Comic

Dickes Ding oder: Pussy Galore

Die beiden Designerinnen Rasa Weber und Flore de Crombrugghe haben eine ebenso unterhaltsame wie fundierte Phänomenologie des menschlichen Genitals in Wort und Bild verfasst. »333 saftige Papayas« ist ein kreatives Aufklärungs- und Nachschlagewerk, das in keinem Haushalt und schon gar nicht im Sexualkunde-Unterricht fehlen sollte.

Frage: Wie unterhaltsam kann Aufklärung sein? Antwort Rasa Weber & Flore de Crombrugghe: Ja. Ja. Und Ja. Bei ihrem illustrierten und zugegebenermaßen »unvollständigen Kompendium der dicken Dinger« handelt es sich um eine überfällige Phänomenologie des menschlichen Genitalbereichs, von A wie Aal über P wie Papaya bis Z wie Zungenbrecher.

Rasa Weber, Flore de Crombugghe: 333 saftige Papayas. März-Verlag 2024. 368 Seiten. 26,00 Euro. Hier bestellen https://www.maerzverlag.de/shop/buecher/sachbuch/333-saftige-papayas/
Rasa Weber, Flore de Crombugghe: 333 saftige Papayas. März-Verlag 2024. 368 Seiten. 26,00 Euro. Hier bestellen.

Es handelt sich dabei aber um viel mehr als ein Synonymwörterbuch der weiblichen und männlichen Genitalien. »333 Papayas« ist eine Kulturgeschichte der Sexualität und sexuellen Gesundheit, die nicht nur offensichtliche, skurrile und abseitige Geschichten versammelt, sondern diese auch noch augenzwinkernd ins Bild zu setzen versteht.

Man liest gebannt in diesem fast 400 Seiten umfassenden Nachschlagewerk, lacht befreit auf und lernt dabei noch unheimlich viel. Zum Beispiel, dass Medizinstudierende mit Papayas den Eingriff für eine Abtreibung üben, weil die Papaya der menschlichen Gebärmutter ähnelt. Oder das die mexikanische Minigurke nur fälschlicherweise als natürliche Vorlage für Yoni-Eier gehandelt wird. Deren Ursprung ist nicht in Mexiko zu suchen, sondern in China und Japan.

Munter assoziierend springen die niedersächsische Autorin und ihre belgische Co-Autorin durch die Menschheitsgeschichte, um Anekdoten für ihr Wörterbuch zur Bezeichnung der Genitalien zu sammeln. Dessen Existenz ist mehr als gerechtfertigt, wenn sogar, wie man hier erfährt, der feministischen Electroclash-Göttin Peaches die Worte für »das da unten« fehlen.

Die Sprachlosigkeit angesichts unserer Geschlechtsteile ist weithin bekannt. Kaum jemand, der nicht herumdruckst oder peinlich berührt über Wörter wie Schwanz oder Pussy hinwegnuschelt, wenn es darum geht, über das »Baguette magique« oder den »Lady Boner«, über die »Feige«, die »Orchidee« oder den »Ursprung der Welt« zu sprechen. Der Band »333 saftige Papayas« macht solche Alternativen zugängig und erschließt sie für den Alltagsgebrauch. Rasa Weber findet genau den richtigen Zungenschlag dafür. Ihre Texte sind locker, juicy und geschlechtsoffen, zugleich nie fahrlässig, albern oder trivial.

Gleiches gilt für die feucht-fröhlich-provokanten Illustrationen von Flore de Crombugghe, die weitere Bedeutungsebenen über die offensichtliche hinaus erschließen. Beim begeisterten Blättern durch dieses augenzwinkernde und an seinen Rändern ausufernde Wunderwerk fühlt man sich an queerfemistisch-affirmative Comics erinnert. Liv Strömquists Kulturgeschichten tauchen vor dem inneren Auge ebenso auf wie Ulli Lusts sexpositive Comicgeschichten oder Julie Doucets punkiger Feminismus.

Wie fundiert dieser lehrreiche Band ist, beweisen fast 400 Fußnoten, die die Quellen für dieses bunte Sammelsurium. Dieser eindrucksvolle »Big Bounce«-Brockhaus erkundet »affirmativ, hoch-unwissenschaftlich und spielerisch«, wie die Macherinnen einräumen, das Bermudadreieck der Genitalien. Das für Teenager, junge und ältere Erwachsene gleichermaßen geeignete Aufklärungsbuch bringt Licht ins Dunkel des Schamhaarwaldes und erschließt unzählige Fun-Facts rund ums Thema Sexualität.