In dem neuen Film von Ellen Kuras spielt Oscar-Preisträgerin Kate Winslet mit aller Überzeugung die Fotografin und Kriegsreporterin Lee Miller.
Die Amerikanerin Lee Miller lebte und arbeitete mit Man Ray zusammen, war mit Jean Cocteau und Pablo Picasso, mit Paul Éluard und dessen Frau Nusch befreundet. Als sie 1937 ihren späteren Mann, den surrealistischen Maler Roland Penrose, kennenlernte, hatte sie ihren Platz vor der Kamera schon gegen den dahinter getauscht. Ihr unkonventionelles fotografisches Werk, das zwischen Realismus und Surrealismus, Dokumentation und Mode, Abstraktion und People-Fotografie schwankt, hat längst Klassikerstatus. Unvergessen sind aber auch ihre schonungslosen Aufnahmen von der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau.
Ellen Kuras, die hinter Erfolgsserien wie »Inventing Anna« oder »The Umbrella Academy« steckt, stellt in ihrem ersten Kinofilm seit »The Betrayal – Nerakhoon« das Leben und Werk von Lee Miller vor. Oscar-Preisträgerin Kate Winslet ist nicht nur die Produzentin des Films, sondern auch in die Hauptrolle geschlüpft.
Winslet ist 1997 als Rose DeWitt Bukater in James Camerons »Titanic« zum Weltstar aufgestiegen. Gut zehn Jahre später gewann sie mit der Rolle der verführerischen Hanna Schmitz in Stephen Daldrys Romanverfilmung »Der Vorleser« den Oscar für die beste Hauptdarstellerin, zuletzt überzeugte sie in Francis Lees leisem Filmdrama »Ammonite« als britische Fossiliensammlerin Mary Anning.
In ihrem neuen Film erzählt sie als sichtlich gezeichnete Fotografin ihrem Sohn, den sie gemeinsam mit dem britischen Maler und Dichter Roland Penrose hatte, von ihrem Wirken als Kriegsreporterin im Zweiten Weltkrieg. In Rückblicken springt der Film in die historischen Ereignisse. Hintergrund dieser Konstellation ist, dass Antony Penrose als Journalist mehrfach über seine berühmten Eltern schrieb (der Film basiert auf seinem Buch »Immer wieder anders. Die Leben der Lee Miller«) und nicht zuletzt die »Lee-Miller-Archives« sowie die »Penrose Collection« der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.
Im Zentrum des Films stehen die Kriegsjahre 1944 und 1945, als Lee Miller in der Funktion einer amerikanischen Militärkorrespondentin gemeinsam mit dem »Time Life«-Fotografen David E. Scherman durch Europa reiste und für das Vogue-Magazin das Kriegsgeschehen dokumentierte. Im bretonischen Saint-Malo dokumentierte sie einen der ersten Napalm-Einsätze der amerikanischen Truppen, in Paris erlebte sie das Ende der Naziherrschaft und bei der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau gehörte sie zu den Truppen in der ersten Linie. Ihre Aufnahmen beweisen ihre Fähigkeit, furchtlos und zugleich empathisch der düsteren Wirklichkeit ins Antlitz zu schauen.
Eines der bekanntesten Fotos aus dieser Zeit zeigt die Fotografin in der Badewanne von Adolf Hitlers Münchener Privatwohnung. Das wirkt in seiner Inszenierung im Vergleich zu ihren Fotografien aus dem Konzentrationslager geradezu spielerisch. Was wohl auch daran liegt, dass sich Miller in dem Fall von Scherman fotografieren ließ. Als ehemaliges Model wusste sie genau um die Wirkung des Bildes.
Ellen Kurras Film »Die Fotografin« führt eindrucksvoll vor Augen, wie Miller in ihrer Zeit gegen verschiedene Windmühlen kämpfte. An der Front musste sie ständig beweisen, als Frau der Brutalität des Krieges gewachsen zu sein. In der Vogue-Redaktion hielt man ihre Fotos unter Verschluss, weil man dem Volk nicht die Grausamkeit des Krieges zumuten wollte. Die sie umgebende Misogynie und Feigheit nahm Miller nicht hin, die inneren und äußeren Stürme in ihrem Leben ließen Sie dennoch verbittern.
Winslet verkörpert diese vielschichtige Frau mit allem, was sie hat. Im Interview mit der Zeit erklärte sie, dass es ein Herzensprojekt gewesen sei. »Lee Miller ist ein Vorbild, weil sie ein Mensch voller Mitgefühl war und eine Frau, die sich einen Platz eroberte in einer Welt, in der Männer darüber entscheiden, was Frauen dürfen«, so Winslet im Gespräch.
Für den Film lernte Winslet den Umgang mit einer Rolleiflex-Kamera, auch um in den Szenen glaubhaft zu agieren. Und hier schleicht sich eine Schwäche in den Film, nicht weil Winslet etwa das Method Acting misslingt, sondern weil der Film Fotografien von Miller nachstellt, statt ganz auf die Originale zu setzen. So erschließt sich manche Schlüsselszene nur den Kenner:innen ihres Werks, während anderen verborgen bleibt, wann Kurras das Werk der historischen Lee Miller zitiert. Die Aufschlüsselung einiger nachgestellter Fotos hat der Verleih zumindest online nachgeholt. Eine verpasste Chance für einen Film, der den Anspruch verfolgt, einer unterschätzten Fotografin auf die große Bühne Hollywoods zu heben.