Biografie, Essay, Sachbuch

Ein Leben im T-Shirt

Haruki Murakami hat neben seinem Kleiderschrank noch eine Sammlung an Kisten, in denen er T-Shirts aus aller Welt aufbewahrt. Für ein japanisches Modemagazin hat er in den Kisten gestöbert. Der Band »Gesammelte T-Shirts« versammelt seine modisch-biografischen Ausflüge.

Er sei eigentlich kein passionierter Sammler, sagt Haruki Murakami von sich, und doch ziehe sich das Sammeln und Horten von Dingen wie ein Leitmotiv durch sein Leben. Schallplatten, Bücher, Bleistifte – solche Dinge sammelten sich bei ihm automatisch an. Ansammeln würden sich auch T-Shirts. »Sobald mir eins sinnvoll erscheint, kaufe ich es. Von überall her bringe ich sie mit«, schreibt er in seiner unterhaltsamen Erkundung seines Kleiderschranks »Gesammelte T-Shirts«.

Unternommen hat er diese essayistischen Ausflüge für das japanische Modemagazin »Popeye«. Über 100 Shirts hat er aus seinen Kisten geholt – in denen er die Shirts inzwischen aufbewahren muss, weil sie nicht mehr in den Schrank passen – und mit kurzen Texten versehen, in denen er auf Kaufsituation und Bedeutung der Kleidungsstücke eingeht. So löst er einen Erinnerungsstrom aus und schreibt über sein Leben als Schriftsteller und Privatmann.

Haruki Murakami: Gesammelte T-Shirts. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. Dumont Verlag 2021. 192 Seiten mit 108 farbigen Abbildungen. 24,00 Euro. Hier bestellen.

Es geht um die achtziger Jahre, als er viel Surfen ging und seine Liebe zur Küste entwickelte, und seine Erlebnisse in den Vereinigten Staaten und deren authentischer Burger-Kultur. Er schreibt über seine Vorliebe für Whiskey- und Biermarken und sein Unbehagen, schon am Vormittag in einem mit Alkohol-Werbung bedruckten Shirt unterwegs zu sein. Es geht um Promotion-Shirts aus aller Welt, die anlässlich seiner Romane erschienen sind (hier findet man seltene Fan-Ware), um seine Vorlieben für Echsen, Bären, fliegende Helden oder Tonträger aus Vinyl.

Diese modisch-biografischen Ausflüge haben mit Murakamis literarischem Werk wenig bis nichts zu tun, auch wenn sie den ein oder anderen Verweis auf seine Erzählungen und Romane enthalten. Diese Miniaturen geben als Mosaik gelesen aber einen Einblick, wie weit verzweigt die Interessen des japanischen Kultautors sind und wo so manche Inspiration ihren Ursprung hat.

Das wichtigste Shirt ist ein gelbes, auf dem in geschwungenen Lettern blau der Name »Toni Takitani« gedruckt ist. Gekauft hat er es für einen Dollar in einem Secondhand-Shop auf Maui. Als er versuchte, sich vorzustellen, wer dieser Toni Takitani sei, hat er eine Geschichte daraus gemacht, die später verfilmt wurde. »Von allen Investitionen, die ich je in meinem Leben getätigt habe, war dies eindeutig die lohnendste«, schreibt er.

Verfilmt wurden zuletzt auch seine Erzählungen »Scheunenabbrennen« (»Burning«) und »Drive my Car« (unter gleichem Titel). Insbesondere letztere von Ryūsuke Hamaguchi hat hymnische Begeisterungsstürme unter Filmexperten ausgelöst, in Cannes unter anderem den Preis für das beste Drehbuch gewonnen und geht für Japan ins Rennen um die Auslandsoscars. Es geht in dem Film um das fragile Verhältnis eines Regisseurs zu seiner Chauffeurin.

In Murakamis T-Shirt-Sammlung findet sich auch so manche Skurrilität. Einem Shirt mit dem Konterfei von Donald Trump und der spanischsprachigen Aufschrift »Donald, Du bist ein Blödmann« stellt er eines mit der Abbildung eines von Fjodor Michailowitsch Dostojewski gegenüber. Sogar T-Shirts mit Zitaten aus Wagner-Operetten befinden sich in seinem Fundus. Durchaus beeindruckend übrigens der Zustand, in dem sich diese Shirts befinden, die Murakami nach eigener Aussage alle auch getragen haben will.

Im Interview zu seiner Sammlung sagt Murakami, dass er genug T-Shirts habe, um jeden Tag ein neues zu tragen, ohne sich zu langweilen. Man muss ihn sich wohl auch so vorstellen, leger, T-Shirt-tragend. »Im Grund trage ich die gleiche Art Kleidung wie früher. Wenn ich mal im Oberhemd im Büro auftauche, fragt meine Assistentin sofort, was passiert sei.« Der Schriftsteller Haruki Murakami führt, wenn man so will, ein ziemlich legeres T-Shirt-Leben.

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