Harry MacQueen erzählt in seinem poetisch-warmen Film »Supernova« vom Aufleuchten der Liebe in ihren letzten Zügen. Colin Firth und Stanley Tucci tragen diese universelle Erzählung.
Sam und Tusker haben viele Jahre miteinander verbracht, warm und vertraut ist die Liebe, die sie miteinander verbindet. Als sie erfahren, dass Tusker an Demenz erkrankt ist, wollen sie die Zeit, die ihnen bleibt, bewusst miteinander verbringen.
Sam hängt seine Pianistenkarriere an den Nagel, um mit seiner großen Liebe noch einmal eine Tour mit dem Wohnwagen zu machen. Das alternative Van-Life als notgedrungene Rettungsinsel hat nicht zuletzt durch den Oscar-Gewinnerfilm »Nomadland« von Chloé Zhao die große Bühne bekommen. Harry MacQueen zeigt den anderen Aspekt dieses Lebens: den freiwilligen Ausstieg aus der Normalität ohne finanziellen Druck – durchaus mit Gewinn.
Am Lake District, wo Sam und Tusker ihre erste Nacht gemeinsam verbracht haben, nehmen unter klarem Sternenhimmel gemeinsam Tapes auf, in denen sie sich gegenseitig zu den großen und kleinen Rätseln des Lebens befragen. Sie fahren zu Tuskers Schwester, wo sie noch einmal im Kreise ihrer Liebsten ein rauschendes Fest feiern. Und schließlich in ein abgeschiedenes Landhaus, um noch einmal wirkliche Zweisamkeit zu erleben. Die Tage dort werden aber anders verlaufen, als es sich Sam vorgestellt hat.
Für das Familien- und Freudesfest hat Tusker, der einst ein erfolgreicher Buchautor war, eine Rede geschrieben, in der er über sein Leben und das, was ihm davon bleibt, sprechen will. Halten wird sie sein Geliebter, weil er selbst nicht mehr imstande ist, die eigens verfassten Worte abzulesen. »Es wird die Zeit kommen, wenn ich vergesse, wer eigentlich vergisst«, liest Sam den Freunden vor, ohne sich anmerken zu lassen, dass ihm dieser Satz den Boden unter den Füßen entzieht. Denn ihm wird bewusst, dass auch Tusker spürt, wie ihm die Kontrolle über sein Leben zunehmend entgleitet.
Fortan geht es in diesem intimen Porträt zweier Männer darum, bis zum bitteren Ende ehrlich und wohlwollend füreinander da zu sein, auch wenn es alles kostet, was sie haben. Oscar-Preisträger Colin Firth (»The King’s Speech«) und Oscar-Anwärter Stanley Tucci (»Spotlight«) tragen diese Geschichte mit einer ungeheuren Intensität und Wärme, selbst dann, wenn die Offenheit, die sie einander schulden, kaum zu ertragen ist.
Demenz ist die Volkskrankheit der alternden Gesellschaften, zuletzt sorgte Florian Zellers Demenzdrama »The Father« mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle für Furore. Während der Franzose Zeller die Innenperspektive eines Demenzkranken wählte, beobachtet der Brite Harry MacQueen (»Hinterland«) von außen, was diese Krankheit mit der Hingabe und dem Vertrauen zweier Menschen anrichtet. Die meditativen Landschaftsaufnahmen von Dick Pope (»Mr. Turner – Meister des Lichts«) heben diese Geschichte auf eine universelle, zeitlose Ebene.
»Supernova« ist poetisch und wahrhaftig. Mit überwältigender Kraft erzählt dieser Film von einer Liebe, die im dunklen Sog des Vergessens noch einmal so hell und wärmend wie eine Sonne aufleuchtet, bevor sie implodiert.