Film

Vertrauter Unbekannter

Die digitale Berlinale läuft und die ersten Beiträge mit deutscher Beteiligung waren zu sehen. In Maria Schraders Satire »Ich bin dein Mensch« trifft eine erfolgreiche Wissenschaftlerin auf den Algorithmus ihrer Träume. In Anne Zohra Berracheds Drama »Die Welt wird eine andere sein« wirkt ein Vertrauter aus ganz anderen Gründen fremd.

Der erste von vier deutschen Wettbewerbsbeiträgen ist Maria Schraders Adaption einer SciFi-Erzählung unter dem Titel »Ich bin dein Mensch«. Maren Eggert gibt darin die erfolgreiche Altphilologin Alma, die an der Testreihe eines Tech-Unternehmens teilnimmt, das Cyborgs als Lebensbegleiter herstellt.

Tom ist eigens für sie auf der Grundlage ihrer Vorlieben sowie den Mindmaps von 17 Millionen anderen programmiert worden. Sein Algorithmus ist darauf ausgelegt, sie glücklich zu machen. Doch Alma ist schwer genervt von der permanenten Selbstbestätigung des humanoiden Roboters (eindrucksvoll von Dan Stevens gespielt), so dass sie ihn bald schon mit »Kannst Du nicht mal nicht so sein wie Du sein solltest« anblaffst. Denn der, der nach ihren Wünschen geformt ist, ist zu perfekt, um die nötige Reibung zu erzeugen, die Beziehung braucht.

Die Berliner Autorin Emma Braslavsky hatte dieses Thema in ihrem letzten Roman »Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten« behandelt. Eine ihrer Erzählungen bildet nun die Vorlage für den Film. Im Interview zum Roman sagte sie über willfährige Liebesandroiden: »Wenn Wünsche immer nur erfüllt werden, kann das ganz schön einsam machen.«

Maria Schrader, die zuletzt mit ihrer Literaturadaption von Deborah Feldmans »Unorthodox« (als Miniserie) enorm erfolgreich war, inszeniert die Begegnung von Mensch und Cyborg als unterhaltsame Satire. Teile des Films spielen im Pergamon-Museum – ein kaum zu übersehender Verweis auf die Anfänge der menschlichen Zivilisation. Und um nichts Geringeres geht es hier.

Eggert und Stevens – ergänzt von einer humanoiden Sandra Hüller als Vermittlerin – führen ins Absurde gleitende Grundsatzdebatten über den Sinn des Lebens, echte Gefühle und Moral. Deren Verläufe erfüllen zwar nicht jeden Anspruch eines lernenden Algorithmus, machen aber doch deutlich, dass Mensch nicht allzu viel Hoffnung in die Versprechungen der Maschinen setzen sollte.

»Die Welt wird eine andere sein« von Anne Zohra Berrached | © Christopher Aoun / Razor Film

Anne Zohra Berrached wirft in »Die Welt wird eine andere sein« einen völlig neuen Blick auf die Ereignisse rund um den 11. September 2011 wirft. Sie erzählt die Geschichte von Asli und Saeed, die sich auf einer Party kennenlernen. Saeed umgarnt Asli und beginnt schon bald, Pläne zu schmieden und von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Doch Saeed ist Araber, Asli türkisch – eine Kombination, die insbesondere die Mutter der jungen Medizinstudentin nicht begeistert. Dennoch wird Asli den jungen Flüchtling heiraten und mit ihm zusammenziehen.

Doch das Glück hält nur kurz, denn der lebenslustige Saeed verändert sich. Er beginnt, Dinge vor Asli zu verbergen und wird zunehmend radikaler, wenn es um den Islam und seine Dogmen geht. Eines Tages eröffnet er seiner Frau, dass er in den Yemen muss, aber niemand davon erfahren dürfe. Monatelang wird er verschwinden, ohne dass Asli auch nur ahnt, dass ihr Mann auf einem Weg ist, der in den Abgrund der Twin-Towers führen wird.

Als Saeed aus dem Yemen zurückkommt, weiß Asli nicht, wer da vor ihr steht. Kennt Sie diesen Mann, der ihr so vertraut erscheint? Weiß Sie, was ihn zu seiner Reise bewegt hat? Weiß Sie, was nun in ihm vorgeht? Kann man das jemals wissen? Fragen wie diese wirft der Film auf.

Berracheds eindrucksvolles Drama »24 Wochen« hinterließ im Wettbewerb der Berlinale 2016 einen starken Eindruck. Ihr neuer Film läuft im Panorama und beweist, dass die 38-jährige Absolventin der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen ein Händchen für persönliche Themen mit hoher politischer Brisanz hat.

Der Film beeindruckt nicht in seiner 9/11-Perspektive, die lange Zeit vage bleibt, sondern in der intimen Zeichnung ihrer zwei Hauptfiguren. Asli schwankt zwischen Auflehnung und Hoffnung, Emanzipation und Tradition, rebellischer Wut und ergebener Lähmung, während Saeed den Verführer und Traumtänzer gibt, der sich zum bornierten Radikalen wandelt. Die beiden jungen Schauspieler Canan Kir und Roger Azar, die »Die Welt ist eine andere« schultern, sind eine Entdeckung.

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