Film

Ein Schweizer Drama

Mit Michael Kochs Film »Drii Winter« läuft seit Jahren mal wieder ein Beitrag, in dem durchgängig Schweizerdeutsch gesprochen wird. Erzählt wird das Drama einer Liebe vor majestätischer Kulisse.

Die Welt in diesem Filmjuwel ist ein Wunder und eine Zumutung zugleich. Tief in den Schweizer Alpen spielt diese Geschichte eines jungen Paars, dass durch Himmel und Hölle geht. Marco ist nicht Annas erster Mann, schon einige Beziehungen sind an der Postbotin vorbeigezogen. Aus einer dieser gescheiterten Lieben ist Julia entstanden, ihre vierjährige Tochter. Der wortkarge Marco ist ein junger Bauer, der aus dem Flachland hier hoch in die Berge gezogen ist und bei Alois unter die Arme greift. Er weiß, was es heißt, anzupacken. Seite einem Jahr sind Anna und Marco ein Paar, im Dorf zerreißt man sich das Maul, ob es diesmal hält.

Als im Sommer nach ihrer Hochzeit das Heu eingeholt wird, sitzt Marco in der Berghütte. Anna beugt sich besorgt über diesen Berg von Mann, der über Kopfschmerzen und Sehprobleme klagt. Die Ärzte entdecken einen faustgroßen Tumor in seinem Kopf, ein Eingriff soll das Schlimmste verhindern. Doch nach der Operation ist nichts mehr wie früher. Marco vergisst Dinge und verhält sich seltsam. Als er eine Kuh, die nicht trägt, zum Schlachter bringen soll, bricht er zusammen. Nur weil sie krank ist, müsse man sie doch nicht gleich umbringen, schluchzt er an Annas Schulter.

© Armin Dierolf / hugofilm

Auch er ist krank und auch er will nicht sterben. Aber die Krankheit ist erbarmungslos, verändert ihn mehr und mehr. Als er eine Milchkuh von Alois in den Bergen stehen lässt, verliert er seinen Job. Fortan sitzt er zuhause herum und die Welt fällt ihm auf seinen ohnehin schon lädierten Kopf. Anna hält das alles aus, trägt stoisch diese Last mit, bis es eines Tages zu einem Zwischenfall mit Julia kommt.

Michael Koch erzählt diese Geschichte in langsamen Bildern, die Hektik der Welt ist hier noch weit entfernt. »Drii Winter« ist geprägt von einer formalen Strenge im besten Sinn, überwältigend ist, wie genau die Kamera in Landschaft und Menschen schaut, um ihnen diese Geschichte abzuringen. Mit Chorälen strukturiert er seinen Film in Kapitel, die Texte lassen auf den weiteren Verlauf schließen. Dazwischen schneidet er immer wieder Standbilder der majestätischen Kulisse, in der diese Geschichte spielt. Schroffe Felsen, satte Wiesen, glasklare Seen. Die Welt, so scheinen diese Bilder zu sagen, ist größer als das Drama der Liebe.

© Armin Dierolf / hugofilm

Die Geschichte aber wehrt sich dagegen, denn wenngleich das Glück von Anna und Marco ein tragisches Ende findet, so doch nicht die Wärme und Zuneigung, die sie füreinander empfinden. Auf seinem langen Weg hinab begleitet Anna diesen vom Schicksal gebeutelten Mann mit allem, was sie geben kann.

Michèle Brand und Simon Wisler, wie alle Charaktere in diesem Film stehen sie das erste und wohl auch einzige Mal vor der Kamera, spielen das in beeindruckender Souveränität. Hätte das Festival nicht so schlechte Erfahrungen mit der Auszeichnung von Laiendarstellern gemacht – gemeint ist Nazif Mujic, der ausgezeichnete Hauptdarsteller in Danis Tanovics Drama »An Episode in the Life of an Iron Picker«, der seinen Silbernen Bären in der Not verkaufte –, müsste man hier über die Darsteller-Bären nachdenken.

Die Menschen im zweiten Schweizer Wettbewerbsbeitrag nach Ursula Meiers Familiendrama »La Ligne« strahlen gleichermaßen Stärke und Verletzlichkeit, aber auch eine Schicksalsergebenheit aus, wie man sie vielleicht nur noch in diesen Bergdörfern findet, wo Mensch und Natur in fast vergessener Eintracht leben.

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