Autor: Thomas Hummitzsch

Foto: Thomas Hummitzsch

Mit diesem Roman hat Serhij Zhadan die Leichtigkeit verloren

Serhij Zhadans Roman »Internat«, ein dreitägiger Roadtrip in den Krieg, hat den Preis der Leipziger Buchmesse 2018 in der Kategorie Übersetzung gewonnen. Am Tag nach der Preisverleihung durfte ich mit den Sabine Stöhr und Juri Durkot, den Übersetzer:innen von Zhadans Prosa, im Übersetzerzentrum der Leipziger Buchmesse über ihre Gefühlslage, die gemeinsame Arbeit an diesem atemlosen Roman sowie Zhadans kraftvolle Prosa und ihre Veränderung durch den Krieg im Osten der Ukraine sprechen.

Anamaria Vartolomei spielt Anne, die Protagonistin in »Das Ereignis« von Audrey Diwan | © 2021 PROKINO Filmverleih GmbH

Das Gewicht von Stricknadeln

Wie ist es, wenn man als Frau abtreiben will, aber nicht darf? Diese Frage steht hinter dem autobiografischen Roman »Das Ereignis« von Annie Ernaux. Die Verfilmung der 1980 geborenen Französin Audrey Diwan gewann im vergangenen Jahr in Venedig den Hauptpreis und kommt jetzt in die Kinos. Zum Kinostart lohnt sich die parallele Lektüre des Buchs, um zusätzliche Ebenen des Ereignisses zu erschließen.

Apples »Coda« hat bei den 94. Annual Academy Awards in Los Angeles einen historischen Oscar in der Kategorie Bester Film gewonnen. | Filmstill von Apple TV

Umwerfend empathisch, Oscargewinner »Coda«

Es sprachen am Ende zwar alle nur über Will Smith und seine Ohrfeige, die eigentliche Sensation der diesjährigen Oscar-Verleihung war aber der dreifache Oscar-Gewinner »Coda«. Das Remake der französischen Komödie »Verstehen sie die Béliers« ist ein mitreißender Musik-Film, der gehörlose Menschen aus der Anonymität holt und jede Distanz einreißt. Dieser Film macht im besten Sinne sprachlos.

Ein grauer Schleier

Die russische Künstlerin Olga Lawrentjewa hat einen eindrucksvollen Comic über die Verbrechen von Josef Stalin am eigenen Volk, die Belagerung von Leningrad und den langen Schatten des stalinistischen Terrors gezeichnet. »Surwilo« ist die Geschichte einer Überlebenden, ein Psychogramm Russlands und eine Liebeserklärung der Zeichnerin an die eigene Großmutter.

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Auserlesene ukrainische Literatur

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine richtet sich auch gegen die ukrainische Kultur und Identität. Das Lesen ukrainischer Literatur wird damit zum politischen Akt, der sich gegen diese Zerstörung wendet, und weitet den Blick auf die Ukraine, ihre Menschen und ihre Geschichte. Der Versuch einer unabgeschlossenen Liste der wichtigsten ukrainischen Autor:innen und ihrer zentralen Werke.

Ein dreifaches Hoch auf die Übersetzung

Die Wortkünstler:innen stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Preise der Leipziger Buchmesse. Der in Israel geborene Berliner Tomer Gardi erhält für »Eine Runde Sache« den Preis für den besten Roman. Die Lyrikerin Uljana Wolf wurde für das beste Sachbuch ausgezeichnet, die beste Übersetzung hat Anne Weber aus dem Französischen vorgelegt. In allen drei Büchern spielt die Übersetzungskunst eine zentrale Rolle.

Wegbereiterin des Comic-Feminismus

Die kanadische Comiczeichnerin Julie Doucet ist so etwas wie die freche weibliche Antwort auf Robert Crumb. Auf Europas größtem Comicevent, dem Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême, wurde Doucet jetzt für ihr »radikal feministisches« Werk, »das keinerlei Rücksicht auf Konventionen nimmt«, mit dem wichtigsten Preis der europäischen Comicwelt ausgezeichnet.

Mütterchen Russlands eiskalte Hand

Eigentlich wollte der sardische Comiczeichner Igort gerade mit seinem vierten Japan-Album »Kokoro« für Furore sorgen. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg, den Wladimir Putin in der Ukraine führt, rückt zwei ältere Alben von ihm aber in den Vordergrund.

Fatma Aydemir im Gespäch: Der Wahrheit näher kommen

Ein Mann will nach Jahrzehnten nach Istanbul zurückkehren, doch noch bevor die Wohnung eingerichtet ist, stirbt Hüseyin an einem Herzinfarkt. Seine Frau Eminem und seine Kinder Ümit, Sevda, Peri und Hakan müssen an den Bosporus, um den Vater zu beerdigen. Der Weg in die türkische Metropole ist auch einer in die eigene Vergangenheit. Fatma Aydemirs zweiter Roman »Dschinns« ist eine Hommage an die Generation ihres Großvaters und erzählt von Enttäuschungen, Brüchen und Verletzungen. Ein Gespräch über autobiografische Motive, vielfältige Lebensentwürfe und das Politische im Literarischen.