Ein Hintergrundgespräch mit Andreas Rötzer, dem Verleger des Verlags Matthes & Seitz Berlin, zur Bedeutung des Nature Writing, dessen inhaltlicher Entwicklung und dem Engagement seines Verlags.
Andreas Rötzer, wie definieren Sie für die Naturkunden-Reihe und den Deutschen Preis für Nature Writing diese literarische Gattung?
Es sind Texte von Autor:innen, die sich mit der Wahrnehmung von Natur, mit dem praktischen Umgang mit dem Natürlichen, mit der Reflexion über das Verhältnis von Natur und Kultur und mit der Geschichte der menschlichen Naturaneignung auseinandersetzen. Dabei kann es sich um essayistisches, lyrisches oder episches Schreiben handeln, bzw. Mischformen davon, häufig auch autobiografisch oder autofiktional. In der Regel sind es subjektive Zugänge zu objektiv-wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Thematisierung von ›Natur‹ schließt die Dialektik von äußerer und innerer Natur ebenso mit ein wie die Auflösung der Grenzen von Kultur und Natur, aber auch die Möglichkeiten oder Probleme des Schutzes von Naturerscheinungen und natürlichem Geschehen. Nature Writing spricht nicht von ›der Natur als solcher‹, sondern von der durch Menschen wahrgenommenen, erlebten und erkundeten Natur. Die leibliche Präsenz, die konkrete Tätigkeit des Erkundens und die Reflexion auf die gewonnenen Erkenntnisse werden in der Regel im Text fassbar.
Ging es bei der Entwicklung des Deutschen Preises für Nature Writing um die Ermunterung deutschsprachiger Autor:innen, sich stärker der Natur zuzuwenden, oder wollten Sie bereits aktiven Autor:innen mehr Aufmerksamkeit geben?
Die Ermunterung deutschsprachiger Autor:innen, über Natur und Naturdinge zu schreiben, stand zu Beginn des Plans eines Deutschen Preises für Nature Writing. Da wir bei den Naturkunden immer wieder auf großartige englischsprachige Texte stießen, die wir übersetzen wollten, aber auf wenig deutschsprachige Text, war es die Idee diese zu initiieren und dafür ein deutsches Forum zu bieten.
Welche Themen und Herangehensweisen stellen Sie im deutschsprachigen Nature Writing fest?
Die Vermischung von essayistischen und anderen Formen des Schreibens – ein Charakteristikum des Nature Writings – findet im englischsprachigen Raum selbstverständlicher statt, scheint mir. Die deutschen Autor:innen sind häufig noch auf Genregrenzen bedacht. Aber auch das entwickelt sich ständig weiter und die Einreichungen sind heute schon viel vielfältiger als vor fünf Jahren.
Gibt es eine inhaltliche Bewegung hin zu oder eine Anlehnung an gesellschaftliche Debatten?
Die Bewegung hin zu gesellschaftlichen Debatten wie Biodiversität, Nachhaltigkeit, systemische Landwirtschaft, Klimawandel ist deutlich spürbar. Meist noch eher als Beobachtung und Trauer über die Veränderung, aber es gibt gelegentlich auch manifestartige, sowie progressiv-optimistische Texte.
Wie politisch und unbequem ist das deutschsprachige Nature Writing? Ist sie gar die neue engagierte Literatur unserer Zeit? Oder hat sie das Zeug dazu?
Wenn zu den bisherigen Motiven und Debatten noch stärker die Themen Energie und Klimagerechtigkeit in den Focus geraten – und das tun sie auch im englisch- und französischsprachigen Raum – dann könnte das Nature Writing tatsächlich den Kern einer neuen engagierten Literatur bilden.
Welche Rolle spielt die deutschsprachige Literatur in der Naturkunden-Reihe? Und welche Rolle soll sie spielen?
Wir sind immer auf der Suche nach Texten, die all diese Motive abdecken, zuletzt in großartiger Weise Isabel Cole mit ihrem Rechercheroman »Goldküste«.
[…] Gesellschaftliche Debatten sind deutlich spürbar […]
[…] Natur als solcher, sondern von der durch Menschen wahrgenommenen, erlebten und erkundeten Natur«, erklärt er die Gattung. In seinem Verlag Matthes & Seitz Berlin versammelt. In dem ist auch die Reihe Naturkunden […]
[…] Gesellschaftliche Debatten sind deutlich spürbar […]