Literatur

Sternchenliteratur

Sternchen in Buchtiteln zur US-Lage haben derzeit Konjunktur, was angesichts eines Präsidenten, der wie kein anderer seine politischen Gegner beleidigt, eigentlich eine Farce ist. Die neuen Romane von Richard Russo und John Niven sind es nicht.

Nein, dieser Text behandelt keine Genderfragen, auch wenn im Titel von Sternchen die Rede ist. Vielmehr geht es hier im eine besondere Eigenart von vermeintlich freundlichen Gesellschaften, die Beleidigungen und Schmähungen durch Sternchen zu reduzieren versuchen.

Pulitzerpreisträger Richard Russo zeigt in seinem keine siebzig Seiten schmalen Büchlein »Sh*itshow«, was die Wahl Trumps vor vier Jahren mit der amerikanischen Gesellschaft gemacht hat. Im Mittelpunkt stehen zwei pensionierte Akademiker, für die mit dem Wahlkampf 2016 ein neues Leben beginnt. Auslöser dafür sind menschliche Fäkalien, die erst in ihrem Pool auftauchen, dann das ganze Haus und schließlich die Ehe zwischen David und Ellie vergiften. So rückt die Bedrohung immer näher.

Richard Russo: Sh*tshow. Aus dem Englischen von Monika Köpfer. Dumont Buchverlag 2020. 68 Seiten. 10,00 Euro. Hier bestellen

Russo führt in seinem von Monika Köpfer übertragenen Text, der im Herzen die Ironie eines Franz Kafka trägt, im wahrsten Sinne des Wortes die Beschissenheit der Dinge unter Trump vor. Und plötzlich häufen sich die Zeichen, dass es die heile Welt von David und Ellie nicht mehr gibt. Jahrelange Freundschaften verlaufen im Sande und die Ehe ihrer Tochter fährt an die Wand. Und je kaputter die Welt im Außen ist, desto größer werden auch ihre Probleme innerhalb ihrer Ehe.

»Was passiert hier mit uns« fragt Ellie am Anfang des Romans mit Bezug auf die amerikanische Gesellschaft. Am Ende von Russos kleinem, aber glitzendem Text ist die Ehe genauso zerrüttet, wie dieses seltsame Land, in dem die handelnden Figuren ihre Orientierung verloren haben.

Auch das neue Buch von John Niven kommt wie Russos »Sh*tshow« mit Sternchen daher. »Die F*ck-It-Liste« handelt jedoch nicht von den Damen, denen der Mann mit den orangenen Haaren laut eigenem Bekunden nachsteigt, sondern von der Racheliste eines Zeitungsredakteurs, der am Ende seines Lebens abrechnen will.

Mit Trump hat das insofern zu tun, als dass der insgesamt neunte Roman des Schotten in der nahen Zukunft spielt und dessen Tochter Ivanka das Amt des Vaters übernommen hat. Im Jahr 2026 führt sie die USA wie ein Familienunternehmen, mit eiserner Hand im Sinne der eigenen Sache. Frank Brill, Hauptfigur in Nivens neuem Roman, tangiert das insofern, als das sich sein stetiger Abstieg auf der sozialen Leiter auf die vergangen zehn Jahre zurückführen lässt; kurz gesagt auf die Amtszeit der Trumps.

John Niven: Die F*ck-It-Liste. Aus dem Englischen von Stephan Glietzsch. Heyne Hardcore. 320 Seiten. 22,00 Euro. Hier bestellen

Seine von seiner Krebserkrankung beförderte Reue ist eine späte, denn er hatte 2016 in der Wut über den Verlust seines Jobs Trump überhaupt erst ins Amt gewählt. Er war selbst Teil der Masse der wütenden weißen Männer, denen jetzt sein Wiedergutmachungsfeldzug gilt. Denn nichts ist besser geworden, seit Trump ins Weiße Haus gezogen ist, für ihn nicht und für sein Land auch nicht. Ganz im Gegenteil, die Zustände in Nivens Amerika sind noch einmal um einiges schlimmer als in der Wirklichkeit.

Entsprechend rau ist das Klima. Mit einer Knarre in der Hand durchs Land ziehen und Erzfeinde umnieten, wie es Brill macht, ist keineswegs ungewöhnlich. Der sprachliche Revolver, den Niven in seiner von Stephan Glietzsch souverän übertragenen rabenschwarzen Satire abfeuert, gleicht eher einem Modell aus »Mad Max« als einem klassischen Western. Dennoch lohnt sich die Lektüre, allein schon wegen der hellsichtigen Analyse. Denn wenn Niven den Tod von Ruth Bader Ginsburg – mit der Trumps Lager »die lang ersehnte Gelegenheit [bekam], den Supreme Court endgültig zu ihren Gunsten umzubesetzen« – vorhersagen kann, kann dieses Horror-Szenario nicht vollkommen abwegig sein.

2 Kommentare

  1. […] eines Franz Kafka trägt, im wahrsten Sinne des Wortes die Beschissenheit der Dinge unter Trump vor (hier die ausführliche Rezension). All jene, die hoffen, in Russos gut zwei Jahre vor der Trumpwahl verortetem Roman »Jenseits der […]

  2. […] Deutschlands. Souverän und wortgewaltig seine Übertragungen von Don DeLillo, George Saunders und Richard Ford, Raymond Queneau, Boris Vian oder Yasmina Reza. Nun hat er George Orwells »1984« neu übersetzt […]

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