Katy Derbyshire (51) übersetzt anders herum, also nicht ins Deutsche, sondern aus dem Deutschen ins Englische. Ihre englische Übersetzung von Clemens Meyers Roman »Im Stein« gewann 2018 den Straelener Übersetzerpreis und war für den International Booker Price nominiert. Bei Voland & Quist ist sie für die englischsprachige Reihe V&Q Books verantwortlich. Finanziell profitiert sie davon, dass Honorarverhandlungen im englischsprachigen Raum stärker standardisiert seien, erklärt sie im Interview.
Katy Derbyshire, was treibt Sie an, was motiviert Sie?
Tatsächlich das Übersetzen an sich. Ich genieße das ständige Lösen von Mikroproblemen, das Suchen nach dem passenden Wort oder Ton, das Überschreiben in meiner eigenen Sprache. Und dann noch die Nähe zum Text, das völlige Eintauchen in Bücher, die ich für hervorragend halte – inzwischen habe ich das Privileg, richtig gute Bücher zu übersetzen. Ich mache es hauptsächlich für mich, weil ich das Übersetzen liebe und die Miete zahlen muss. Aber nebenbei auch für andere: für eine englischsprachige Leserschaft, für meine Kolleg*innen, die die Kunst weiter vorantreiben.
Welche Idealvorstellungen zum Übersetzer:innenberuf hat sich bei Ihnen bestätigt oder wo wurden Sie eines Besseren belehrt?
Ich habe vor dem Literaturübersetzen als Fachübersetzerin gearbeitet und wusste, wie das Arbeiten an sich ausfallen würde. Neu waren die vielen, oft unbezahlten Aufgaben nach der Abgabe: Lektorat, Korrektorat, Hilfe mit Klappentexten und PR, Veranstaltungen und Lesereisen mit den Autor*innen – und manchmal die Tatsache, dass ich doch nicht mit eingeladen werde.
Übersetzungen von Katy Derbyshire ins Englische
Clemens Meyer: Bricks and Mortar, Fitzcarraldo Editions, 2018. Heike Geißler: Seasonal Associatem Semiotext(e), 2018. Olga Grjasnowa: City of Jasmine, Oneworld Publications, 2019. Birgit Weyhe: Madgermanes. Voland & Quist Books, 2021. Marcel Beyer: Putins Postbox, Voland & Quist Books, 2022.
Wie gut können Sie von der Übersetzungsarbeit leben beziehungsweise wie wichtig sind Nebeneinkommen durch Gutachten, Literaturvermittlung, Autor:innentätigkeiten sowie Lesungen und Moderationen?
Ich lebe von der Übersetzungsarbeit und verdiene besser als meine Kolleg*innen, die ins Deutsche übersetzen. Allerdings übersetze ich nicht ausschließlich Literatur, sondern nehme noch Fachtexte an, zum Beispiel für Museen und Gedenkstätten. Nebentätigkeiten wie Veranstaltungen, Beratungen, Gutachten werfen mich oft aus der Bahn – was manchmal eine positive Sache ist, denn immer nur am Schreibtisch sitzen strengt auch an. Sie sind aber nicht besonders ergiebig im finanziellen Sinn.
Wie weit sind Ihre Übersetzungshonorare von einem Ihrer Meinung nach fairen Honorar entfernt?
Im englischsprachigen Raum sind wir näher dran als hier. Honorarverhandlungen laufen relativ standardisiert – die britische Translators Association sammelt Daten darüber, wieviel Verlage bereit sind zu bezahlen, und veröffentlichen diese Information mit regelmäßigen Updates. So wissen beide Parteien im Voraus, wo die Verhandlungen anfangen. In letzter Zeit konnte ich ein paar Mal gute Beteiligungen zusätzlich zum Honorar aushandeln, was ich als eine Belohnung für die nachgelagerte Arbeit betrachte.
Was war das unverschämteste Angebot, das man Ihnen als Literaturübersetzerin gemacht hat?
Eine Autorin hat mir eine Maschinenübersetzung geschickt und mich gebeten, sie zu lektorieren – ohne mir zu erzählen, dass sie von KI erstellt worden ist. Tja, ich habe sie lektoriert, so gut es halt ging, aber die Autorin hätte eine viel bessere Übersetzung bekommen, hätte ich oder ein anderer denkender, fühlender Mensch daran gearbeitet. So erreicht sie vermutlich nicht ihr Ziel, eine US-Agentur zu bekommen, und sie hat nebenbei zum massiven Ressourcenverbrauch der KI-Systeme beigetragen – reine Verschwendung! Jetzt frage ich immer nach und lehne solche »Post-Editing«-Aufträge ab.
Wie steht es um Ihre Work-Life-Balance?
Gerade gut, Danke!
Wenn Sie einen Wunsch als Übersetzerin frei hätten, welcher wäre das?
Dass die UNESCO Literaturübersetzungen fördert, statt einzelne reiche Länder. Das würde dazu führen, dass mehr ins Englische übersetzt wird, aus mehr Sprachen ins Deutsche übersetzt wird – und dass wir alle fair honoriert werden. Und das wiederum würde dazu führen, dass ein breiteres Spektrum an Menschen in die Branche einsteigen könnte. Womit wir relativ schnell beim Weltfrieden landen, denn Fiktionen Lesen schafft Empathie.
Wenn Sie noch einmal von vorn anfangen könnten, würden Sie wieder Übersetzerin werden?
Oh Gott, ja! Wie viele Leute lieben ihre Arbeit so sehr wie ich? Das ist ein Geschenk!
Wie würden Sie die Lage Ihrer Branche beschreiben?
Immer angespannt, jetzt mit einer zusätzlichen Angst vor den Auswirkungen von KI.
Wie sehr sorgt Sie die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz?
Ich sehe, dass KI mir jetzt schon kleine Übersetzungsaufträge von Privatpersonen wegnimmt. Das ist zwar nicht existenzbedrohlich, denn Institutionen und Verlage verstehen schon, dass Menschen es besser können. Aber es schlägt eine Kerbe in die Übersetzungsbranche allgemein und wertet unsere Fähigkeiten ab.
Wie steht es um die Anerkennung bei Verlagen, den Kritiker:innen, dem Buchhandel und den Leser:innen?
In der englischsprachigen Welt: immer besser! Langsam schreiben viele Verlage unsere Namen prominent auf ihre Buchcover; wir haben mit dem International Booker Prize einen Literaturpreis, der die Übersetzenden auf gleicher Höhe mit den Schreibenden aufs Podest stellt; junge Leute lesen zunehmend übersetzte Bücher; ein paar Übersetzende bauen eine regelrechte Fangemeinde in den Social Media auf… Es geht voran.
[…] über die Runden? Das waren Fragen, die Teil eines Fragebogens waren, den ich Gesine Schröder, Katy Derbyshire, Milena Adam, Stefanie Ochel, Odile Kennel und Andreas Jandl zugeschickt […]