Autor: Michael Knoll

Die Toleranz, die keine ist

Didier Eribon hat mit »Rückkehr nach Reims« das Buch zur Stunde geschrieben. Er blickt darin auf das Leben seiner entfremdeten Eltern, die sich von den vereinigten Proletariern aller Länder ab- und den Rechtspopulisten zugewendet haben. Wer den gesellschaftlichen Rechtsruck in Europa verstehen will, findet hier wichtige Erklärungsansätze. Denn statt sich in die eigene Blase zurückzuziehen, braucht es eine Auseinandersetzung mit dem Leben der kleinen Leute.

For the Many, not the Few!

Der Linksintellektuelle Robert Bernard Reich hat mit »Rettet den Kapitalismus« ein hochaktuelles Buch verfasst, das durch seine ökonomische Analyse und seiner politischen Appellation im US-Wahlkampf eine wichtige Rolle hätte spielen können. Weil es das aber nicht tat, muss die Welt nun einen Umgang mit einem Präsidenten finden, der wider aller populistischen Ankündigungen das finanzpolitische Establishment hofiert. Wer glaubt, dass die Armenküchen in den USA unter Donald Trump weniger Zulauf haben werden, täuscht sich.

Out of the trap

Der Soziologe Claus Offe analysiert in seinem Essay »Europa in der Falle« schonungslos die Fehlentwicklungen der Europäischen Union in den letzten zwanzig Jahren. Den Kardinalfehler sieht er in der Einführung der Gemeinschaftswährung. Der Euro sei nicht wie erhofft zum Bindeglied zwischen den Staaten geworden, sondern habe einer Schutzgemeinschaft des Großkapitals zum Leben verholfen.

Argumente gegen die Religion des permanenten Wachstums

Die Geschichte des Kapitalismus sei eine Erfolgsstory, die wesentlich durch die Kritik an ihm möglich wurde, meint der Historiker Jürgen Kocka. Der Philosoph und Ökonom Stefan Mekiffer hält dagegen, dass der im Kapitalismus angelegte Wachstumszwang pathologisch sei und radikale Lösungen sinnvoll mache. Eine Diskussion der Frage, ob es eine grundlegende Revision des Systems oder eher Reformen im System braucht.

Berge, Meere und Giganten

Der britische Journalist Tim Marshall wirft in seinem neuen Buch einen erhellenden Blick auf »Die Macht der Geografie« im globalen Ringen um die Weltherrschaft. Allerdings macht die von Terrorgruppen und Milizen inszenierte asymmetrische Kriegsführung seinem Konzept ein Strich durch die Rechnung.

Sinnlichkeit statt Sinn

So bunt war die Nominierungsliste für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse schon lange nicht mehr. Von der Pferdestudie über die kulinarische Reise und die biografische Annäherung bis hin zur klimapolitischen Kampfschrift ist alles dabei. Alles in allem scheint bei der Auswahl eher die Flucht aus als die Konfrontation mit der Welt leitgebend gewesen zu sein. Für unseren Autor trotz einiger lohnenswerter Lektüren ein schlechtes Zeichen.

Linke, hört doch auf zu zweifeln!

Wer auch immer profitiert, wenn Kanzlerin Merkel die richtige Flüchtlingspolitik zum Verhängnis wird, das linke Lager wird es nicht sein. Was ist los mit jenen, die sich Gerechtigkeit und Solidarität auf die Fahnen schreiben? Albrecht von Lucke hat ein nachdenkliches Buch über das »Versagen der deutschen Linken« geschrieben.

Ein Leben zwischen Schmerz und Lust

Präsenz zeichnet diesen Menschen aus. Physische und intellektuelle Präsenz. Und Klarheit. Masse und Klarheit. Ein Kämpfer für die Menschrechte, weltweit. Drunter tut es ein Mann wie Wolfgang Kaleck nicht. Und Gott sei Dank tut er es für nichts Weniger. Der Versuch eines Porträts dieses Heimatlosen und Gehetzten anlässlich seines gerade erschienenen Buches »Mit Recht gegen die Macht«.

embedded intelligence oder: Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Granularität ist das Maß für die Feinkörnigkeit eines Systems. Man kennt diesen Begriff vor allem aus der Fotografie. Christoph Kucklick geht es in »Die granulare Gesellschaft. Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöst« aber nicht um die Körnigkeit eines Bildes, sondern um die Auflösung, um die Zerlegbarkeit des Individuums und der Gesellschaft durch das Digitale. Sein sensationelles Buch ist eine Erzählung des digitalen Sozialen, an der sich die an der Digitalisierung Interessierten abarbeiten müssen. Ein Standardwerk, ein Must-Read für die kommenden Jahre.