Literatur, Roman

Buchpreis-Longlist: Viele Favoriten, wenig Indies

Die Longlist des Deutschen Buchpreis 2025 stellt dessen Geschichte nach. Von den zwanzig bislang ausgezeichneten Romanen sind vier in einem unabhängigen Verlag erschienen. Exakt vier Indie-Titel haben es auch unter die zwanzig für den »Roman des Jahres« nominierten Werke geschafft. Um den konkurrieren in diesem Jahr die aktuellen Romane von Annett Gröschner, Jonas Lüscher, Thomas Melle oder Nava Ebrahimi.

Es sind viele erwartbare Namen unter den zwanzig nominierten Autor:innen auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Jonas Lüscher (mit »Verzauberte Vorbestimmung«), Dmitrij Kapitelman (mit »Russische Spezialitäten«), Annett Gröschner (mit »Schwebende Lasten«) und Christine Wunnicke (mit »Wachs«) hätten sich einige schon beim Preis der Leipziger Buchmesse (zu dessen Jury der Autor gehört) nominiert gewünscht. Ihre Romane wurden im Frühjahr bereits viel diskutiert.

Die nominierten Titel der Bachmann-Preisträger:innen Nava Ebrahimi (»Und Federn überall«) und Peter Wawerzinek (»Rom sehen und nicht sterben«) sowie von Dorothee Elmiger (»Die Holländerinnen«), Thomas Melle (»Haus zur Sonne«) und Feridun Zaimoglu (»Sohn ohne Vater«) gehören zu den meist erwarteten des Herbstes. Ihre Romane können gemeinsam mit den zuvor genannten als Favoriten für die Shortlist gelten, die am 16. September bekannt gegeben wird.

Die Longlist für den Deutschen Buchpreis 2025

Bis dahin wird sich die Jury aber auch noch einmal genau die anderen Titel ansehen, die sie auf die Liste für den Roman des Jahres gehoben hat. Zehn davon sind aus dem Frühjahr, zehn aus den aktuellen herbstprogrammen. Bereits im Frühjahr erschienen sind etwa die Debütromane »Lebensversicherung« von Kathrin Bach, »Das Schwarz an den Händen meines Vaters« von Lena Schätte und »Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft« von Fiona Sironic, drei Familienromane, die ungewöhnliche Perspektiven einnehmen. Darüber hinaus befinden sich drei weitere Debüts aus dem Herbst auf der Liste, die sprachlich aufhorchen lassen: der Erinnerungsroman »ë« von Jehona Kicaj und die Familienromane »Blinde Geister» von Lina Schwenk sowie »Im Herzen der Katze» von Jina Khayyer.

Gespannt darf man auch auf Marco Dinics historischem Roman »Buch der Gesichter» sein, dem mit 464 Seiten voluminösesten Titel auf der Liste. Ein solches Schwergewicht wie Clemens Meyers »Die Projektoren« sucht man vergeblich auf der Liste. Dass das größenwahnsinnigste Projekt des Bücherherbsts, Peter Waterhouse‘ knapp 1.600 Seiten zählendes Romanwerk »Z Ypsilon X« nicht berücksichtigt wird, konnte man sich schon denken. Aber Christoph Heins DDR-Roman »Das Narrenschiff» wäre ein durchaus geeigneter Kandidat für die Longlist gewesen, wie auch Dietmar Daths hochfliegender SciFi-Schlüsselroman »Skyrmionen oder: A fucking Army«. Aber dicke Bücher verkaufen sich einfach schwerer. Der Buchhandel mag das handliche Format. Das spiegelt auch die Liste wieder, im Schnitt umfassen die zwanzig nominierten Titel 256 Seiten.

Die Schwergewichte der Saison

Die Jury konnte sich auch für andere Titel arrivierter Autoren nicht erwärmen. Die Abschiedsromane von Leif Randt (»Let’s talk about feelings«) und Eva Schmidt (»Neben Fremden«) haben es ebenso wenig auf die Liste geschafft wie der vorletzte Teil von Andreas Maiers vorletzter Wetterau-Band »Der Teufel«.

Man vermisst auch den einen oder anderen sprachlich außergewöhnlichen Debütroman einiger Lyriker:innen, etwa »Hundesohn« von Ozan Zakariya Keskinkılıç, »Wo der Name wohnt« von Ricarda Messner oder Nora Gomringers Nachrough »Am Meerschwein übt das Kind den Tod«.

Auch Anja Kampmanns neuen bildgewaltigen Roman »Die Wut ist ein heller Stern«, Kaśka Brylas Zweitling »mein vater, der gulag, die krähe und ich», Usama Al Shahmanis hochaktuellen Nahost-Roman »In der Tigris schläft ein Lied« oder Karsten Krampitz lang erwarteten neuen Prekariats-Roman »Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung« sucht man vergeblich.

Aber gut, es fehlen immer Titel zugunsten anderer Bücher, mit denen man nicht gerechnet hat. Meist kommen diese aus kleinen unabhängigen Verlagen. Das ist hier aber kaum der Fall. Einmal mehr zieht der Deutsche Buchpreis sein Kostüm als Buchhandelspreis an und nominiert vor allem Titel der großen Publikumsverlage.

Nicht für den Buchpreis nominiert

Das Münchener Verlagshaus Hanser kann sich mit all seinen Imprints gleich über fünf Nominierungen freuen, das ist ein Viertel aller nominierten Titel und einer mehr als alle Indies zusammen. Dass die Jury eine solch eindeutige Gewichtung zugunsten eines ohne Zweifel serh guten Verlags trifft, ist angesichts von 200 Einreichungen durch 124 Verlage schon erstaunlich. Mit Abstand folgen die Verlage Kiepenheuer & Witsch sowie C.H. Beck mit je zwei Titeln, Rowohlt, S. Fischer, Suhrkamp, Ullstein, Penguin, Luchterhand und Harper Collins haben es jeweils mit einem Titel auf die Liste geschafft. Die edition Azur bei Voland & Quist, der Berenberg Verlag sowie der Residenz- und der Wallstein-Verlag repräsentieren die unabhängigen Verlage.

Diese Disbalance zwischen Konzern- und Großverlagen einerseits und den unabhängigen Verlagen andererseits fällt nicht ganz so extrem wie im Vorjahr aus, einen faden Beigeschmack hinterlässt sie angesichts einer Branche unter Druck dennoch. Die Vielfalt des deutschen Buchmarkts ist ganz wesentlich dem Wagemut und der Entschlossenheit der Indies zu verdanken, die viele Autor:innen entdecken, die später zu größeren Verlagen wechseln.

Im schlimmsten Fall ist die erneut geringe Berücksichtigung der Indies ein Zeichen, dass schlichtweg die Titel fehlen. Ein Blick auf die Hotlist der unabhängigen Verlage aber zeigt, dass bei den Indies immer noch einiges zu holen ist. Man würde sich wünschen, dass sie beim Deutschen Buchpreis stärker Berücksichtigung fänden.

Völlig abwegig ist das dennoch nicht, schon im letzten Jahr hatte die Jury der Hotlist der unabhängigen Verlage vor dem Aussterben der Indies gewarnt. »Viele Verlage kürzen aus finanziellen Gründen still ihre Programme, setzen sie aus oder stellen die Verlagstätigkeit ganz ein.« Die Gründe dafür sind vielfältig, ein zentraler ist das Fehlen einer strukturellen Förderung der unabhängigen Verlage.

Persönliche Favoriten für die Shortlist

Meine persönlichen Favoriten für die Shortlist wären aus der getroffenen Auswahl die Romane von Annett Gröschner, Thomas Melle, Nava Ebrahimi, Marko Dinic, Dorothee Elmiger und Jehona Kicaj. Eine Auswahl an ästhetisch unterschiedlichen Herangehensweisen, Genreentscheidungen und Stimmen, die in ihrer Variabilität Lust aufs Lesen machen. Aber jede Jury hat ihre eigenen Gesetze, man darf gespannt sein, welche Entscheidung hier bis zum 16. September getroffen wird.

Insgesamt wurden in diesem Jahr 200 Romane von 124 Verlagen eingereicht. Am 16. September wird die Jury die Shortlist mit den sechs Titeln bekannt geben, die um den Titel »Roman des Jahres» konkurrieren. Der Nachfolger von Martina Hefters »Hey guten Morgen, wie geht es Dir?« und Tonio Schachingers »Echtzeitalter« wird am 13. Oktober zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse gekürt.

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