Comic

Krieg ist Frauensache

Mit »Asterix und der Greif« schließen Jean-Yves Ferri und Didier Conrad an die frühen gallischen Abenteuer an. Während die Verbreitung von Verschwörungstheorien Berücksichtigung findet, findet die Debatte um Geschlechterrollen trotz Matriarchat wenig Niederschlag.

Mit einer Träne im Auge zieht sie davon, die kleine Eule, während im Hintergrund die Bewohner eines kleinen gallischen Dorfes die Rückkehr ihrer Helden feiern. Aufmerksame Asterix-Leser:innen mag das Motiv vertraut sein, im Band »Asterix bei den Belgiern« kam das in ähnlicher Form schon einmal vor. Damals verabschiedete sich Zeichner Albert Uderzo von seinem mit 51 Jahren überraschend gestorbenen Partner René Goscinny mit einem weinenden Hasen. In »Asterix und der Greif« winken die neuen Macher Jean-Yves Ferri und Didier Conrad mit der Eule Albert Uderzo noch einmal zu, der im März vergangenen Jahres nach einem Herzinfarkt im Alter von 92 Jahren gestorben war.

Das 39. Album aus dem Asterix-Universum ist also das erste, dass weder der geistige Vater Goscinny noch der jahrzehntelange Zeichner und Erbe Uderzo jemals in der Hand gehalten haben. Uderzo hat wohl zumindest noch erste Entwürfe gesehen, das finale Produkt, auf dessen Cover die Marke Asterix weiterhin mit den beiden Erfindern verbunden bleibt, aber nicht.

Jean-Yves Ferri, Didier Conrad: Asterix und der Greif. Aus dem Französischen von Klaus Jöken. Egmont Ehapa Verlag 2021. 48 Seiten. 12,00 Euro. Hier bestellen

Muss das Sorgen machen? Keineswegs. Ferri und Conrad hatten seit Erscheinen von »Asterix bei den Pikten« bewiesen, dass sie die legendäre Reihe souverän fortsetzen und ihr eine eigene Handschrift geben können, ohne dabei mit den Traditionen zu brechen. Dies gilt auch für den neuerlichen Band. Darin machen sich Asterix, Obelix und Idefix mit einem ziemlich verschnupften Miraculix auf den Weg nach Osten. Sie reisen ins Barbaricum, weil der sarmatische Schamane Terrine dem gallische Druiden im Traum einen Hilferuf geschickt hat.

Denn die Römer sind schon im Lande, eine Gesandtschaft um den Geografen Globulus ist auf der Suche nach dem sagenumwobenen Greif, den Cäsar gern in seinen Arenen dem Publikum vorführen will. Dorthin soll sie die Amazone Kalaschnikowa führen, die die Römer bei einem Scharmützel an der Grenze zum Barbaricum festgenommen haben. Globulus’ Expedition wird von Zenturio Brudercus und Gladiator Ausdiemaus unterstützt, die offenbar nicht das erste Mal unterwegs sind, um ein Fabelwesen zu fangen, bislang aber nie erfolgreich waren. Im ewigen Eis suchen sie nun erneut ihr Glück.

Als die Gallier im eisigen Land der Sarmaten ankommen, sind die Römer schon da. Ferri und Conrad stürzen die Helden aber nicht in die erste Schlacht, sondern lassen sich aber Zeit für eine nahezu vorurteilsfreie Beschreibung der sarmatischen Lebensverhältnisse. Bei den Sarmaten stehen nämlich die Männer am Herd – konsequenterweise tragen sie Namen wie Terrine oder Ötküsine –, während die Frauen als kriegerische Reiterinnen die Sicherheit des Volkes verteidigen. Deshalb sind sie auch wenig begeistert, als Terrine seiner Frau Matrjoschkowa die gallischen Helden als Unterstützer im Kampf gegen die römischen Invasoren ankündigt. Als Asterix in gönnerhafter Mainsplaining-Manier die »gallische Diplomatie« anpreist, entgegnet ihm die Anführerinnen der sarmatischen Amazonen: »Du machst mir Spaß, Kleiner Gallier. Leider verstehen die Römer nur eine Sprache, die des Krieges! Und Krieg ist nun mal Frauensache!«

Auszug aus »Asterix und der Greif«

Von dem anfänglichen Erstaunen abgesehen sind die gallischen Helden davon wenig beeindruckt. Man könnte sagen, dass die gallischen Helden so schnell nichts mehr irritiert, nachdem sie schon die halbe Welt bereist haben. Zumal Asterix nicht müde wird, seine Strategie im Kampf gegen die Römer und zur Befreiung der Geisel durchzusetzen.

Die Römer befassen sich derweil mit sich selbst. Die Anführer der Expedition sprechen sich permanent die Kompetenz ab und streiten darüber, ob die Welt eine Scheibe oder eine Kugel sei, während der einfache Legionär Fakenius seinem Namen alle Ehre macht und mit Verschwörungstheorien für Unruhe in der Truppe sorgt.

Von solchen augenzwinkernden Anspielungen leben die Asterix-Hefte, seit sie vor 62 Jahren mit »Asterix der Gallier« die Welt erblickt haben. Neben der Verballhornung von Fake-News in den römischen Truppen kann man in die hartnäckige Erkältung des Druiden eine Anspielung auf die Corona-Pandemie hineinlesen. Der an anderen Kulturen interessierte Geograf Globulus trägt zudem die Züge des französischen Kulturpessimisten Michel Houellebecq – ein kleiner Geniestreich von Zeichner Didier Conrad.

Der Sonderpreis »Gesamtwerk« beim Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 ging an die Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf | © Sebastian Kissel

Überhaupt knüpft dieses Album in bemerkenswerter Weise an die frühen Asterix-Geschichten an. Die Punchlines sind dicht, die Zeichnungen mit viel Liebe zum Detail ausgeführt, die Perspektive wechselt ständig zwischen den römischen und gallisch-sarmatischen Blickwinkeln. Der Textsatz ist einfallsreich, die fremde Dialektik der Sarmaten wird durch die spiegelverkehrte Darstellung des Buchstabens E symbolisiert. Klaus Jöken hat das französische Original ebenso galant wie gewitzt ins Deutsche übertragen, so das Sprachbilder weiterhin ihre Wirkung entfalten und Kalauer zum Schmunzeln animieren. Jöken hatte 2005 mit dem Band »Gallien in Gefahr« die Nachfolge der langjährigen Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf angetreten, die auf der Frankfurter Buchmesse den Deutschen Jugendliteraturpreis 2021 in der Kategorie Sonderpreis Gesamtwerk Übersetzung erhielt.

Der neue Asterix-Comic bewegt sich allerdings auch gesellschaftspolitisch in der Zeit der Anfänge. Das Matriarchat der Sarmaten hätte zwar die Chance geboten, den Gegenwartsfeminismus in die Serie einziehen zu lassen, »Asterix und der Greif« bleibt aber weitgehend in den klassischen Mustern der Geschlechterpolitik stecken. Abgesehen von einer gemeinsamen Prügelorgie im eisigen Nebel des Ural-Gebirges abgesehen bleibt es bei der Behauptung, dass der Krieg weiblich sei.

Auszug aus Liv Strömquist »Ich fühl’s nicht«

Die Revolution der Frauen bleibt jedoch in der »gallischen Diplomatie« stecken. Queere Figuren sucht man zudem vergeblich. Dass am Ende nur die Waffe der sexuellen Attraktivität – nennen wir das Kind doch beim Namen – bei den männlichen Figuren für Irritation sorgt, spricht Bände. Und bestätigt im Grunde auch das, was die schwedische Comiczeichnerin und Feministin Liv Strömquist in ihren Comicalben immer wieder zeigt. Die hatte in Ihrem vorletzten Comic »Ich fühl’s nicht« unter anderem Miraculix als Exemplar für Männer herangezogen, die ihre Machtposition durch emotionalen Rückzug ausspielen.

Das neue Asterix-Abenteuer ist ein unterhaltsames Unterfangen, in dem Asterix in Ermangelung an Zaubertrank – hier birgt der Comic eine interessante Information zur Haltbarkeit – hinter Obelix etwas zurücksteht. Die heißen gesellschaftspolitischen Eisen unserer Zeit werden umschifft, obwohl anderes möglich gewesen wäre. Schade, aber so kann man »Asterix und der Greif« als ebenso zeitloses wie für alle Altersklassen geeignete Fortsetzung der gallischen Saga lesen.

1 Kommentare

  1. […] bleibt Asterix, die Themen darin wandeln sich behutsam, die Optik bleibt gleich. Dadurch wirkten einige Fortsetzungen über lange Strecken bemüht und legten den Gedanken nahe, dass die Serie eigentlich erschöpft ist und man tote Pferde nicht […]

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