Comic

Ein Spiegel unserer Zeit

Der amerikanische Essayist Ta-Nehisi Coates ist hierzulande vor allem für seine kritischen Texte zum US-amerikanischen Rassismus bekannt. Nur wenige wissen, dass er auch der Kopf hinter der erfolgreichen »Black Panther«-Erzählung ist. Mit ihr hält er weißen Isolationisten den Spiegel vor.

Ryan Cooglers Verfilmung der Comicserie ist in den USA einer der umsatzstärksten Filme aller Zeiten. Black Panther hält Alt-Right und White Pride eine andere, eine stolze Geschichte des schwarzen Amerikas und seiner Ursprünge entgegen. Im Mittelpunkt steht T’Challa, König und Beschützer von Wakanda, einem afrikanischen Ausnahmestaat, wo sich mithilfe des geheimnisvollen Edelmetalls Vibranium eine hochentwickelte Gesellschaft entwickelt hat. Während die bislang erschienenen Comicalben vom Zusammenbruch dieser Gesellschaft durch Intrigen, Missgunst und Infiltration erzählten und sich Cooglers Film auf den erbitterten Kampf um Wakandas Thron konzentriert, erzählen die in Black Panther – Das Erste Jahr versammelten sechs Alben vom Aufstieg T’Challas zum Black Panther. Es ist die komplette Vorgeschichte zur Revolution, die die Gesellschaft des futuristischen Staates im ersten Album in einen tiefen Abgrund stürzt.

Ta-Nehisi Coates: Zwischen mir und der Welt. Aus dem Englischen von Miriam Mandelkos. Hanser Literaturverlage 2016. 234 Seiten. 19,90 Euro.

Autor Ta-Nehisi Coates, der in seinen Texten (Zwischen mir und der Welt, We were eight years in power) den tief verwurzelten Rassismus und dessen Folgen in den USA aufdeckt, hat seine Comicerzählung im Marvel-Universum verortet. Die Geschichte setzt mit einer Begegnung des Black Panther mit Captain America und den Avengers während des Zweiten Weltkriegs ein, die dabei das Geheimnis des enormen technischen Vorsprungs des Staates kennenlernen. Während die westliche Welt die afrikanischen Staaten ihrer wertvollsten Ressourcen beraubt, setzt der Black Panther auf Isolation. Wakanda prosperiert und steht kurz vor dem Sprung ins All. Doch als erste Bürger spurlos verschwinden und Unbekannte die Außengrenzen bedrohen, beschließt T’Challa, sein Land gegenüber der Welt zu öffnen. Doch mit der Öffnung wächst nicht nur die Gefahr, dass das wertvolle Vibranium in falsche Hände gelangt, sondern auch die innerpolitische Opposition. Die Palastrevolution steht kurz vor dem Ausbruch.

Man kann das als absonderliche-träumerische Geschichte eines afroamerikanischen Idealisten lesen. Dann verpasst man aber womöglich die eigentliche Moral dieses Werks. Denn Black Panther – Das Erste Jahr ist auch und zuvorderst ein Dokument der Menschlichkeit, dass Europäern und US-Amerikanern unter umgekehrten Vorzeichen den Spiegel vorhält. Denn Thronfolger T’Challa öffnet die Grenzen seines Landes nicht, weil die Festung Wakanda ohnehin schon bröckelt, sondern weil ihm der Preis der Abschottung – die viele Toten an den Außengrenzen seines Reiches – zu hoch ist. Spätestens hier darf man in dieser Geschichte eine Allegorie auf den wiedererstarkten US-amerikanischen Isolationismus und den mit unterschiedlichen Nationalismen aufgefüllten Eurozentrismus sehen. Man kann nicht nach innen den Menschenrechten das Wort reden, wenn an den eigenen Grenzen Menschen krepieren, nur weil sie eine bessere Zukunft suchen. König T’Challa hat das begriffen und erkannt, dass er die Welt vielleicht nicht retten, aber mit den Errungenschaften seines Volkes zu einem besseren Ort machen kann.

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Ta-Nehisi Coates, Evan Narcisse, Paul Renaud, Javier Pina: Black Panther – Das Erste Jahr. Panini Verlag 2018. 140 Seiten. 16,99 Euro. Hier bestellen

Die Black-Panther-Erzählung ist die Geschichte eines schwarzen Helden und der Vision eines fortgeschrittenen afrikanischen Kontinents, der an sich und dem Westen scheitert. Coates wäre nicht der angesehene Kritiker unserer Zeit, wenn er daraus eine romantische Welterlösungsfantasie machen würde. Deshalb münden T’Challas Bemühungen, sein Land zu öffnen, in einem politisch-gesellschaftlichen Aufruhr, der an den rechtspopulistischen Backlash erinnert, der die Nationalstaaten Europas ebenso ergriffen hat wie die USA. Genau hier setzen die chronologisch nach Black Panther – Das Erste Jahr angesiedelten Erzählungen an, die vor diesem Sammelband erschienen sind.

Was Front National, Goldene Morgenröte, Jobbik, Schwedendemokraten, PiS oder AfD in Europa sind, ist die Tea-Party-Bewegung in den USA. Black Panther deckt nicht die Logik ihrer Ideologie auf, zeigt aber die Konsequenzen auf, die sich aus Neid, Ressentiment, Verlustangst und Nationalismus für eine Gemeinschaft ergeben. Dezidiert anti-kolonialistisch, anti-rassistisch und aufklärerisch ist diese Comicerzählung überfällig.

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