch gehandelten Filmbiografie »Judas and the Black Messiah« von Shaka King (die auch den Oscar für den besten Filmsong erhielt, Starttermin unklar) und Yoon Yeo-jeong für ihre Nebenrolle in Lee Isaac Chungs amerikanisch-koreanischer Komödie »Minari – Wo wir Wurzeln schlagen«, die in Sundance gefeiert wurde und im Juli in Deutschland starten soll, mit einem Oscar ausgezeichnet. Pete Docters »Soul« (bei Sky zu sehen) erhielt den Oscar für den besten Animationsfilm und die beste Filmmusik, Darius Marders musikalisches Filmdrama »Sound of Metal« wurde für den besten Schnitt und den besten Ton, Emerald Fennells Thriller »Promising Young Man« für das beste Originaldrehbuch und Christopher Nolans großartiger Thriller »Tenet« – zweifellos einer der besten Filme des vergangenen Jahres – für die besten visuellen Effekte ausgezeichnet.
Die Auszeichnung von der Sino-Amerikanerin Chloé Zhao sowie der Nebendarsteller:in Daniel Kaluuya und Yoon Yeo-jeong retten die Diversitätsbilanz der diesjährigen Oscars, die erneut recht weiß ausgefallen sind. Viele hatten damit gerechnet, dass Chadwick Boseman posthum mit dem Oscar für die beste Hauptrolle ausgezeichnet wird. Die Enttäuschung, dass es stattdessen Hopkins geworden ist, ist bei den Fans groß und wird die Debatte über die Anerkennung der Leistungen von PoC-Schauspielern befeuern.
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