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Der Treibstoff der schwarzen Vernunft

»Colored« drinking fountain from mid-20th century with african-american drinking | wikimedia commons

Bei Coates klingt das folgendermaßen: »Du darfst nicht vergessen, wie viel sie dir genommen haben und wie sie unsere Körper in Zucker umwandelten, in Tabak, Baumwolle und Gold.« So schreibt er es seinem Sohn und schließt sich damit der Theorie des nigerianischen Politikwissenschaftlers Achille Mbembe an, der den Siegeszug des globalen Kapitalismus auf dem ihn innewohnenden Rassismus attestiert, den er als »schwarze Vernunft« bezeichnet. Zentral ist in Mbembes Theorie der Begriff des »Negers« (sic!), mit dem der Mensch enthumanisiert wird. Der Mensch wird zum Werkzeug und zur Ware des kapitalistischen Systems und als solche zum Besitz seines Herrn.

Achill Mbembe: Kritik der schwarzen Vernunft. Aus dem Französischen von Michael Bischoff. Suhrkamp Verlag 2014. 332 Seiten. 28,- Euro.
Achille Mbembe: Kritik der schwarzen Vernunft. Aus dem Französischen von Michael Bischoff. Suhrkamp Verlag 2014. 332 Seiten. 28,- Euro.

Die Nähe von Mbembe und Coates wird deutlich, vergleicht man ihre Einordnung des schwarzen Menschen in den Kapitalismus. Coates sieht in den Schwarzen »Menschen, die für die Maschine Amerika in Treibstoff verwandelt wurden«, Mbembe spricht hier vom »Erz«, dem Rohstoff, der den Ofen der kapitalistischen Brennfabrik anheizt. »Außerhalb dieser Dialektik des Besitzens, der Gehörens und der Formung gibt es keinen Neger als solchen«, schreibt der nigerianische Theoretiker in seiner Kritik der schwarzen Vernunft. »Die Erfahrung der Knechtschaft machen heißt, mit Gewalt in die Zone der Unterschiedslosigkeit zwischen Mensch und Tier gestoßen zu werden, an jene Orte, an denen man das menschliche Leben von der Stellung des Tiers aus betrachtet«.

Es geht Mbembe vor allem darum, den Begriff »Neger« klar zu umreißen, nicht jedoch, ihn als politisch sinnvollen Terminus salonfähig zu machen. Das muss man betonen, führt doch die Lektüre seines Buches dazu, dass einem das N-Wort allzu schnell über die Lippen zu kommen droht. Mbembe, ein Theoretiker des Postkolonialismus, verwendet es insbesondere auf den letzten einhundert Seiten gefühlt auf jeder einzelnen.

Ziel der klaren Definition des Begriffs ist das Anerkennen der »schwarzen Vernunft« für die Bildung eines gemeinsamen Bewusstseins. Um den Weg für Restitution und Reparation zur Herstellung einer universellen Gerechtigkeit zu ebnen. »Die beiden Konzepte der Restitution und der Reparation basieren auf dem Gedanken, wonach es einen unveräußerlichen Aspekt des Menschseins gibt, an dem jede menschliche Person teilhat.«

Dieses Denken zielt auf die Bloßstellung des globalen Rassismus, bedient sich aber auch des Rassenbegriffs – das macht es so sperrig und unbequem. Und auch wenn Coates an einer Stelle schreibt, dass einer seiner Irrtümer gewesen sei, die »Fabrikation von Rasse« als Notwendigkeit des Diskurses akzeptiert zu haben, muss er sich dieser Kategorie immer wieder bedienen, weil ihre Existenz seine Wirklichkeit prägt. »Sie haben aus uns eine Rasse gemacht. Wir haben aus uns ein Volk gemacht. Hier im Mekka, im Schmerz der Ausgrenzung, haben wie uns ein Zuhause geschaffen«, schreibt er an seinen Sohn. Im Mekka stößt er auch auf die rassistisch fundierte Kritik Saul Bellows, der die Vorherrschaft der Weißen in die Frage »Wer ist der Tolstoi der Zulus?« packte. Coates fand die Antwort in der Bibliothek der Howard, in Werken, die sich mit den antiken Kulturen Afrikas auseinandersetzten, mit den Opern der alten Stämme, der geheimen Algebra, den schmuckvolle Pyramiden, riesigen Statuen und breiten Straßen.

11 Kommentare

  1. […] der Shortlist für den Man Booker Prize, Shortlist für den National Book Award und gewann neben Ta-Nehisi Coates Zwischen mir und der Welt 2015 den hoch dotierten Kirkus Prize. Dennoch wurde kaum ein Buch in den USA derart kontrovers […]

  2. […] amerikanische Journalist und Essayist Ta-Nehisi Coates ist spätestens seit seinem bahnbrechenden Essay »Zwischen mir und der Welt« einer der profiliertesten Kritiker des US-amerikanischen Rassismus. In dem als Brief verfassten […]

  3. […] weißen Rassisten, dem der Teenager »verdächtig« vorkam, auf offener Straße erschossen wurde. Der Publizist Ta-Nehisi Coates schrieb nach diesem und anderen rassistischen Morden einen Brief an s…, in dem er von der amerikanischen Tradition sprach, »den schwarzen Körper zu zerstören«. Die […]

  4. […] das man als das Gute erkennt«) und Tomas Espedal mit der Lesart wütender Mütter konfrontiert, Ta-Nehisi Coates Texte an der pazifistischen Ethik Martin Luther Kings und der literarischen Finesse James Baldwins […]

  5. […] Ende der 80er in den USA über die kulturellen Schätze des Westens wild debattiert wurde, soll der amerikanische Romancier Saul Bellow enerviert den westlichen Kanon gegenüber anderen Kultu…. Der ihm zugeschriebene Satz »Wenn die Zulus einen Tolstoi hervorbringen, werden wir ihn lesen« […]

  6. […] zuzulassen. Die Essays des radikalen Humanisten James Baldwin dienten vielen als Vorbild, Ta-Nehisi Coates’ Brief an seinen Sohn »Zwischen mir und der Welt« ist an Baldwins Brief an seinen Neffen »Nach der Flut das Feuer« angelehnt, gleiches gilt für […]

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