Comic

Klassischer Paris-Noir

Nestor Burma ist einer der bekanntesten Ermittler Frankreichs. Über 20 Bände hat Léo Malet seinem Helden gewidmet. Vier davon hat der große Jacques Tardi als Comic adaptiert, die nun in einem edlen Sammelband erscheinen.

Als ich 2003 für ein Jahr in Paris lebte, fielen mir schon in den ersten Wochen bei den Bouquinisten an der Seine die immer gleich aufgemachten Krimis auf. Auf buntem Cover war stets eine leicht bekleidete Dame zu sehen, alles im Style des 80er-Jahre-Porno-Chic. Ich begann, diese Paris-Krimis von Leo Malet zu sammeln, auch weil jede der späteren Erzählungen in einem anderen Arrondissement spielt. So erschloss ich mir lesend die Stadt, auch wenn mich diese Krimis Jahrzehnte zurückwarfen. Aber Paris ist eben auch Paris, weil alles historisch durchdrungen ist.

Bei meiner Suche nach den einzelnen Bänden musste ich feststellen, dass einzelne Ausgaben nicht so einfach zu finden waren und aus Studentenperspektive ein halbes Vermögen gekostet haben. Aber es lohnte sich, mit ihnen geriet ich in den Sog der Erzählungen eines der berühmtesten französischen Privatdetektive, der seit den vierziger Jahren auf eigene Faust aus seiner Detektei »Fiat Lux« heraus ermittelte. Betrogene Ehefrauen, der alte Geldadel und Ganoven aus der Halbwelt gehen bei ihm ein und aus. Empfangen werden sie von seiner Sekretärin Hélène, die hoffnungslos in ihren mürrischen Chef verliebt ist.

Parallel zu einer der bekanntesten Pariser Policier-Reihe entdeckte ich in Paris die Vielfalt der Neunten Kunst für mich. Grundlagen waren zwar längst gelegt, aber die Welt der Bandes Dessinées, die sich einem in Frankreich öffnet, ist etwas völlig anderes. Neben den irrsinnig witzigen Geschichten von Lewis Trondheim, Joann Sfar und Manu Larcenet stieß ich auf die düsteren Comicerzählungen aus den Gräben des 1. Weltkriegs von Jacques Tardi. Und dieser Tardi, so sollte ich herausfinden, hatte auch vier der Nestor Burma-Krimis von Leo Malet adaptiert.

Léo Malet/Jacques Tardi: Burma. Aus dem Französischen von Martin Budde, Kai Wilksen, Wolfgang Bortlik. Edition Moderne. 408 Seiten. 39,00 Euro. Hier bestellen

Diese Geschichten erscheinen jetzt zum Geburtstag des Verlags als schicke Gesamtausgabe in der Edition Moderne. Der 400 Seiten zählende Band die Adaptionen »120, Rue de la Gare«, »Wie steht mir der Tod«, »Die Brücke im Nebel« und »Kein Ticket für den Tod«. Auf Tardis eigens komponierte Nestor-Burma-Anlehnung »Blei in den Knochen« wird klugerweise verzichtet. Ohne Zweifel ist »120, Rue de la Gare« die wichtigste und grundlegendste der vier Comicerzählungen, auch weil sie an Tardis autobiografisch motiviertes Werk anschließt. Kenner werden schon auf den ersten Seiten die Parallelmotive erkennen, wenn die Geschichte im Kriegsgefangenenlager Stalag II B beginnt.

Wie in einem Film Noir bildet Tardi die Welt von Nestor Burma in starke Kontrasten ab. Er spielt mit Licht und Schatten, gestützt von einer konsequenten Schwarz-Weiß-Optik, die zwischen den beiden Polen alle Graustufen nutzt. So begegnet einem dieses Paris der 40er und 50er Jahre wie LA in den Marlowe-Krimis von Raymond Chandler: neblig, schmutzig, düster. Aber auch extrem kultig, wenn der französische Zeichner Architektur, Mode und Technik ins Bild setzt.

Längst sind seine Adaptionen selbst stilbildend, Emmanuel Moynot hat sich in der Fortsetzung der Reihe stilistisch streng in Tardis markanten Strich gehalten. Mit Pfeiffe und Trenchcoat ausgestattet betritt Burma hier immer wieder die Szene und teilt seine Gedanken mit, während im Hintergrund die Szenerie Atmosphäre schafft.

Weil Tardi nah am Original der literarischen Vorlage blieb, fallen die Comics ziemlich textlastig aus. Da könnte sich das im Vergleich zu den Einzelbänden etwas kleinere Format nachteilig auswirken. Aber keine Sorge, man kann das immer noch bequem lesen. Ohnehin kann nichts die Spannung trüben, mit der Tardi ausgehend von Malet von diesem ebenso markanten wie exzentrischen Ermittler im Paris der 40er und 50er erzählt. Zugleich taucht die Erzählung immer wieder psychologisch ab und führt in die Vergangenheit der Figuren, auf die Schlachtfelder und in die Lager der beiden Weltkriege.

Jacques Tardis Comic-Adaptionen von Léo Malets Paris-Krimis bringen auf faszinierende Weise den ermittelnden Helden, einen ausgemachten Eigenbrötler, nahe, der mit Gespür und Beziehungen selbst die Fälle löst, an denen sich die Polizei die Zähne ausbeißt. Das Verhältnis zu den Behörden ist entsprechend gespannt. René Tardis Nestor-Burma-Comics haben in ihrem Film-Noir-Stil nicht nur Klassikerformat, sondern sind auch ein berauschendes Vergnügen, so dass man diesen Sammelband wie einen guten Krimi kaum aus der Hand legen kann.