Literatur, Roman

Ein wahrhaftiges Buch!

Für mich ist es äußerst überraschend, dass Eva Menasses neuer Roman nicht auf einer der großen Buchpreislisten des Herbsts auftaucht. Die 1970 in Wien geborene Wahlberlinerin erzählt in »Dunkelblum« meisterhaft von einem NS-Verbrechen und seinen Folgen, ohne zur moralischen Aufarbeitungsliteratur zu verkommen. Weil sie sich nicht auf das Sensationelle des Moments, sondern das andauernd Alltägliche stürzt und so die Lebenslügen einer ganzen Dorfgemeinschaft aufdeckt. Ein Gespräch über Nazigewalt, überlieferte Wahrheiten und die Lasten der Gegenwart.

Die Menschen in Dunkelblum haben immerzu ein Gespür, heißt es zu Beginn. Man könnte auch sagen, sie liegen auf der Lauer. Warum ist das so?
Das ist ein Kleinstadt-Phänomen. Man kennt sich und weiß viel von den anderen. Alle sind unter ständiger Beobachtung. Das ist zumindest das Realistische daran. Technisch gesehen musste der Roman so anfangen, um anzudeuten, dass es hier ein paar Geheimnisse gibt, denen nachzugehen sich lohnt.

Den Ort Dunkelblum habe ich als eine fiktionalisierte Variante der burgenländischen Kleinstadt Rechnitz gelesen, in der es in den letzten Kriegstagen zu einem Massaker an ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern kam. Was verbindet den Roman mit diesem Ort?
Die historische Recherche hat natürlich bei Rechnitz begonnen. Aber Rechnitz ist nur der spektakulärste Fall einer ganzen Reihe von solchen Ereignissen, die – und das hat mich elektrisiert – in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs im Burgenland und Niederösterreich stattgefunden haben. Es war eben nicht nur Rechnitz. Wir zählen heute zirka 124 Massaker in dieser Gegend. Alle reden immer über Rechnitz, weil dort das größte stattgefunden und man die Toten bis heute nicht gefunden hat. Aber in der ganzen Region ist etwas mit brutaler Gewalt ausgebrochen, als eigentlich schon alles zu Ende war. Das muss man sich mal vorstellen: man hört schon die Rote Armee, die Front rückt immer näher, und die Leute hatten nichts anderes zu tun, als noch ein paar Zwangsarbeiter zu massakrieren? Das ist einfach nicht sehr logisch. Und dann eben doch, wenn man die Ideologie des Dritten Reichs berücksichtigt. Hitler wollte ja, dass Deutschland mit ihm untergeht.

Also ist »Dunkelblum« kein Rechnitz-Roman?
»Dunkelblum« ist irgendwie schon ein Rechnitz-Roman, aber auch wieder nicht, weil Details der Massaker von Jennersdorf, von Deutsch Schützen und und und darin stecken. Deswegen ging es beim Schreiben dann auch schnell weg von Rechnitz. Ich habe die gesamte Landschaft fiktionalisiert, die Menschen, einfach alles. Und es ging mir darum, die ganze Zeitachse seither in den Blick zu nehmen. Denn nach so einem Verbrechen geht es ja trotzdem irgendwie weiter. Ich wollte wissen, wie die kleinen Leute nach einem solchen Gewaltausbruch weitergelebt haben – ganz unabhängig davon, ob sie sich selbst schuldig gemacht haben oder nicht. Beim Schreiben ist mir klar geworden, dass die heutigen Rechnitzer wahrscheinlich viel dafür geben würden, damit jemand endlich dieses Massengrab findet. Man kann Geschichte wohl nicht bewältigen – ein unglückliches Wort –, aber man muss sie zu irgendeinem menschlichen Abschluss bringen. Und das wäre in diesem Fall das Auffinden des Massengrabs. Dann käme dieser Ort zur Ruhe. Das echte Rechnitz steht in der Geschichte da wie ein Fanal. Wenn man wissen will, was passiert, wenn man nicht redet, immer nur schweigt, alles verbirgt und unter Teppich kehrt — dann ist es ein eindrückliches Beispiel.

Dieses jahrzehntelange Schweigen führt natürlich auch zu dieser enormen Fallhöhe. Da müssen erst ein paar junge Leute kommen, den jüdischen Friedhof freilegen und an anderen Schweigemauern kratzen, um Bewegung in die Sache zu bringen.
Die aber auch ganz schön selbstgerecht sind. Ich wollte auch zeigen, dass jeder immer einen individuellen Grund hat, warum er sich in einer Situation so oder so verhält. Und die Summe all dieser Reaktionen führt dann zu solchen Phänomenen. Dieses große Mobile war schon die Herausforderung beim Schreiben dieses Romans.

Eva Menasse | © Jörg Steinmetz

Dieses große Mobile fordert auch die Leser:innen. Sie gehen in ihrem Roman den verschiedenen Bewohnern und den großen und kleinen Geschichten dieses Ortes nach. Denen, die sich über Jahre gehalten haben und jenen, die verdrängt wurden. Da fließen Kriegsende und Fall der Mauer ebenso selbstverständlich ineinander wie globale Restitutionsforderungen, die Privatisierung der Wasserversorgung und persönliche Streitigkeiten. Ich muss zugeben, dass mir zwischenzeitlich etwas der Kopf schwindelte, um all das in den verschiedenen Zeiten zusammenzuhalten. Wie ging es Ihnen beim Schreiben?
Das Schreiben war in einer gewissen Weise wie Schachspielen gegen mich selbst. Ich habe doch meistens das Gefühl gehabt, alles unter Kontrolle zu haben, aber ab und zu musste ich lange überlegen, wie es am besten weiter geht. Ich hatte zu Beginn eine große Schreibkrise, weil ich nicht wusste, wie ich das aufbauen soll. Und komischerweise hatte ich am Ende erneut eine Blockade. Wie ein Pferd, das vor der letzten Hürde scheut. Bei den abschließenden Kapiteln musste ich intensiv darüber nachdenken, wie ich den Sack am besten zubinde.

Mit dunklen historischen Kapiteln haben Sie sich ja schon in Ihrem Debüt befasst, das Ihre Reportagen um den Prozess gegen Holocaustleugner David Irving versammelt. Was reizt Sie an der Arbeit mit historischen Stoffen und ihrer Fiktionalisierung?
Eben die Rätsel, die ich nicht ergründen kann. Ich mache alle das, weil ich etwas herausfinden will. Bei David Irving wollte ich verstehen, wie ein wirklich hochintelligenter Mensch auf so einen Trip kommt. Und ich glaube, verstanden zu haben, dass der das alles gar nicht glaubt. Ich bin relativ sicher, dass der nur ein diabolisches Spiel spielt. Er ist in meinen Augen eher eine Spielerfigur als ein echter Holocaustleugner. Aber natürlich ist meine Auseinandersetzung mit diesen Themen auch ein familiäres Erbe. Ich bekomme diese Geschichte nicht aus mir raus. Vielleicht arbeite ich da auch einen Familienauftrag ab, indem ich mich damit beschäftige.

Weil Sie so viel recherchiert haben, stellt sich mir die Frage, wie schwierig es war, sich von den historischen Fakten wieder zu lösen und eine eigenständige Geschichte zu schreiben, die für sich steht, ohne die Wahrheit zu verraten?
Das ist der größte Umstieg. Erst sauge ich mich voll wie ein Schwamm – ich hatte drei bis vier intensive Monate in der Staatsbibliothek, wie für eine große Prüfung – und musste es dann irgendwie wieder loswerden. Das war der Moment, als ich begann, diese Landschaft neu zu erfinden und zu benennen. Also Dunkelblum Dunkelblum zu nennen, Kirschenstein und Tellian. Ich habe mir sozusagen meine eigene Spielzeugwelt gebaut. Damit begann der Fiktionalisierungsprozess.

Den man bildlich ja im Bucheinband wiederfindet, wo sich eine Karte von Dunkelblum wiederfindet.
Ja genau. Man muss beim Romanschreiben sowieso Buch führen, und so habe ich relativ schnell Namenslisten mit Geburtsjahrgängen erstellt. Der Roman hat ja drei Zeitebenen: 1945, 1965 und 1989. Ich musste ja immer wissen, wie alt die Figuren in welchem Jahr waren. Und also zeichnete ich auch Karten. Ich habe ein dickes Heft mit Zeichnungen und Notizen, sonst hätte ich den Überblick verloren. Aber das ist Handwerk.

Eva Menasse: Dunkelblum. Kiepenheuer & Witsch 2021. 528 Seiten. 25,00 Euro. Hier bestellen

»Die ganze Wahrheit wird von allen Beteiligten gemeinsam gewusst. Deshalb kriegt man sie nachher nie mehr richtig zusammen. Denn von jenen, die ein Stück von ihr besessen haben, sind dann immer gleich ein paar schon tot. Oder sie lügen, oder sie haben ein schlechtes Gedächtnis.« Hat Literatur die Funktion, historische Wahrheiten und Gewissheiten zu erhalten – vor allem in einer Zeit, in der es kaum noch Zeitzeugen gibt?
Literatur hat immer dieselbe Funktion. Sie kann Geschichten erzählen, die Ambivalenzen haben und nicht mit einfachen moralischen Kategorien zu klären sind. All das, was mitschwingt, kann hier mitgeschrieben werden. Das kann zwar auch der Journalismus in seinen erzählenden Formen, aber die Geschichtswissenschaft kann das nicht. Die braucht das aber auch nicht, die will ja das Haltbare, die Fakten. Aber von dem, was passiert, warum Menschen so und nicht anders handeln oder warum einer genau in dem Moment lügt oder die Klappe hält – sozusagen der menschliche Aspekt an allen Taten – davon kann die Literatur am besten erzählen. Das Personal in »Dunkelblum« ist erfunden. Und trotzdem ist es hoffentlich ein wahrhaftiges Buch – nicht über Rechnitz, aber über Dunkelblum.

Wahrhaftig ist es vor allem den Figuren und Charakteren gegenüber. Und auch, wenn Sie vorhin betont haben, dass die jungen Leute im Roman recht selbstgerecht sind, hatte ich schon den Eindruck, dass Sie eine gewisse Hoffnung in sie setzen.
Hoffnung, nun ja… als Autorin bin ich eher die Chemikerin bei der Versuchsanordnung und beobachte die Prozesse. Alle Protagonisten haben eine eigene Agenda. Die jungen Leute kommen und legen den jüdischen Friedhof frei, aber ohne nach rechts und links zu schauen, im Bewusstsein ihrer moralischen Überlegenheit. Ohne sich dafür zu interessieren, was sie da auslösen. Natürlich ist die Sache selbst toll, aber wenn man einen vergessenen jüdischen Friedhof wieder öffnet, dann kann der – wie es dann ja geschieht – halt auch wieder geschändet werden. Ich mag das Ambivalente, die Grautöne dazwischen.

In einem Gespräch mit Carolin Emcke vor einigen Jahren in Berlin haben Sie gesagt, dass große Literatur in ihrer Mach- und Lesart nur aus Geheimnissen gemacht ist. Nun ist die Geschichte von Rechnitz allen bekannt. Wie schwierig war es für Sie, in dieser bekannten Geschichte ein Geheimnis zu finden, um das Sie den Roman herum konstruieren konnten?
Ich hoffe schon, dass »Dunkelblum« beim Lesen ein großes Geheimnis bietet. Und es bleiben ja auch Geheimnisse ungelüftet. Ich glaube, das Literatur Geheimnisse braucht. Ich selbst schätze Bücher, die mir, wenn ich fertig bin, noch etwas zum Nachdenken da lassen. Und so möchte ich Bücher schreiben, von denen man zumindest Lust hätte, sie ein zweites Mal zu lesen. Da muss es dann schon ein Geheimnis geben.

In dem Gespräch mit Emcke sagten Sie auch, dass Kunst in der Spalte zwischen Chaos und Kontrolle entsteht. Wie viel Chaos und wie viel Kontrolle brauchen Sie zum Schreiben?
Bei dem Roman war schon viel Chaos, weil ich nicht gewusst habe, wie ich die Geschichte erzählen und ordnen soll. Während die Netflix-Serien – manche davon bewundere ich! – schon am Reißbrett geplant werden, kann ich das leider nicht. Aber daraus entsteht vielleicht das atmosphärische Mehr, weil ich immer erst beim Schreiben merke, wo es weitergeht, wo ich reinschneiden kann und wie ich es machen muss. Aber ich mag auch die Kontrolle. Denn eigentlich bin ich pedantisch und ordentlich. Ich führe deshalb das Arbeitstagebuch, sowohl digital als auch handschriftlich. Aber das hilft eben nicht, wenn man sich morgens an den Schreibtisch setzt und nicht weiß, wie es weitergeht. Das Spiel ist im Kopf und da geht es immer hin und her. Wenn ich weiß, wie es weitergeht, dann ist es Handwerk und Kontrolle. Das Schwierige ist die Struktur und die beginnt immer in einem Chaos, dass man ordnen muss.

Hat Sie das Buch an der Stelle mehr gefordert als die vorherigen?
Das Buch hat mich schon mehr gefordert, aber es hat auch noch mehr Spaß gemacht. Und zwar immer dann, wenn ich etwas gelöst hatte. Es war die lustvollste Schreiberfahrung überhaupt. Aber vielleicht ist einem das letzte Buch automatisch besonders nah.

Ein Bewohner von Dunkelblum sagt zu Beginn des Romans: »Hier ist unser Land noch so, wie es jahrhundertelang war. Darauf können wir stolz sein.«
Das ist eine dieser sinnentleerten Floskeln, die die Leute so von sich geben, wenn der Tag lang ist. Dialoge sind mir wichtig, und ich versuche, die Leute so sprechen zu lassen, wie sie eben sprechen. Nur Österreicher werden wahrscheinlich merken, dass dabei auch verschiedene Gesellschaftsschichten abgebildet sind. Es gibt die ganz einfachen Leute, die einen sehr breiten Dialekt sprechen, und es gibt diejenigen, die ein bisschen gebildet sind. Die sprechen auch etwas anders.

Wie wichtig ist der Abstand – in diesem Fall zu Österreich und den dortigen gesellschaftspolitischen Verhältnissen – um einen solchen Roman zu schreiben?
Total wichtig. Ich könnte das in Österreich wahrscheinlich nicht. Würde ich dort leben, würde ich Romane über Südamerika schreiben. Also nicht, dass ich etwas von Südamerika weiß, aber ich brauche diesen Abstand. Von hier Österreichromane zu schreiben ist genau das Ausmaß von Österreich, das ich ertragen kann. Ich habe gerade beim Zurückkommen aus Österreich wieder gedacht, wie gern ich in Berlin lebe, obwohl einen diese Stadt auch wahnsinnig macht. Berlin ist eine der am schlechtesten verwalteten Großstädte von Westeuropa, und zwar unlösbar. Aber ich kann mir nicht mehr vorstellen, nach Österreich zurück zu kehren. Mir ist das Land irgendwie zu klein geworden und nur aus der Distanz kann ich so etwas wie Heimatgefühle in mir mobilisieren, die dann zu so einem Buch führen. Aber die Austriazismen, das Einzutauchen in die österreichische Sprache, hat mir riesigen Spaß gemacht.

Eva Menasse : Gedankenspiele über den Kompromiss. Literaturverlag Droschl 2020. 48 Seiten. 10,00 Euro. Hier bestellen

In ihrem Essay über den Kompromiss, der kürzlich bei Droschl erschienen ist, schreiben Sie, dass Sie den Eindruck haben, dass die liberalen Gesellschaften in den letzten Jahren – auch aufgrund der Digitalisierung – »an allen Enden des Spektrums kompromissloser geworden sind«. Wie kommt es, dass der Kompromiss so derart außer Mode gelangt ist?
Das hat mit dem Dogma der Personalisierung zu tun. Jeder akzeptiert nur noch, was für ihn gut ist. Und das führt dazu, dass das Gemeinschaftsgefühl in einem großen Ausmaß verloren gegangen ist. Niemand muss sich mehr anpassen, was zu einer gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsverwahrlosung, zu einem ausgeprägten Egoismus geführt hat, der natürlich jedem Kompromiss widerspricht. Wenn man der Welt nur noch personalisiert am Bildschirm begegnet, dann muss ich auch mit niemandem mehr Kompromisse schließen. Und dann kann ich jeden Fahrradfahrer, der zu nah an mir vorbeifährt, beschimpfen oder sogar vom Rad reißen. Diese Tendenzen von Aggression beobachten wir derzeit überall. Leif Randt hat in seinem Roman »Planet Magnon« schon vor Jahren imaginiert, dass eine künstliche Intelligenz das Internet abschaltet, weil es nicht gut für die Menschen ist. Das ist doch eine witzige Idee. Ich wäre wirklich gespannt, was passiert, wenn man auf der ganzen Welt eine Woche das Internet abschalten würde.

Sie fordern über das zu sprechen, was uns plagt. Was plagt Sie denn momentan als Autorin und Intellektuelle am meisten?
Diese Unversöhnlichkeit und das aufeinander Einbrüllen in unserer Gesellschaft. Auf Twitter schreien sich selbst hochintelligente Feuilletonisten gegenseitig an und versuchen, andere fertig zu machen. Die geistige Verrohung auf den vielen Kanälen macht mich fassungslos. Auch der Wahlkampf ist eine Zumutung. Am Ende haben wir mehr über Baerbock-Plagiate gesprochen als über den Klimawandel. Oder über die Verantwortung der CDU, dass wir nicht schon viel weiter sind beim Umbau zu klimaneutraler Technik. Darüber müsste man eigentlich sprechen, aber das findet nicht statt. Das ist alles ziemlich unerfreulich.

Unsachlich wird auch im Kulturbetrieb debattiert.
Das ist richtig. Die Aktion »Alles dicht machen« war für mich einer dieser Momente, wo ich mich gefragt habe, ob ich hier eigentlich noch richtig bin. Ich lebe gern in Deutschland, aber wenn eine breite Mehrheit nicht mehr versteht, was Satire ist und was sie will, dann fühle ich mich hier nicht wohl. Man muss die Satire ja nicht gut finden, aber der Vorwurf, Künstler seien schuld daran, dass andere sterben, weil Leute wegen der Satire vielleicht keine Masken mehr tragen, ist hysterisch. Diese Debatte ist völlig entglitten.

Es gibt ja inzwischen Publizisten, die wegen der Debattenkultur von Deutschland nach Österreich fliehen. Können Sie das nachvollziehen?
Sie meinen Matthias Politycki. Viel Spaß, kann ich da nur sagen. Ich freu mich schon auf seine Berichte aus dem gemütlich-rassistischen Alltag in Österreich. Die Lebensqualität ist in Österreich zwar sehr hoch, aber die Politik muss man schon aushalten. Österreich wird immer mehr zur Bananenrepublik. Was dort politisch abläuft, ist beschämend.

Da klingt ihre Distanz zu Österreich durch. Sehen Sie sich als in Wien geborene und in Berlin lebende Schriftstellerin eher als österreichische oder als Berliner Autorin?
Ich denke, Schreiben ist von der eigenen Lesebiographie beeinflusst, also den Texten, mit denen man aufgewachsen ist. Und da unterscheiden sich die Kinderbücher, mit denen meine Generation aufgewachsen ist, eklatant von denen der gleichaltrigen Deutschen. Heute ist es nicht mehr so, weil das kulturell über die Medien zusammengewachsen ist. Aber von dem, was ich gelesen habe und wo ich sprachlich herkomme, bin ich sicher eine österreichische Autorin. Und das bleibe ich auch.

Löst die Auszeichnung ihres Landsmannes Clemens J. Setz mit dem Büchner-Preis etwas in der österreichischen Autorin aus?
Ja, ich muss zugeben, dass es an dieser Stelle einen komischen kleinen Nationalstolz gibt – schreiben können wir eben gut, wir komischen Ösis. Beim Fußball habe ich den überhaupt nicht, da halte ich immer zu Deutschland. Aber die Auszeichnung von Clemens Setz mit dem Büchner-Preis hat mich schon sehr gefreut.

Auszüge aus diesem Interview sind bereits in der Freitag, 35/2021 erschienen.

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