Jahr: 2020

© Thomas Hummitzsch

Wirklich Realismus?

Alles ist hier irgendwie »fast and furious«, aber nichts von wirklicher Dringlichkeit. Jerome, Tanja und ihre coolen Freunde blenden den Katastrophenmodus unserer Zeit vollkommen aus und drehen sich in Clubs, Restaurants oder auf Privatparties weiter um sich selbst. All das beschreibt Randt in einem flüssigen, eingängigen Ton, der Roman entwickelt in all seiner Banalität einen Sog. Und dennoch fragt man sich, was für eine Welt das sein soll, in der Politik und Gesellschaft maximal Randbemerkungen wert sind? Fehlt das nicht für den Realismus, der dem Roman an vielen Stellen attestiert wird?

Filmstill aus »Chernobyl« von Johan Renck | Polyband Medien

Das Lügengebäude einer Katastrophe

Die fünfteilige Mini-Serie von »Breaking Bad«-Regisseur Johan Renck blickt hinter die Kulissen des Atomunfalls von Chernobyl. Angesichts der aktuellen Covid-19-Krise und des vermeintlich reibungslosen Zusammenspiels von Politik und Wissenschaft kann man in der Serie ein unbeabsichtigtes cineastisches Korrektiv für Optimisten sehen.

Im kunstvollen Schieber kommt Marko Martins aktuelles Buch daher.

Gegen den Strich

Marko Martin interessiert sich stets für die Menschen, für ihre Biographien, für das Menschliche, Allzumenschliche. Seine Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters sind Reisen von Mensch zu Mensch, von Freund zu Freund, zu Vertrauten zu Vertrauten. Sein neues Buch »Dissidentisches Denken« ist im Kern eine Absage an die Kungelei mit den Mächtigen.

Andreas Rost 1990 im Rücken von Marx und Engels in Berlin | Foto: Christian Reister

»Der Sommer 1990 war der geilste Sommer meines Lebens«

Drei Jahre lang hat der ehemalige Bürgerrechtlicher und Fotograf Andreas Rost an dem überwältigenden Text-Bild-Band »Das Jahr 1990 freilegen« mitgearbeitet, der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist. Bei der Arbeit mit den Originaldokumenten aus der Zeit hat er einiges über seine eigenen Erinnerungen und die vermeintliche Alternativlosigkeit von Geschichte gelernt. Ein Gespräch über die Arbeit an der wichtigsten Publikation zum Wendejubiläum.

Filmstill aus »For Sama« von Sama Al-Khateab | © Filmperlen

Rote Tränen für Aleppo

Mit der Handkamera hat Waad Al-Khateab den Kampf um Leben und Tod im letzten Krankenhaus von Aleppo festgehalten. Aus erster Hand liefert ihr Film »For Sama« Eindrücke aus der heftig umkämpften nordsyrischen Stadt und zeigt in schockierenden Bildern das erschreckende Ausmaß des Krieges.

Es gibt keine Mauern der Vorstellungskraft

Bei den 70. Internationalen Filmfestspielen von Berlin triumphiert erneut ein iranischer Film. Mohammad Rasoulofs kafkaeskes Puzzle »There Is No Evil« gewinnt den Goldenen Bären. Damit wird das Festival einmal mehr seinem Ruf, besonders für politische Filme geeignet zu sein, gerecht. Eliza Hittmans politisches Teenager-Drama »Never Rarely Sometimes Always« erhält den Großen Preis der Jury. Der längste Film des Festivals, der achtstündige Beitrag »The Works and Days (of Tayoko Shiojiri in the Shiotani Basin)« gewinnt zudem den neuen Wettbewerb Encounters.

Kaveh Ahangar in »There Is No Evil« von Mohammad Rasoulof | © Cosmopol Film

Das Böse – eine Illusion

Mohammad Rasoulofs »There Is No Evil« gehört zu den Höhepunkten in einem ausgeglichenen Wettbewerb. Im Film werden vier Geschichten erzählt, die alle in einem Teheraner Gefängnis, mutmaßlich dem berüchtigten Evin-Gefängnis, zusammenlaufen.

Die Hölle auf Erden

Rithy Panhs Film hat Lanzmann‘sche Ausmaße, nicht in seiner Länge, aber in seiner Fülle an Dokumenten zur Zerstörungswut des Menschen. Die erstreckt sich keineswegs nur über die Schlachtfelder der Kriege des vergangenen Jahrhunderts, sondern führt bis in die Experimentierkammern der Kriegstreiber.