Erzählungen, Literatur, Roman

Climate Fiction: Alles wird nur noch verheerender

Climate Fiction ist die literarische Antwort auf den Klimawandel und dessen Folgen. Unter diesem Schlagwort suchen Autor:innen weltweit nach Wegen, über die Klimakatastrophe zu schreiben. Eine Erkundung eines entstehenden Genres – von Frank Schätzing über Maja Lunde bis zu Jens Liljestrand.

»Wir stehen am Scheideweg«, warnte kürzlich der renommierte Club of Rome, der schon 1972 in seiner Studie »Der Irrweg der Menschheit« vor dem Zusammenbruch der Systeme warnte. Nun legte der Zusammenschluss aus Expert:innen unterschiedlicher Disziplinen nach und forderte eine unmittelbare und radikale »Kehrtwende« der Wirtschafts-, Energie- und Nahrungsmittelsysteme, um den Klimakollaps zu verhindern.

Seit Jahren fliehen Menschen aus ihren Heimatländern, weil ihnen im Wortsinn das Wasser bis zum Hals steht oder sie auf dem Trockenen sitzen. Weil extreme Wetterlagen ganze Landschaften verändern und Lebensgrundlagen entziehen. All das ist bekannt, aber es fehlt an Empathie und Bereitschaft, Wissen in Handeln zu übersetzen. Wir steuern kollektiv auf den absehbaren Wahnsinn KLIMAWANDEL zu, weil Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft weitermachen (dürfen), als gäbe es kein Morgen.

Diejenigen, die vereinzelt versuchen, etwas dagegen zu tun, werden nicht nur als »Klimaterroristen« beschimpft, sondern auch wie Terroristen weggesperrt. Präventiv-, Beuge- und Isolationshaft gehören hierzulande zur Tagesordnung, wenn es darum geht, die meist linken und linksautonomen Klimaaktivist:innen – beispielsweise der Letzten Generation – aus dem Verkehr zu ziehen. Wo bleibt eigentlich der Aufschrei der liberalen Grundrechtler, wenn Innenministerin Nancy Faser erklärt, dass die Polizei ihre »vollste Unterstützung« habe, »wenn sie durchgreift gegen selbsternannte Klimaaktivisten«, weil sie angeblich »mit völlig inakzeptablen Aktionen andere Menschen in Gefahr bringen«? Es ist doch die Politik, die mit ihrer Tatenlosigkeit, ihrer entschlossenen Schonhaltung gegenüber der Wirtschaft und Industrie das Leben von allen in Gefahr bringen.

Noch ist das Gefasel von Klimaterroristen populistischer Unsinn. Dass klimapositiver Terrorismus in nicht allzu ferner Zukunft geradezu notwendig werden kann, beweist neben dem schwedischen Journalisten Andreas Malm auch Kim Stanley Robinson. In seinem aktuellen Roman »Das Ministerium der Zukunft« (2020*) bringt er in der Übersetzung von Paul Bär den Zustand der politischen Lethargie perfekt auf den Punkt bringt. »Es war leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus.« Ausbaden muss das in seinem Mitte der 2020er Jahre angesiedelten Roman zunächst der globale Süden. In Indien kommen bei einer Hitzewelle Millionen Menschen ums Leben, was das titelgebende UN-Ministerium auf den Plan ruft.

Fortan werden aus der Perspektive von drei Figuren mögliche Maßnahmen gegen den fortschreitenden Klimawandel diskutiert. Da ist zum einen die Leiterin des Zukunftsministeriums, die sich auf dem diplomatischen Parkett mit Kryptogeld und Blockchain-Technologie für das Überleben der Menschheit einsetzt. Ihr gegenüber steht ein Entwicklungshelfer, der sich infolge der Ereignisse in Indien der radikalen Klimabewegung zuwendet, die Anschläge auf die größten Klimasünder der Welt verübt. Und am Nordpol versucht ein Ingenieur, mit Mitteln des Geoengineerings das folgenschwere Abrutschen des Festlandeises ins Meer zu verhindern. Plausibel verbindet der amerikanische Science-Fiction-Autor wissenschaftliche Fakten, technologische Möglichkeiten, psychologische Motive und politische Handlungsoptionen, um globale Herausforderungen und kollektive Lösungsansätze aufzuzeigen.

Obwohl der menschgemachte Klimawandel aus den gesellschaftspolitischen Debatten nicht mehr wegzudenken ist, spielt er in der zeitgenössischen Literatur nur eine marginale Rolle. Dabei wären Fiktionen, die die abstrakte Bedrohung der Erderwärmung in glaubhafte und konkrete Geschichten überführen, wichtig, um endlich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit unserer Zeit zu treten und die emotionale Barriere zwischen Mensch und Natur abzubauen.

Natursensible Literatur wurzelt in der Tradition des Nature Writing und zieht sich von Henry David Thoreaus »Walden« (1854) über Tarjei Vesaas »Die Vögel« (1961) bis hin zu Marion Poschmanns »Kieferinseln« (2017) oder ihrem brandaktuellen Essay »Laubwerk« (2022). Von Climate Fiction ist erst seit ein paar Jahren die Rede. Der Begriff geht auf den Umweltaktivisten Dan Bloom zurück, der seinen postapokalyptischen Roman »Polar City Red« als CliFi (in Anlehnung an SciFi für Science Fiction) unter die Leute bringen wollte. Sein Buch blieb ein Ladenhüter, aber ein Genre war geboren. Seither wurde aus so manchem SciFi- ein CliFi-Roman. J. G. Ballards »Der Sturm aus dem Nichts« (1961), Frank Herberts »Dune« (1965), Octavia E. Butlers »Parabel vom Sämann« (1993) oder Margaret Atwoods »Oryx und Crake« (2003) gelten als Vertreter der Climate Fiction. Michael Crichtons Bestseller »Welt in Angst« (2004) wurde »zum erfolgreichsten Roman über die Klimakrise«, schreiben Samira El Ouassil und Friedemann Karig in ihrem lehrreichen Buch »Erzählende Affen«, weil die Story selbst den konservativen US-Präsidenten George W. Bush überzeugte.

Zum Kanon des Genres gehören zweifellos auch die Romane der norwegischen Autorin Maja Lunde. Ihr Klima-Quartett, von dem »Die Geschichte der Bienen« (2015), »Die Geschichte des Wassers« (2017) und »Die Letzten ihrer Art« (2019) vorliegen, ist das größte CliFi-Projekt der Gegenwart. Im kommenden Frühjahr erscheint mit »Der Traum von einem Baum« der Abschluss der Buchreihe. Der Auftakt des Quartetts handelt vom mysteriösen Sterben der Insekten und den fatalen Folgen und wurde zu einem veritablen Weltbestseller. Die Folgeromane konnten an den Erfolg nicht anschließen, widmen sich aber klassischen Themen der Klima- und Umweltdebatten. Es geht um Hitzewellen, Dürreperioden und Trinkwasserknappheit sowie um das Aussterben der Arten. In einem Gespräch erklärte sie dem Autor dieses Beitrags vor Jahren, dass es eine große Frage hinter dem Quartett gebe: »Kann der Mensch nur zerstören oder gibt es Hoffnung?«

Die Hoffnung kann man schon mal verlieren, wenn man sich in die internationale Climate Fiction vertieft: Katastrophen-Szenarien wohin man schaut. Auch bei Cormac McCarthys Pulitzer-Preis-Roman »Die Straße« (2006), der davon handelt, wie ein Vater mit seinem Sohn nach einer nicht näher beschriebenen Apokalypse durch ein eisiges Amerika reisen muss. Jesmyn Ward zeichnet in ihrem mit dem National Book Award ausgezeichneten Sozialdrama »Vor dem Sturm« (2013) eindrücklich die Herausforderungen des Klimawandels für arme Amerikaner:innen vor dem Hintergrund des nahenden Jahrhundert-Orkans Katrina. Beides sind Sozialdramen, die die Kulisse einer Klimakatastrophe nutzen, um Fragen des Miteinanders zu diskutieren.

Eines der jüngsten Beispiele eines solchen Katastrophenromans ist Jens Liljestrands »Der Anfang von Morgen« (2021). Darin erfährt der PR-Berater Didrik schneller als ihm lieb ist, wie sich der Klimawandel anfühlt. Er verbringt mit seiner Familie einen Sommer kurz nach der Pandemie am Siljansee im Herzen Schwedens, als es zu einer Katastrophe kommt. »Da hinten im Wald brennt es. Zeit, sich davonzumachen – jetzt sind wir auch Klimaflüchtlinge. Traurig, aber wahr. #climatechange« twittert er noch, bevor er sich ans Steuer seines Wagens setzt, um seine Frau Carola und seine Kinder Vilja, Zack und Becka aus der Gefahrenzone zu bringen. Doch der Wagen springt nicht an. Zu Fuß machen sie sich auf in den nächsten Ort, die Atemschutzmasken tief ins Gesicht gezogen, um von dort evakuiert zu werden. Die Hitze drückt, das Knacken des brennenden Waldes kommt näher, der in der Luft stehende Rauch brennt in der Lunge. Als sie endlich im Nachbarort ankommen, liegt dieser verwaist im Qualm. Mitten in dieser Katastrophe ist die Familie ganz auf sich allein gestellt.

Das apokalyptische Szenario, das der schwedische Kulturjournalist an den Anfang seines Roman stellt, ist alles andere als abwegig. 2018 erlebte Schweden die schlimmste Brandkatastrophe seit einhundert Jahren. Selbst aus dem Weltall konnte man die aufsteigenden Rauchsäulen sehen. Kurz danach begann eine gewisse Greta Thunberg mmit ihrem Klimastreik.

In vier Kapiteln erzählt Liljestrand den Klimawandel als menschliche Geschichte von Scham, Schmerz, Leid und Liebe. Er zeigt dabei, dass niemand von solchen Katastrophen verschont bleibt. Dabei ist jedes Kapitel aus der Ich-Perspektive einer seiner Hauptfiguren geschrieben. Familienvater Didrik hat mit seinen Gefühlen zu kämpfen und trifft Entscheidungen, die er schon bald bereuen wird. Eine junge Influencerin geißelt auf ihren Social-Media-Kanälen den Moralismus der Klimabewegung und ruft dazu auf, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Der Sohn einer Tennis-Legende führt mit seinem Vater moralische Debatten über Verantwortung und Nachhaltigkeit, während er an einer Geschichte des Leids in der Welt schreibt. Didriks älteste Tochter Vilja übernimmt als einzige Verantwortung und wächst dabei – wie vor ihr eine gewisse Greta Thunberg – über sich hinaus.

Wer sind wir? Und wie konnten wir so werden? Diesen Fragen geht Jens Liljestrand hier auf den Grund. Sein aufwühlender und von Thorsten Alms, Karoline Hippe, Franziska Hüther und Stefanie Werne kollektiv übersetzte Roman handelt von empfindsamen Menschen in einer ungemütlichen Gegenwart, in der der Klimawandel eher Auslöser als Zentrum der Ereignisse ist.

»Der Anfang von Morgen« ist deshalb auch eine interessanter Beleg dafür, dass CliFi gleichermaßen ereignis- wie motivgetrieben sein muss. Schließlich zeigt sie bestenfalls, wie sich das Leben der Menschen und die Menschen selbst durch klimabedingte Ereignisse verändert. Herausragende Beispiele dafür sind etwa der Pulitzer-Preis-Roman »Die Wurzeln des Lebens« (2018) sowie der Nachfolger »Erstaunen« (2021) von Richard Powers, in denen jeweils Menschen im Mittelpunkt stehen, die sich um den Zustand der Welt sorgen und entsprechend agieren. Ohne den Zeigefinger zu heben zeigt der Amerikaner, dass die menschliche Existenz gegen die Wand fährt, wenn wir dem Raubbau an der Natur nicht Einhalt gebieten. CliFi zeigt aber auch die menschlichen Abgründe, etwa in Jenny Offills Roman »Wetter« (2020), der in die Welt der US-amerikanischen Klimawandel-Leugner eintaucht und den verqueren Klima-Ideologien am rechten Rand nachgeht. Offills Roman beeindruckt, weil er in bewundernswerter Leichtigkeit dieses vage Gemisch aus Ignoranz, Verschwörung und Aggression zu greifen bekommt, das sich in den USA breit macht.

Um das noch weitgehend unbereitete Terrain der CliFi zu erkunden, wählen nicht wenige Autor:innen die Erzählung. Die aufregendste Publikation ist die von Francesco Verso herausgegebene, online frei verfügbare englischsprachige Anthologie »Meteotopia« (2022). Sie versammelt Kurzgeschichten von acht jungen SciFi-Autoren aus Botswana, Brasilien, Nigeria, dem Senegal, Mexiko, den Philippinen und Indien, die die Zukunft des globalen Südens und das Denken von den Rändern her zusammenführen, um über Klimagerechtigkeit und ökologische Perspektiven nachzudenken. Dabei werden Fragen zu Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, zu individueller und kollektiver Verantwortung, zu historischen (kolonialen) Lasten und der Souveränität marginalisierter Bevölkerungen diskutiert. Die Klimakriege, die bei uns noch als abstrakte Gefahr diskutiert werden, haben in diesen Erzählungen längst stattgefunden.

Wegweisend ist auch Lauren Groffs Erzählungsband »Florida« (2018), in dem sie in eindrucksvollen Bildern schildert, wie der Klimawandel das Leben einfacher Menschen verändert. Dabei gelingt der Amerikanerin die faszinierende Balance, die Natur gleichermaßen als bedrohlich und bedroht zu schildern. Das kann man auch T. C. Boyle attestieren, dessen früher CliFi-Roman »Ein Freund der Erde« (2000) in einem vom Treibhauseffekt drastisch veränderten Amerika 2025 spielt. In seinen Erzählungen »Sind wir nicht Menschen« (2017) aktualisiert er die Perspektiven und schreibt über Umweltkatastrophen, Artensterben und den Klimawandel. Sein im Frühjahr erscheinender Roman »Blue Skies« handelt laut Verlag davon, was passiert, wenn der Countdown zur Apokalypse läuft und »die Natur zurückbeißt.«

Der magisch-realistische Roman »Der Mann mit den Facettenaugen« (2011) des Umweltaktivisten Wu Ming-Yi, der als erster Taiwanese für den Booker-Prize nominiert war, wurzelt in der Welt indigener Küstenbewohner und beschreibt, wie deren Existenz in einer von Zerstörung begriffenen Natur unter die Räder gerät. Der Roman beginnt mit einem ohrenbetäubenden Seufzen eines Berges, das sich im Verlauf dieses fantastischen Romans zu einem Beben, einem Hochwasser und einem Tsunami ausweitet, der die Menschheit auf die Meere und dort auf eine gigantische Müllinsel treibt. Sie ist das literarische Mahnmal unserer Zeit, in der wir die Welt gegen die Wand fahren.

In der utopischen Welt der »Drei Sonnen« (2007) des chinesischen SciFi-Superstars Cixin Liu spielt der Klimawandel nur eine Nebenrolle, wenngleich er auch nicht wegzudiskutieren ist. Expliziter sind seine Stories in dem Band »Die wandernde Erde« (2008), in denen Wissenschaftler:innen mit Seifenblasen gegen Dürren und Wasserknappheit vorgehen oder gleich die Erde aus ihren Angeln gehoben wird, um eine neue Eiszeit zu verhindern. Das ist so bildgewaltig und überzeugend beschrieben, dass das gigantische Comicprojekt um Lius Werk mit zwei Adaptionen dieser Geschichten begann.

Eine vergleichbare klimatische Anti-Utopie unter umgekehrten Vorzeichen findet man in der deutschsprachigen Literatur vielleicht nur bei Juan S. Guse. Dessen Großroman »Miami Punk« (2019) ist in einem Miami angesiedelt, das von einer Wüste umgeben ist und mit Wassermangel zu kämpfen hat. Erzählt wird die Geschichte eines Gamers, dessen Spielerfahrung genauso immersiv sein soll wie die sich um ihn vollziehende Katastrophe. Und bald schon weiß man nicht mehr, ob man sich hier eigentlich in einer echten Klima-Dystopie oder in der virtuellen Welt eines Computerspiels befindet.


Ausstellung zu »Climate Fiction« im Züricher Strauhof

Wie würde sich mein Leben in einer durchschnittlich zwei Grad wärmeren Zukunft anfühlen? Die Ausstellung im Züricher Strauhof will die Bedingungen und komplexe Zusammenhänge des gerade erscheinenden Anthropozän sichtbar und fühlbar machen. Geschichten und Gedichte erzählen von Hitze, Wasser und Gletschern, von drastischen Veränderungen und vom schwindenden Vertrauen zwischen den Generationen. Aber auch von Verantwortung und von der Hoffnung auf eine bessere Welt. Kann die Literatur uns helfen, zu verstehen, zu akzeptieren, zu handeln?

https://strauhof.ch/ausstellungen/climate-fiction/


Die existenzielle Bedrohung des Menschen durch den Treibhauseffekt hat in Deutschland erstmals Frank Schätzing in seinem internationalen Bestseller »Der Schwarm« (2004) aufgegriffen. Der Roman bildet den Nukleus der deutschsprachigen CliFi. Er blieb viele Jahre ein Solitär. CliFi kam in den Nullerjahren wenn dann in der Unterhaltungsliteratur vor. Ilija Trojanow brach den Bann, als er mit »EisTau« (2011) einen Roman gegen die ideologische Leugnung der Klimaerwärmung schrieb. Darin erzählt er die Geschichte eines jungen Gletscherforschers, der Touristen auf Kreuzfahrten vergeblich versucht, die Faszination des Polareises und die Gefahr schmelzender Pole zu vermitteln. Da das ganze aber zu thesenhaft und plump daherkommt, fiel dieser Versuch, CliFi anders zu erzählen, bei der Kritik durch. In Karen Duves Politroman »Macht« (2016) geht es zwar im Kern um das Verhältnis von Männern und Frauen, die von ihr gezeichnete Zukunft ist aber von Stürmen und Hitzewellen geprägt, weshalb man selbst diesem Werk einen klima-politischen Einschlag attestieren kann.

Deutschsprachige Autor:innen taten sich mit CliFi weiter lange schwer, als würde der Zustand der Welt zu einer Krise der ­Imagination führen. Den Eindruck hatte auch das Literarische Zentrum Göttingen und veranstaltete im Jahr 2019 den Kongress »Vom Klima Schreiben«, um neue Narrative zu finden, die vom Wandel der Welt erzählen. Und siehe da, seitdem tut sich was. Im Schriftsteller*innenverband wurde die Gruppe »Writers 4 Future« gegründet und in Berlin das Climate Cultures Festival ins Leben gerufen.

Der Klimawandel schlägt sich aber auch zunehmend in den Werken deutscher, österreichischer und schweizerischer Autor:innen nieder. Helene Bukowski hat ihren Survivalroman »Milchzähne« (2019) in einer dystopischen Katastrophenkulisse angelegt. John von Düffel schlug in »Der brennende See« (2020) den Bogen zur Fridays-for-Future-Bewegung, während Sarah Raich mit ihrem Jugendroman »All that’s left« (2021) eine düstere Zukunftsvision für die Generation Greta geschrieben hat.

Bedrückend ist die Atmosphäre in Leona Stahlmanns Roman »Diese ganzen belanglosen Wunder« (2022), der von Hoffnungen und Wahlverwandtschaften in einer untergehenden Welt erzählt. Marie Gamillschegs für den Deutschen Buchpreis nominierter Roman »Aufruhr der Meerestiere« (2022) taucht wie Schätzings »Schwarm« ab und verhandelt vor dem Hintergrund der Erwärmung der Meere Fragen von Nähe und Distanz. In Lou Bihls Roman »Amazonah« (2022) wird der Hitze des Klimawandels die soziale Kälte der Gegenwart gegenüberstellt. Auch das ein Aspekt, der noch zu wenig beleuchtet ist in der deutschen Klima-Literatur, wenngleich die Aktivist:innen in Sibylle Bergs aktuellem Roman »RCE. #RemoteCodeExecution« (2022) durchaus auch klimapolitische Motive haben, wenn sie an ihrem Neuentwurf des Miteinanders schreiben, oder Ulla Hahn in ihrem Roman »Tage in Vitopia« die Hambi-Hambi-Romantik aus Eichhörnchen-Perspektive aufgreift, um deutlich zu machen, dass Mensch und Tier gemeinsam im sinkenden Boot sitzen.

Sucht man nach einem deutschsprachigen Roman, der den Klimawandel am besten zu fassen bekommt, landet man bei Roman Ehrlich und Philipp Weiss. Ehrlich nimmt in seinem für den Deutschen Buchpreis nominierten Ökothriller »Male« (2020) die Folgen einer Welt auf der Kippe sprachlich überzeugend in den Blick. Darin schlüpfen wir in die Haut einiger skurriler Figuren, die sich auf die Malediven gerettet haben, wo der steigende Meeresspiegel aus dem Paradies eine Hölle gemacht hat. Und während sie da sitzen und das Wasser langsam steigt, stellen sie nüchtern fest: »Diese große und vielleicht letzte Katastrophe ist aber kein einzelnes, apokalyptisches Ereignis, sondern eine langsam fortschreitende Konsequenz.« Besser kann man den Klimawandel kaum auf den Punkt bringen.

Der Österreicher Philipp Weiss hat in seinem fünfbändigen Romanprojekt »Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen« (2018) einen Band als Klimaroman verfasst. Die vielsagende Erzählung »Terrain Vague« handelt an der Oberfläche vom Verlust eines geliebten Menschen, eigentlich aber geht es um den Verlust der Koordinaten der Wirklichkeit und um die Suche nach Halt nach Fukushima. Die Klimaforscherin Chantal Blanchard – deren Notizbücher eine tragende Säule des Romanprojekts darstellen – sagt an einer Stelle. »Es wird nichts besser. Durch keinen noch so edlen Willen wurde je etwas besser. Im Gegenteil. Durch jedes Eingreifen wird alles nur noch verheerender. Es wird schlimmer. Unweigerlich. Es wird komplexer! Es wird gewaltsamer! Es wird grässlicher! Es gibt keine Heilsgeschichte, keinen Fortschritt, keinen privilegierten Standpunkt…« Weiss selbst erklärte mir im Gespräch über sein Mammutprojekt, dass wie »eine Antiaufklärung« erleben, »einen Angriff auf dieses Modell, eine Verdunkelung, die sich sehr deutlich etwa im Klimaskeptizismus manifestiert.« Mit seinem kühnen Romanprojekt setzt er dieser Verdunklung fünf in vielfacher Hinsicht avantgardistische Texte entgegen.

CliFi ist inzwischen sogar derart sexy, dass sich Unternehmer plötzlich als Romanautoren versuchen. »Der neunte Arm des Oktopus« von Drogerie-Mogul Dirk Rossmann (2020) oder »Die Welt kippt« (2022) von Lichtblick-Gründer Heiko von Tschischwitz gehören in die Sparte der auf Effekt geschriebenen Unterhaltungsliteratur, Erkenntnis liefern sie nur bedingt. Bei Rossmann rettet ausgerechnet eine Koalition aus China, Russland und USA die Welt – klar, alle müssen mitmachen –, bei von Tschischwitz basteln eine Investorin und die Supermacht China an der Rettung der Welt durch Geoengeneering – die Technik allein wird uns nicht erlösen. Ein weiterer, der auf den Klimazug aufgesprungen ist, ist der Soziologe und Thrillerautor Thore D. Hansen, der sich bislang mit Phänomenen wie Spionage, Finanzmarkt und internationalen politischen Verwicklungen befasst hat. In seinem neuesten Buch »Taupunkt« (2022) lähmt laut Ankündigung eine unerträgliche Hitzewelle Europa und »bedroht Tausende Menschen mit dem Hitzetod. Der Wissenschaftler Tom Bayer hatte vor Klimawandel-Szenarien wie dieser vergebens gewarnt.« Angesichts ihrer Aktualität haben auch diese Romane prominente Fürsprecher (oder teuer bezahlte Kampagnen), aber der Literaturwissenschaftler Moritz Baßler kritisiert in seinem aktuellen Buch nicht umsonst den »populären Realismus« (2022) in der Literatur, der gesellschaftlich relevante Themen zwar aufgreift, dabei aber kein Neuland betritt.

Neuland wäre dringend nötig, nicht nur, um die komplexen Zusammenhänge des Klimawandels in greifbare Geschichten zu übersetzen, sondern auch, um die eigentlichen Gefährder von Menschenleben zu identifizieren. Denn nicht diejenigen, die Baumhäuser im Hambacher Forst bauen, sich auf Straßen und an Kunstwerke kleben oder anders zivilen Ungehorsam üben, um uns wachzurütteln sind die Gefahr, sondern jene, die auf Kosten der Umwelt und unserer Zukunft gigantische Profite einstreichen. Dies in erhellende Geschichten zu packen, die die Widersprüche unserer Existenz beleuchten, ist dringend nötig.

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Gute CliFi macht verständlich, was mit der Welt und uns passiert. Sie deckt die Mechanismen auf, die dazu führen, dass die Welt nichts mehr zusammenhält. Sie nimmt in den Bann, öffnet die Augen und macht in ihrer bloßen Existenz Hoffnung, ohne zu verklären. Und dann geht es uns im besten Fall wie der Ich-Erzählerin in Lauren Groffs Erzählung »Geister und Leerstände«. Da heißt es in der eleganten Übersetzung von Stefanie Jacobs: »Tagsüber, wenn meine Söhne in der Schule sind, verschlinge ich wie eine Besessene alles über die Katastrophen der Welt, die Gletscher, die sterben wie lebende Wesen, den Großen Pazifikmüllfleck und das hundertfache, nicht protokollierte Artensterben – Jahrtausende, einfach so ausgelöscht, als wären sie nichts wert. Von unbändiger Trauer erfüllt, lese ich, als könnte Lesen dieser Trauer irgendwie den Rachen stopfen, statt ihre Gier zu befeuern, denn genau das passiert.«

* Die angegeben Erscheinungsjahre beziehen sich auf die Original-Ausgaben der genannten Romane, nicht auf die deutschen Übersetzungen!

5 Kommentare

  1. […] zuletzt haben die Katastrophenromane »Das Ministerium der Zukunft« von Kim Stanley Robinson und »Der Anfang von Morgen« von Jens Liljestrand für Aufsehen gesorgt. Boyles neuer Roman unterscheidet sich von Pageturnern wie diesen weder im […]

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