Film

Land der streunenden Hunde

2022 waren auch die polnischen Filmemacher Piotr Pawlus und Tomasz Wolski in der Ukraine mit der Kamera unterwegs. Für ihre Dokumentation »W Ukrainie« (Forum) sind sie im Frühsommer 2022 von Westen nach Osten durch die Ukraine gereist und haben die seltsame Normalität des Lebens im Krieg festgehalten. Sie zeigen Familien, die Ausflüge zu den ausgebrannten Wracks der russischen Panzer machen, auf denen sie ihre Kinder herumklettern lassen, halten die alltäglichen Schlangen an den öffentlichen Tafeln fest, wo sich Bedürftige und Familien mit dem Nötigsten versorgen können, sind dabei, wenn bei Luftalarm Menschen in die U-Bahnhöfe fliehen, wenn nachts der Strom ausfällt oder Zivilisten an der Waffe ausgebildet werden.

»W Ukrainie« von Piotr Pawlus, Tomasz Wolski | © Piotr Pawlus

Diesen Reigen aus nachrichtenähnlichen Bildern unterbrechen die beiden Polen immer wieder mit langen Einstellungen, die symbolische Anker in dieser Geschichte werfen. Ein Friedhof, auf dem ein Meer aus ukrainischen Fahnen weht. Hunde, die durch die zerbombten Siedlungen streunen. Wohnblöcke, die Spanplatten statt Fenster haben. Menschen, die leer dahin blicken, wo eine Zukunft liegen sollte.

Je länger dieser Film andauert, desto mehr fragt man sich, wie sehr der Krieg im Sommer 2022, als die ukrainischen Truppen einige Erfolge zu verzeichnen hatten, schon zur Folklore geworden war. Immer wieder sieht man Menschen, die vor dem zurückgelassenen Militärschrott der Russen Selfies machen, und Kinder, die vor den zerbombten Ruinen den bewaffneten Konflikt nachspielen.

»W Ukrainie« von Piotr Pawlus, Tomasz Wolski | © Piotr Pawlus

Und man fragt sich, was wohl aus den Kindern wird, die im Geist eines bewaffneten ukrainischen Nationalismus aufwachsen und schon mit fünf oder sechs Jahren wissen, wie eine Panzerfaust funktioniert? Wo verläuft die Grenze zwischen einem sich selbst verteidigenden Land, dessen Existenz infrage gestellt wird, und einem militanten Nationalismus, der einem Sorgen machen muss? Es sind Fragen wie diese, die dieser bedrückende Film aufwirft.

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4 Kommentare

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