Literatur, Roman

Das Wettlesen kann beginnen

Die 20 Romane, die auf der Frankfurter Buchmesse als bester deutschsprachiger Roman 2014 ausgezeichnet werden können, sind nominiert. Neben einigen zu erwartenden Nominierungen gibt es auch einige Überraschungen. Andere Romane werden hingegen schmerzlich vermisst.

Die Jury des Deutschen Buchpreises gab heute die 20 nominierten Romane der Longlist bekannt und wusste dabei zu überraschen, etwa mit der Nominierung von Antonio Fians schwarzhumoriger Roman Das Polykrates-Syndrom, Michael Ziegelwagners Habsburg-Posse Der aufblasbare Kaiser oder Martin Lechners Provinzroman Kleine Kassa, mit dem er im Frühjahr debütierte.

Erwarten konnte man hingegen die Nominierung von Lutz Seilers lang erwartetem Roman Kruso, von Thomas Hettche (nach 2006 und 2010 bereits zum dritten Mal) und seinem historischen Roman Pfaueninsel oder Angelika Klüssendorfs Fortsetzung ihres Debütromans Das Mädchen, das im Frühjahr unter dem Titel April erschienen ist.

So mancher Kritiker wird sich auch bestätigt fühlen, denn mit Lukas Bärfuss Aufarbeitung des Selbstmords seines Bruders Koala, Ulrike Draesners osteuropäischen Forscher- und Generationengeschichte Sieben Sprünge über den Rand der Welt sowie Feridoun Zaimoglus Liebes- und Gesellschaftsroman um seine in die Jahre gekommene Titelheldin Isabel wurden drei Romane nominiert, die in den vergangenen Monaten immer wieder zu den großen Romanen des Bücherjahres 2014 gezählt wurden. Unter den nominierten Romanen ist auch der diesjährige Gewinner des Leipziger Buchpreises Saša Stanišić (2006 mit Wie der Soldat das Grammofon repariert Finalist des Deutschen Buchpreises) mit seinem ausgezeichneten Roman Vor dem Fest.

Eine amüsante Geschichte ist die Nominierung von Marlene Streeruwitz‘ Nelia-Fehn-Auftakt Nachkommen, in dem sie ihre Heldin als jüngste Teilnehmerin an der Buchpreis-Verleihung teilnehmen lässt. Nun ist sie mit dem Roman nominiert, für Streeruwitz nach 2011, als sie mit Die Schmerzmacherin auf der Shortlist stand, bereits das zweite Mal.

Mit Esther Kinsky ist eine der feinfühligsten Stimmen der deutschen Literatur mit ihrem Roman Am Fluss nominiert worden. Außerdem nominiert wurden Franz Friedrich und sein Debütroman Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr, Michael Köhlmeier (nach 2007 zum zweiten Mal) mit seinem Roman über Zwei Herren am Strand, die sich als Charlie Chaplin und Winston Churchill entpuppen, Gertrud Leutenegger mit seinem Eyjafjallajökull-Roman Panischer Frühling, Charles Lewinsky surrealer Alpen-Roman Kastelau,die beiden zeit- und gesellschaftskritischen Romane Unternehmer von Matthias Nawrat und 3000 Euro von Thomas Melle, Christoph Poschenrieders Roman zum 1. Weltkrieg Das Sandkorn sowie Krimiautor Heinrich Steinfest mit seinem philologisch-philosophischen Roman Der Allesforscher.

Nicht nominiert wurden hoch gehandelte Romane wie Das achte Leben (Für Brilka) von Nino Haratischwili, Hans Pleschinskys viel gelobter Thomas-Mann-Roman Königsallee, Sherko Fatahs Der letzte Ort, Bodo Kirchhoffs neuer Roman Verlangen und Melancholie sowie Michael Kleebergs Karlmann-Fortsetzung Vaterjahre – das war alles andere als zu erwarten. Insbesondere Haratischwilis Roman gilt als Opus Magnum und Solitär des Herbstprogramms. Die siebenköpfige Jury ließ sich auch nicht von Wolfgang Herrndorfs Romanfragment Bilder Deiner großen Liebe oder Olga Grjasnowas neuem Roman Die juristische Unschärfe einer Ehe beeindrucken.

Die bekannt gegebenen Nominierungen zum Deutschen Buchpreis kann man auch als Votum gegen den Leipziger Buchpreis werten. Allein zwölf der zwanzig Titel auf der Longlist stammen aus dem Frühjahrsprogramm der Verlage, die, abgesehen von Stanišićs Roman, von der Leipziger Jury nicht berücksichtigt wurden.

Insgesamt 14 Verlage können sich Hoffnungen auf die Auszeichnung eines ihrer Romane machen, darunter jedoch nur vier Kleinverlage. Die rechnerisch betrachtet besten Aussichten kann sich der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch machen, aus dem drei Bücher nominiert wurden. Luchterhand, Rowohlt Berlin, S. Fischer und Suhrkamp sind mit jeweils zwei Titeln auf der Longlist vertreten, jeweils ein Buch im Rennen haben die Verlage Diogenes, Droschl, Hanser, Matthes & Seitz, Nagel & Kimche, Piper, Residenz-Verlag, Rowohlt und Wallstein. Rechnet man die Imprint-Verlage zu den Mutterhäusern, dann hat Rowohlt (inklusive Rowohlt.Berlin) ebenfalls drei Titel im Rennen, Hanser (inklusive Nagel & Kimche) ist mit zwei Romanen im Wettbewerb.

Am Rande sei bemerkt, dass sich nur fünf Frauen unter den nominierten Autor_innen befinden, im vergangenen Jahr waren immerhin sechs Schriftstellerinnen vertreten. Mit Terézia Mora gewann dann auch eine Frau den Buchpreis, 2013 wurde ihr Roman Das Ungeheuer ausgezeichnet.

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In diesem Jahr wird der Deutsche Buchpreis zum zehnten Mal an den besten deutschsprachigen Roman vergeben. Die sechs Finalisten werden am 10. September bekannt gegeben. Bis dahin können sich interessierte Leser durch das Lesebuch zur Longlist lesen, in dem Leseproben und Hintergrundinformationen der nominierten Romane veröffentlicht werden. Das Lesebuch gibt es kostenlos in jeder gut sortierten Buchhandlung.

8 Kommentare

  1. […] das Ende der DDR, weshalb Lutz Seilers Roman im 25. Jahr nach der friedlichen Revolution nicht nur Favorit im Rennen um den Deutschen Buchpreis ist, sondern auch im Wettbewerb um den Wenderoman überaus gute Karten hat. Nach Jana Hensel […]

  2. […] in einigen Empfehlungen lesen. Da findet sich ein schmaler Roman plötzlich auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises wieder, weil er diejenigen sprechen lässt, die ein paar Straßen weiter in den Wohnblöcken […]

  3. […] Selbstgefälligkeit und – ja, man muss es so nennen – Arroganz der Jurymitglieder förmlich an. Michael Köhlmeier sprach in seiner Klagenfurter Rede zur Lage der Literatur 2013 mahnend davon, dass Fauser der […]

  4. […] Liebesbrand war 2008 in Leipzig auf der Shortlist, mit Isabel war er im vergangenen Jahr auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Es würde nicht wundern, wenn sein neuer Roman Siebentürmeviertel, eine Familiensaga zwischen […]

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