Jahr: 2015

Schule des Lebens für den Araber von morgen

Riad Sattouf, langjähriger Zeichner von »Charlie Hebdo«, gewann wenige Wochen nach dem Attentat auf die Redaktion des französischen Satiremagazins den wichtigsten europäischen Comicpreis. Der erste Teil der Erinnerungen an seine Kindheit im Nahen Osten »L’Arabe du futur« (dt. »Der Araber von morgen«) erhielt den großen Preis von Angoulême. Vor wenigen Wochen ist der zweite Teil in Frankreich erschienen, am Wochenende ist er in Berlin zu Gast.

Ulrich Matthes liest »Tschick«

Er ist einer von Deutschlands besten Schauspielern. Ob im Tatort oder auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin – wer Ulrich Matthes einmal gesehen hat, will das immer Wieder. Literaturinteressierten ist der Berliner aber nicht nur als Schauspieler, sondern auch als kongenialer Sprecher bekannt. Beim Sommerfest des Literarischen Kolloquiums Berlin las er aus Wolfgang Herrndorfs Bestseller »Tschick«.

Im Auftrag der Familie

An Don Winslow kommt man in diesem Büchersommer nicht vorbei. Gerade ist sein Roman »Das Kartell« als Fortsetzung des fulminanten Bestsellers »Tage der Toten« erschienen, parallel dazu sind die beiden ersten Bände der vierteiligen Miniserie um seinen Ermittler Neal Carey erschienen. Bis Oktober soll die Serie, mit der Winslows einzigartige Karriere als Krimiautor begann, abgeschlossen werden.

Sechs legendäre Schwestern

Nicht erst seit »Downton Abbey« boomt die völlig verkitschte Darstellung der englischen Upper Class der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dieser Trend fördert eine Nostalgiewelle, die England als »good old Blighty« feiert und zugleich für politisch rechte Propaganda instrumentalisiert wird. Susanne Kippenbergers Biografie »Das rote Schaf der Familie. Jessica Mitford und ihre Schwestern« zeigt nicht nur auf höchst unterhaltsame Weise, was biografisches Schreiben alles kann, sondern auch, dass damals wie heute die Gefahren des Faschismus nicht zu unterschätzen sind – weder in England noch in Deutschland.

Das Milliardengeschäft mit den Flüchtlingen

Auf die jüngste Flüchtlingstragödie im Mittelmeer hatten die europäischen Innenminister vor allem eine Antwort: die kriminellen Schlepperaktivitäten sollen stärker bekämpft werden. Was das genau heißt, darüber wird heftig gestritten. Um die Schleuser und deren Motive geht es dabei kaum, entsprechend eindimensional bleibt der Blick auf das Phänomen der Schleuserkriminalität.

Blut zwischen den Zähnen

Produziert von den Machern von »Oldboy« und »Snowpiercer« prangt auf der Hülle des südkoreanischen Hardboiled-Films »The Target«. Der Vergleich mit diesen Meisterwerken hinkt gewaltig, denn der Politthriller ist nicht mehr als ein einfallsloses Remake eines ordentlichen französischen Actionfilms.

Ein Versager, der abhebt

In Romanen wie »Handbuch für den russischen Debütanten« oder »Super Sad True Love Story« hat sich Gary Shteyngart immer wieder mit seiner Lebensgeschichte auseinandergesetzt. Eine echte Aufarbeitung der eigenen Biografie findet aber erst in den seinen Erinnerungen »Kleiner Versager« statt.

»Ich habe mal neunzig Leute mitgebracht«

Saša Stanišić löste mit seinem Uckermark-Epos Vor dem Fest, mit dem er im letzten Frühjahr den Leipziger Buchpreis gewann, einen wahren Hype auf die »Toskana des Nordens« aus, wie der Landstrich rund um Prenzlau auch liebevoll genannt wird. Beim »Wortgarten«-Festival am Wochenende führte Stanišić zum ersten Mal durch das Dorf, knapp einhundert Interessierte kamen. Das Protokoll einer Ortsbesichtigung.

embedded intelligence oder: Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Granularität ist das Maß für die Feinkörnigkeit eines Systems. Man kennt diesen Begriff vor allem aus der Fotografie. Christoph Kucklick geht es in »Die granulare Gesellschaft. Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöst« aber nicht um die Körnigkeit eines Bildes, sondern um die Auflösung, um die Zerlegbarkeit des Individuums und der Gesellschaft durch das Digitale. Sein sensationelles Buch ist eine Erzählung des digitalen Sozialen, an der sich die an der Digitalisierung Interessierten abarbeiten müssen. Ein Standardwerk, ein Must-Read für die kommenden Jahre.

Die Fragilität der Weltliteratur

Ein Mann muss aus seinem Haus ausziehen und weiß nicht, wohin mit seiner über 20.000 Titel umfassenden Bibliothek. Er beschließt, aus seinen Büchern ein Haus zu bauen. Er richtet sich inmitten von Weltliteratur ein. Als eine ehemalige Geliebte ein Buch zurückfordert, gerät die Wirklichkeit auf eine schiefe Bahn. Carlos María Domínguez’ Novelle »Das Papierhaus« ist ein Kleinod des magischen Realismus.

Die Venus als Wille und Vorstellung

Dietmar Dath schreibt mit Warp-Antrieb, der rasante Publikationsrhythmus seiner zwischen Wissenschaft, Informatik und politischer Ideenlehre verorteten Schriften macht das deutlich. Nun hat er mit »Venus siegt« einen radikalen Abgesang zu seiner universellen und werkübergreifenden Menschheitsgeschichte verfasst.

Weg vom Wasser oder: gemeinsam zurückfinden

Eine biblische Sintflut bedroht die Erde, doch zum Glück kennt der König der Tiere den Einsiedler Noah, der eine Arche gebaut hat, auf der für die meisten Platz ist. Doch alles kommt anders, oder: »Ooops! Die Arche ist weg«. Beim Wettlauf mit der Zeit überwinden die beiden zehnjährigen Tierjungen Finny und Leah ihre Vorurteile und werden Freunde.