Sebastian Guggolz will sich in seinem vor wenigen Monaten gegründeten Verlag Büchern widmen, die zu Unrecht ins Abseits, in Vergessenheit oder unter die Räder der Zeit geraten sind. Ich sprach mit ihm über seine Vergangenheit beim Verlag Matthes & Seitz Berlin, über die Suche nach vergessenen Nobelpreisträgern und die besondere Arbeit mit Übersetzern.
Warum gründet man heute noch einen Buchverlag? Haben wir nicht genug zu lesen?
Doch, wir haben genug zu lesen, aber wir übersehen immer wieder so gute Sachen. Ich habe ja nicht irgendeinen Verlag gegründet, sondern einen Verlag, der auf meiner eigenen Leseerfahrung gründet. Ich habe zuvor als Lektor bei Matthes & Seitz Berlin gearbeitet und auch dort gab es schon solche Neu- und Wiederentdeckungsprojekte. Die Motivation, den Verlag zu gründen, kam letztlich aus meiner Leidenschaft für die Arbeit mit den Büchern. Wenn ich ehrlich bin, bin ich in der Arbeit mit den Büchern so glücklich, dass mir es am Ende doch das Wichtigste ist, mit und an Büchern zu arbeiten. Und wenn das am Ende dann auch noch Bücher sind, die sonst vergessen würden, ist das für mich sehr beglückend.
Ich glaube, dass nicht nur ich gern solche übersehenen Schätze neu entdecke. In den letzten Jahren konnte man da einen Trend beobachten. Mit der Wiederentdeckung von Gaito Gasdanow und anderen gab es vor etwa drei Jahren einen richtigen Boom. Auch bei Matthes und Seitz Berlin gab es fantastische Sachen, schon davor mit Warlam Schalamow oder dann mit Jean-Henri Fabre.
Ein sehr wichtiger Aspekt war für mich aber auch die Arbeit mit den Übersetzern, weil die Arbeit mit Übersetzern eine ganz spezielle ist. Wenn man mit einem Autor über einen Text spricht, ist das eine völlig andere Ausgangssituation, als wenn man mit einem Übersetzer arbeitet. Da gibt es eine andere Distanz und durch diese auch eine viel größere Klarheit und Offenheit. Deshalb arbeite ich jetzt auch nur mit Übersetzern zusammen, ich mache keine deutschsprachigen, sondern nur übersetzte Bücher.
Du hast Dich auf ost- und nordeuropäische Literatur spezialisiert. Kannst Du diese Sprachen auch sprechen, so dass Du die Übersetzung besser „bewerten“ kannst?
Nein, das kann ich leider nicht. Das mag ungeschickt wirken, aber ich habe festgestellt, dass das Fremdsprachenlektorat eigentlich immer nur ein Aspekt ist, den ich zu umgehen versuche. Wie etwa bei dem Roman von Frans Eemil Sillanpää, den ich von zwei Übersetzern habe übertragen lassen, so dass das Fremdsprachenlektorat dort unter den Übersetzern stattgefunden hat, und indem ich sehr gute Übersetzer nehme und ich mich auf das Handwerkliche verlassen kann. Eine Übersetzung lektorieren ist eben nur zum Teil das Überprüfen der korrekten Übertragung, der andere Teil ist es, zu schauen, ob es auch ein lesbarer deutscher Text ist. Man spürt auch, wenn etwas nicht ganz stimmig ist.
Wie bist Du denn zu der Region gekommen?
Ich wollte Frankreich ausschließen, denn ich meine, das Frankreich inzwischen sehr gut besetzt ist. Das Interesse an Osteuropa ist ein persönliches, das ich auch schon bei Matthes & Seitz Berlin verfolgt habe. Durch die politischen Bedingungen im 20. Jahrhundert ist dort sehr viel Interessantes untergegangen. Man hatte beispielsweise nur sehr begrenzte Wege in die russische Literatur, eine bestimmte Literatur wurde überhaupt nicht publiziert. Nordeuropa ist auf dem deutschen Markt außerhalb des Krimigeschäfts auch viel zu kurz gekommen. Das merke ich auch jetzt bei den Recherchen. In Skandinavien oder auch in Estland gibt es viele ganz fantastische Autoren, die komplett vergessen sind.
Wie suchst und wo findest Du Deine Bücher?
Im Internet. Am Anfang bin ich einfach Preislisten durchgegangen, habe also geschaut, wer vor 1970 den Literaturpreis des Nordischen Rates oder den Literaturnobelpreis gewonnen hat. Ziemlich schnell bekommt man dann ein Gespür, weil man bei dem einen über den anderen liest und so weiter. Es hat sich zum Beispiel bei Nordeuropa ein Pool von zwanzig Namen gebildet, in dem ich weiterlese und recherchiere. Denn es reicht ja nicht einfach, dass die Bücher gut sind, sondern sie müssen auch heute noch interessant sein.
Clemens Setz hat in der Literaturzeitung Volltext eine Kolumne zu vergessenen und vergriffenen Büchern, wo er Autoren wie Felix Fénéon, Donald Barthelme, Eyvind Johnson oder Kobo Abe vorstellt. Ist das für Dich auch eine Quelle oder bekommst Du gar Tipps von Clemens Setz?
Leider nicht, da Nord- und Osteuropa nicht seine Regionen sind. Zu meiner Zeit bei Matthes & Seitz Berlin hatten wir uns mal auf der Buchmesse unterhalten und er hatte mir – damals noch für die Naturkunden – Reflections of a Bonehunting Man von Loren Eiseley empfohlen, ein wunderschönes Buch. Das passt leider gar nicht in mein Konzept, aber ich lese es sehr gern. Ich mag auch Setz’ Kolumne, seine Herangehensweise an Literatur gefällt mir sehr gut.
Wolltest Du mit dem Schwerpunkt eine Nische besetzen?
Darum ging es mir nicht. Ich glaube, die Buchhändler und Journalisten schauen danach, welche Bücher sie interessieren. Daher ist so ein Verlagskonzept ohnehin nur ein Konstrukt. Das Konzept hilft aber, um den Verlag besser zu fassen. Der Guggolz-Verlag ist der Verlag für Neu- und Wiederentdeckungen aus Nord- und Osteuropa. Bei den einzelnen Büchern wird das Verlagskonzept immer unwichtiger, dann geht es um den Text.
Das Label »Verlag für Neu- und Wiederentdeckungen« ist kein exklusives, die editionfünf macht das beispielsweise mit vergessenen Autorinnen. Wie willst Du Dich mit Deinem Verlag da hervorheben?
Vom Vorgehen her bin ich tatsächlich nicht der einzige. Die Friedenauer Presse macht das ganz hervorragend seit Jahrzehnten für die russische und französische Literatur. Auch der Lilienfeld-Verlag hat mit »Lilienfeldiana« eine tolle Reihe für wiederentdeckte Literatur, oder Dörlemann, die auch immer wieder tolle Neuentdeckungen vorstellen. Aber wenn ich das als Label für meinen Verlag hervorhebe, ist das ganz hilfreich.
Was muss ein Buch haben, um Deine Aufmerksamkeit als Verleger zu bekommen?
Mir persönlich ist immer sehr wichtig, dass man das Buch in eine Geschichte einbetten und es wie ein historisches Zeugnis lesen kann. Man soll durch das Buch etwas über die historischen Umstände erfahren.
Legst Du Dich damit nicht unnötigerweise auf den Realismus als Stil fest?
Das muss nicht unbedingt realistisch sein, es reicht eine Anknüpfung daran. Es gibt auch tolle Avantgarde-Literatur, der das gelingt, aber es stimmt, ich komme wohl doch stärker von der realistischen Seite. Wichtig ist mir auch, dass die Bücher eine eigene Sprache haben, allein der Realismus ist mir zu langweilig. Bei älteren Büchern stellt man das schnell fest, denn wenn die keinen eigenen Stil haben, dann sind sie veraltet und lassen sich nicht mehr lesen.
Liest Du alte Übersetzungen vorher und wenn ja, warum?
Ja klar, ich komme so oft an die Texte heran. Ich bin auch schon auf so gute alte Übersetzungen gestoßen, dass ich gedacht habe, dass man die nicht neu übersetzen muss. Diese müsste man dann neu herausbringen – das macht zum Beispiel Die Andere Bibliothek, dort erscheinen häufig alte Übersetzungen neu. Das ist aber nicht mein Ansatz. Ich werde das später sicherlich auch ab und an mal machen, wenn ich der Meinung bin, dass ein Buch unbedingt eine Aufmerksamkeit braucht, und dann eine durchgesehene Fassung verlegen. Aber mein Ansatz ist es, die Bücher neu zu übersetzen. Dazu gehört auch, dass die Bücher nicht so aussehen, als seien sie in den 1940ern entstanden, sondern auch optisch einen zeitgenössischen Zugriff haben. Die Kunst ist dabei, die historische Distanz nicht zu leugnen und es dennoch zeitgemäß zu machen. Das versuche ich mit meinen Büchern.
Fällt Dir der Wechsel vom Lektor zum Verleger noch schwer?
Es ist eigentlich nur eine Erweiterung. Ich lektoriere ja nach wie vor. In bestimmte Bereiche des Verlegerdaseins muss ich mich natürlich noch einfinden, aber ich hatte bei Matthes & Seitz Berlin ja die besten Voraussetzungen, in viele Dinge Einsicht zu erhalten. Ich war zu einer Zeit da, als der Verlag noch etwas kleiner war. Zu meiner Zeit arbeiteten die einzelnen Bereiche noch sehr eng zusammen. Ich habe immer auch im Vertrieb ausgeholfen und in der Presse mitgearbeitet und das alles dadurch mitgelernt. Jetzt merke ich, wie sehr mir das zugute kommt. Ich muss mich in die einzelnen Bereiche eines Verlags nicht mehr hineindenken und überlegen, worauf es ankommt, sondern weiß das intuitiv und bin mir dessen immer bewusst, wenn ich an einem Buch arbeite. Das Besondere, was ich aus meiner Zeit bei Matthes & Seitz Berlin mitgenommen habe, ist, dass ich das »Gesamtgebilde Verlag« mitbekommen und verstanden habe. In bestimmte Sachen wie Lizenzverhandlungen muss ich mich jetzt trotzdem noch einfinden.
Du startest mit dem finnischen Literaturnobelpreisträger (1939) Frans Eemil Sillanpää und Maxim Harezki, einer „unbekannten literarischen Stimme“ aus Weißrussland. Wie bist Du zu den beiden Titeln, mit denen Du jetzt startest gekommen? Begleiten sie Dich schon lange?
Die Bücher haben beide sehr unterschiedliche Wege gefunden und decken somit in doppelter Hinsicht – programmbildend und was das Suchen und Finden von Büchern betrifft – ab, was ich für die Zukunft vorhabe. Der Finne Sillanpää ist meine Entdeckung. Ich bin auf den Namen gestoßen, als ich die Liste der Literaturnobelpreisträger durchgegangen bin. Ich fand den Namen toll und habe dann angefangen zu lesen. Einiges von ihm ist schon übersetzt worden – zur Zeit des Nationalsozialismus war sein Roman »Silja, die Magd« beispielsweise sehr erfolgreich, bis er sich in einem Brief von Hitler distanziert hat und dann zensiert wurde – und es gab Anfang der 1980ern das schöne Projekt Trajekt, bei dem Manfred Peter Hein und Klaus-Jürgen Liedtke skandinavische Literatur in einer Kooperation von Klett Cotta und Otava – dem finnischen Verlag – eine Reihe herausgebracht, in der Sillanpää auch erschienen ist. Aber schon damals wurde er kaum beachtet. Von Sillanpää habe ich alles gelesen, was auf Deutsch vorliegt, weil ich sehr schnell sehr begeistert war. Ich wusste, dass er so ein starker Autor ist, dass ich ihn an den Anfang setzen möchte. Ich habe dann Übersetzer gesucht und einen Nachwortschreiber und so weiter. Hier war also erst der Text da und dann habe ich alles darum herum gemacht. Bei dem weißrussischen Autor Harezki war es genau andersherum. In der Zeit der Verlagsgründung hatte ich mich mit sehr vielen Leuten aus der Literatur- und Verlagsszene getroffen, mit Übersetzern, Autoren, Lektoren und anderen Verlegern, um ein möglichst breites Bild über die Arbeitsprozesse zu bekommen. Der Osteuropa-Lektorin des Suhrkamp-Verlags Katharina Raabe, die ich sehr schätze, fiel bei unserem Treffen ein, dass sie schon seit mehreren Jahren die Übersetzung des Romans als Manuskript bei sich liegen habe. Norbert Randow, der das Buch übersetzt hat, war im letzten Herbst gestorben. Katharina Raabe hatte mir dann gesagt, dass er sehr lange versucht habe, das Buch bei Suhrkamp unterzubringen, dass sie aber der Meinung sei, dass das perfekt zu dem passe, was ich ihr über meinen Verlag erzählt habe. Ich habe dann das Manuskript gelesen und es war tatsächlich so, wie sie sagte. Das Buch passt einfach unglaublich gut, auch weil es ein weißrussischer Autor ist, dessen Herkunftsregion auch ein wenig vergessen ist. In dem Fall war also erst die Übersetzung da, die zu mir kam.
In beiden Titeln geht es um Fragen der gesellschaftlichen Identität. Ist das Zufall oder ist das genau die Anbindung an die Realität, von der Du vorhin sprachst?
Zufall wäre zu stark gesagt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Fragen der nationalen Identität einfach ziemlich vordergründig. Wenn ich mir aber die nächsten Titel anschaue, mit denen ich plane, wird das kein besonders offensichtliches Thema sein. Es wird eine größere Themenvielfalt geben.
Wird es bei zwei Titeln pro Saison vorerst bleiben?
Vorerst wird das so sein, ja.
Du hast keine Backlist und somit nicht die Möglichkeit, auf den Klassiker der Mischkalkulation zurückzugreifen. Wie soll das Ganze funktionieren und auf wirtschaftlich sichere Beine kommen?
Noch rechnet sich der Verlag natürlich nicht, ich gehe aktuell in Vorleistung. Wie Katharina Wagenbach-Wolff von der Friedenauer Presse zeigt, wo es eine Backlist von ihrem Vater gab, oder die Macher des damals neu und ohne Backlist gegründeten Mairisch Verlags, geht es auch anders. Bei Matthes & Seitz Berlin habe ich die Mischkalkulation als Strategie kennengelernt. Man macht soviel wie möglich, damit ein paar Sachen gut laufen und man hofft, durchzukommen. Das ist ein vollkommen legitimes Konzept, aber ich habe das immer auch als Belastung empfunden, weil ich den Eindruck hatte, dass man dadurch nicht jedem einzelnen Buch gerecht werden kann. Man macht so viele Sachen, die rechts und links herunterfallen. Das hat mich belastet, weil das oft auch Lieblinge waren, die dann in der Wahrnehmung total untergegangen sind. Das fand ich oft schwer zu ertragen. Bei Mairisch und der Friedenauer Presse, mit deren Machern ich mich auch ausgetauscht habe, habe ich gesehen, dass es eben auch anders geht. Man kann wenige Bücher machen, aber sich für diese richtig stark einsetzen. Dann kann das gut funktionieren. Ich glaube, dass ich es mit Beständigkeit und Nachdruck schaffe, so viele Bücher zu verkaufen, wie es notwendig ist, dass sich das Ganze rechnet. Und ich kann ja selbst viele Arbeiten im Verlag übernehmen, so dass zunächst kaum andere Kosten anfallen. Außer den Übersetzern und Vertretern sowie den Druckkosten habe ich keine weiteren Personalkosten, das macht schon ziemlich viel aus. Und ich selbst finanziere mich mit Nebenjobs.
Was bedeutet Büchermachen für Dich?
Ich bin da ehrlich gesagt hineingewachsen. Bei Matthes & Seitz Berlin hatte ich viele Freiheiten und Einblicke in die verschiedenen Bereiche, so dass ich ziemlich schnell wusste, dass ich irgendwann mal eigene Bücher machen will, wenn das dort nicht mehr so laufen würde, wie gedacht. Es gab natürlich nach Matthes & Seitz Berlin kurz die Frage, ob ich nicht zu einem Großverlag wechsele, aber ziemlich schnell wusste ich, dass ich dafür nicht der richtige Typ bin. Ich hätte nicht nur Lektorat machen können. Mir macht das andere zu viel Spaß und ich bin auch schon zu tief in diesen Dingen drin gewesen, so dass ich nur Lektorat nicht hätte machen können. Verlegen bedeutet für mich konkret, dass ich Texte, die ich toll finde, teilen kann. Und dass ich Autoren eine Öffentlichkeit geben kann. Natürlich ist die Verlagsarbeit auch die Arbeit am Text. Aber die spezielle Arbeit des Verlegers besteht für mich vor allem auch in der Verbreitung. Dass man sich fragt »Wie kommen meine Bücher in die Buchhandlungen?« und »Wie gehe ich mit der Presse um?«
Zum Konzept des Guggolz-Verlags gehört das Prinzip des Entdeckens. Bist Du selbst so ein Bücherwurm, der auf Flohmärkten oder in den Buchregalen von Freunden stöbert?
Das letzte auf jeden Fall. Ich kann in keinen Raum, ohne nachzusehen, was dort für Bücher stehen, wenn dort welche stehen. Ich gehe auch gern in Antiquariate, suche dort aber gezielt. Deshalb bin ich auch nicht der klassische Flohmarkt-Besucher. Mein Äquivalent für den Flohmarkt ist das Internet, in dem ich stundenlang Bücher suchen kann. Meine Bücher sind aber eher selten Zufallsfunde, sondern häufig Resultat meiner eigenen Lektüre. Ich stoße zum Beispiel in Nachworten immer mal auf spannende Sachen oder – das finde ich total toll – wenn am Ende noch Verweise auf andere Titel aus dem Programm enthalten sind. Diesen Dingen gehe ich unglaublich gerne nach. So ergeben sich über die Lektüre neue Lektüren. Ich bestelle mir dann Bücher in der Staatsbibliothek und lese viel an, vielleicht zehn oder mal zwanzig Seiten, um zu sehen, ob mich das interessiert. Vieles davon verwerfe ich dann auch relativ schnell, weil es mich nicht anspricht. Der erste Impuls ist also ein sehr subjektiver. Aber wenn ich sie gut finde, dann lese ich die Bücher auch komplett durch. Erst in der Zweitentscheidung geht es dann um die Frage, ob das Buch funktioniert, ins Programm passt und so weiter.
Wenn Du alte Ausgaben liest oder in Bibliotheken recherchierst, hast Du immer Kontakt zum Medium Buch. Ist es für Dich wichtig, ein echtes Buch in der Hand zu haben?
Ja, sehr. Was man schon daran sieht, dass ich keinen eBook-Verlag gegründet habe, wie die meisten anderen Verlagsneugründungen der letzten Jahre. Ich habe bei Matthes & Seitz Berlin einen Kindle gehabt, um Manuskripte zu lesen. Das hatte einfach einen praktischen Nutzen. Aber ich kann das so krass formulieren, wie es klingt: Für mich ist ein digitaler Text nicht so viel wert wie ein gedruckter Text. Es spielt ja auch die Haptik eine Rolle oder das Gefühl, wie das Buch in der Hand liegt. Ich habe grundsätzlich nichts gegen eBooks. Wenn Leute gerne eBooks lesen wollen, sollen sie gerne eBooks lesen. Das ist immer noch besser, als wenn sie gar nichts lesen. Aber ein eBook ersetzt nicht das Buch.
Wird es Deine Bücher als eBooks geben?
Erst einmal nicht. Ich habe gesagt, wenn einhundert Menschen anfragen, dann mache ich ein eBook. Aber davor lohnt es sich nicht für mich. Mein Traum ist, dass es sich mit den eBooks so entwickelt, wie mit den Taschenbüchern. Und ein Verlag, wie ich es bin, dann eine entsprechende Lizenz an einen eBook-Verlag verkauft, wenn der ein eBook machen will. So wie es jetzt schon bei den Taschenbüchern der Fall ist.
Wie positionierst Du Dich in der laufenden Debatte um Amazon?
Ich persönlich kaufe aus prinzipiellen Gründen meine Bücher nicht bei Amazon, ebenso wie ich nicht bei H&M meine Kleidung oder in bestimmten Supermärkten meine Nahrungsmittel kaufe. Ich mag diese Art von Großunternehmen nicht. Unter geschäftlichen Gesichtspunkten stehe ich der aktuellen Debatte aber kritisch gegenüber. Ich bin mir sicher, dass die laufende Diskussion von wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, von beiden Seiten, also auch von den Verlagen um Bonnier. Der Streitpunkt sind ja die Rabatte, die Amazon fordert. Wenn Amazon meine Bücher über die Barsortimente kaufen, dann bekommen die die Bücher zum gleichen Preis, wie jede andere Buchhandlung auch. Ich weiß nicht, ob die noch einen Sondervertrag mit den Barsortimenten haben, aber das kann mir auch egal sein. Das heißt, jedes Buch, das ich bei Amazon verkaufe, ist ein verkauftes Buch und damit gut für mich. Die Diskussion um die eBook-Rabatte betrifft mich gleich gar nicht, da ich derzeit ja keine eBooks verkaufe. Und wenn man als Verlagskunde mit Amazon ein Partnerprogramm eingeht, und damit erreicht, dass alle Bücher des jeweiligen Verlags auf Lager und umgehend lieferbar sind, dann muss man ohnehin mit Amazon direkt die Rabatte aushandeln. Man bekommt dann bestimmte Vorteile, muss aber höhere Rabatte einräumen. Das ist dann einfach Verhandlungssache. Amazon ist dann aber ein zuverlässiger Geschäftspartner. Mein Problem auf dem Buchmarkt ist nicht Amazon. Da bin ich auffindbar und meine Bücher sind relativ schnell lieferbar. Mein Problem sind nach wie vor die Großbuchhandlungen, also Thalia und Hugendubel, und noch schlimmer die ganzen Bahnhofsbuchhandlungen. Die werden in der Amazon-Debatte plötzlich von den Verlagen mit ins Boot geholt, weil dort die großen Verlage vertreten sind, aber für mich als Kleinverlag sind die wie gesagt das eigentliche Problem. Die nehmen mich nicht wahr und bestellen mich nicht, weil ich immer unter einer gewissen Mindeststückzahl bleibe. Bei denen tauche ich nicht auf, bei Amazon schon. Deshalb ist es aus geschäftlicher Perspektive auch schwierig, einfach nur zu sagen, Amazon ist der Böse und wir Verlage und der Buchhandel die Guten. Das Bedenkliche an der aktuellen Debatte ist die Tatsache, dass dahinter wirtschaftliche Interessen stecken und nicht, wie man meinen könnte und wie suggeriert wird, kulturelle.
Welche Titel werden in Deinem nächsten Programm folgen?
Im nächsten Programm wird es eine bislang noch nicht übersetzte Erzählung des russischen Autors Michail Prischwin geben. In der DDR war er als Kinder- und Jugendbuchautor sehr populär und Teile seines Werks wurden übersetzt. Er gilt als der russische Henry David Thoreau, weil er zur Stalinzeit eben nicht ins Exil gegangen ist, sondern sich in den Wald zurückgezogen und Naturschilderungen veröffentlicht hat. Die bislang einzige westdeutsche Übersetzung von Prischwin hat Ilma Rakusa (Meistererzählungen, Manesse-Verlag) gemacht, sie wird auch das Nachwort für meine Ausgabe schreiben. Die Erzählung, die ich präsentieren werde, wird einen deutlich politischen Anstrich haben. Deshalb ist sie auch bisher weitgehend unbekannt und wurde auch in Russland erst in den 1990ern in der Gesamtausgabe erstmals veröffentlicht. Toll sind von Prischwin auch die Tagebücher, die ich gerne veröffentlichen würde, aber das ist ein zu großes Projekt für den Anfang. Wenn man die Tagebücher liest, dann wird seine Flucht ins innere Exil noch deutlicher. Während er fast nur unbedenkliche und etwas mythisch-schwärmerische Naturtexte veröffentlichte, schrieb er im Tagebuch offen und ohne Zurückhaltung. Prischwin ist auf jeden Fall als Autor noch neu zu entdecken und zu bestimmen. Auf ihn gekommen bin ich schon vor einiger Zeit durch eine Empfehlung von einem befreundeten Autor. Seither aber trage ich Prischwin mit mir herum.
Das zweite Buch wird ein Roman des färöischen Autors Heðin Brú sein, das ist etwas ganz Besonders. Es gab eine goldene Schriftstellergeneration auf den Färöer Inseln: vier Autoren [neben Heðin Brú waren das Jørgen-Frantz Jacobsen, William Heinesen und Christian Matras], 1900 und 1901 geboren, bildeten eine Art literarischen Kreis, aber nur Brú hat auch auf Färöisch geschrieben. Von seinem Roman »Vater und Sohn unterwegs« gibt es ältere Übersetzungen aus dem Dänischen, aber ich lasse das Buch gerade erstmals direkt aus dem Färöischen übertragen. Das ist ein sehr schöner Text über einen alten Walfänger, der vom Fortschritt eingeholt wird. Das ist, wie schon Sillanpää, eine echte Entdeckung, auf die ich mich sehr freue.
Du hast Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte an der Universität Hamburg studiert. Gab es Bücher, die Dich geprägt haben?
In meinem Studium weniger. Als ich mich für das Studium entschieden habe, habe ich auch ganz bewusst entschieden, nicht Germanistik, sondern Kunstgeschichte als Hauptfach zu wählen. Es ist zwar eine Phrase, dass man Literaturwissenschaft nicht studieren soll, wenn man wirklich gern liest, aber ich habe mich daran gehalten. Ich fand es für mich einfacher, Kunstgeschichte im Hauptfach und Literatur einfach auch zu studieren. Ich habe während des Studiums sehr viel gelesen, aber es geht eher darum, dass man einen Zugang bekommt zu Büchern und auch etwas von dem Respekt verliert.
Wenn Du wissen willst, wer für meine jetzige Arbeit so eine Art Vorbild war, dann muss ich ganz ehrlich sagen, dass das Andreas Rötzer von Matthes & Seitz Berlin ist. Er war für mich eine unglaublich prägende Figur, natürlich auch in der Abgrenzung, wie das immer so ist bei Vorbildern. Aber mit ihm hatte ich die ersten sehr langen Gespräche darüber, was man eigentlich tut, wenn man Bücher macht, und wir haben einfach lange Zeit eng zusammengearbeitet. Ich habe sehr stark davon profitiert. Er ist eindeutig die wichtigste Person für meine Entwicklung, was das Büchermachen betrifft.
Ich möchte kurz auf die Kunstgeschichte zurückzukommen, auf Deine eigene. Du hast 2001 beim Jugendkunstpreis in Baden-Württemberg mit einem „Sündenregister“ einen der Preise gewonnen. Was hat es damit auf sich?
Oh Gott, da war ich ungefähr 18 Jahre alt. Eigentlich konnte ich da nur mitmachen, weil ich eine tolle Kunstlehrerin hatte, die mich dazu animiert hat. Ich habe eine Reflexion über die sieben Todsünden angestellt. Ausgangspunkt war ein vorgegebener Kubus, den ich als Register gebaut habe. Dann habe ich eine fotografische Selbstreflexion mit Selbstporträts gemacht. Ich habe dann Register gebaut, die man herausziehen konnte, auf der einen Seite ein Selbstporträt, auf der anderen ein paar Informationen zu den Todsünden. Dass ich damit gewinnen würde, war eine totale Überraschung. Als Preis gab es damals eintausend D-Mark und eine Reise nach Florenz.
Hast Du für Matthes & Seitz Berlin auch schon Bücher entdeckt?
Eigentlich war dort das Verlegen war immer ziemlich klar geregelt, die Titelauswahl war Sache des Verlegers. Wenn man sich den Schrank mit den zukünftigen Projekten bei Matthes & Seitz Berlin anschaut, dann erschlägt das einen. Das sind hunderte Projekte, die da für die Zukunft herumschwirren. Mein Einfluss beschränkte sich dann eher darauf, mal mitzubestimmen, welches dieser vielen Projekte wann umgesetzt wird. Oder Andreas Rötzer hat bestimmte Bücher gemacht, weil er wusste, dass die mich interessiert.
Was hast Du neben dem umfassenden Einblick in die Verlagsarbeit aus der Zeit bei Matthes & Seitz Berlin mitgenommen?
Ich habe viele Bücher mitgenommen, etwa Jean-Henri Fabre, dessen Erinnerungen eines Insektenforschers eines meiner Lieblingsprojekte war. Überhaupt habe ich vielen Sachen auf den Weg helfen können, hinter denen ich heute noch einhundertprozentig stehen kann. Oder meine Begegnung mit Esther Kinsky ist eine unheimlich wertvolle, mit ihr bin ich heute befreundet. Ich finde ihre Literatur und auch ihre Übersetzungen herausragend. Ich bin noch mit vielen Übersetzern in Kontakt, mit ihnen habe ich oft eng zusammengearbeitet. Eveline Passet, die für Matthes & Seitz Wassili Golowanows Die Insel oder Die Rechtfertigung des sinnlosen Reisens übersetzt hat, übersetzt für mich jetzt Prischwin. Auch mit Gabriele Leupold, die die Schalamow-Bände übersetzt hat, stehe ich noch in gutem Kontakt. Das einzige, mit dem ich weniger zu tun hatte, ist das Sachbuch. Ich habe das zwar auch teilweise mitlektoriert, aber jetzt, bei der eigenen Verlagsgründung, konnte ich das für mich relativ schnell ausschließen. Ich lese auch Sachbücher oder Philosophie, aber das ist nicht das, hinter dem ich als Verleger stehe. Mein Eindruck ist, dass der Bereich seit meinem Weggang bei Matthes & Seitz gestärkt worden ist, der Verlag scheint noch stärker auf die Essayschiene zu setzen. Das ist für mich schön im Nachhinein, weil es dann vielleicht doch meine Handschrift sichtbar macht. Während ich dort gearbeitet habe, hatte ich nie den Eindruck, dass mein Tun irgendwie prägend war, aber so merke ich jetzt im Nachhinein, was wahrscheinlich mein Teil von Matthes & Seitz Berlin war.
Gibt es Dinge, über die Du dich als Verleger ärgerst?
Was mich furchtbar ärgert, ist die schlechte Bezahlung der Übersetzer. Das möchte ich anders machen. Deren Arbeitsverhältnisse sind zum großen Teil eine Zumutung. Da es bei einem Großteil meiner Bücher, zumindest jetzt am Anfang, so ist, dass die Autoren schon tot sind und die Lizenzgeber wenig mit den Texten zu tun haben, sind in der Arbeit meine wichtigsten Gegenüber immer die Übersetzer. Sie sind fast so etwas wie Autoren. Da ich viel mit wirklich guten Übersetzern zusammengearbeitet habe und zusammenarbeite, sehe ich, was ihre Arbeit für eine Leistung ist. Ohne Übersetzer würde wirklich nichts laufen. Das ist einfach so.
Ist es denn schwer, an die Lizenzen von vergessenen Autoren heranzukommen?
Das ist ganz unterschiedlich. Einige meiner Autoren sind bereits über 70 Jahre tot, da muss ich gar nichts machen, sondern kann einfach auf den Text zugreifen, weil ja nach 70 Jahren die Rechte frei werden. Bei Sillanpää war es ganz einfach, da dessen Bücher noch bei Otava in Finnland erscheinen und es deshalb einen direkten Ansprechpartner gibt. So hat jedes Buch dann auch hier seine ganz eigene Geschichte.
Welche Bedeutung hat für Dich Dein Amt beim Förderverein des Literaturhauses Berlin?
Das hat sich fast zufällig ergeben, ich bin das ja erst seit Februar 2014. Die Vorsitzende des Fördervereins Roswitha Quadflieg hatte mich als Stellvertreter vorgeschlagen, als sie selbst für den Vorsitz angefragt wurde. Mir macht das sehr viel Spaß, ich lerne viele interessante Leute und die Szene etwas von innen kennen.
Du kümmerst Dich als Lesepate an einer Schöneberger Grundschule auch um den Nachwuchs. Warum ist dir das so wichtig?
Ich fühle mich sehr privilegiert. Ich lebe in einer Großstadt, bin gut ausgebildet, verdiene vielleicht nicht so wahnsinnig viel Geld, aber ich kann mir meine Arbeit aussuchen und meine Zeit frei einteilen. In einer Großstadt merkt man aber auch schnell, dass es nicht jedem so geht. Ich habe lange Zeit etwas gesucht, wo ich mich engagieren kann, ohne mich dabei selbst überwinden zu müssen. Das fand ich in der Lesepatenschaft. Ich gehe einmal in der Woche in die Spreewald-Schule und bin dort in einer internationalen Klasse. Das sind Projektklassen, in denen Kinder, die gerade nach Deutschland gekommen sind und noch gar kein Deutsch können, aufgefangen und langsam an die normalen Klassen herangeführt werden. Dort lese und spreche ich mit den Kindern. Das ist eine sehr erfüllende Aufgabe. An den Tagen, an denen ich in die Schule gehe, bin ich immer viel entspannter, als sonst.
Was machst Du, wenn Du nicht liest?
Ich gehe wahnsinnig gern ins Museum und schaue mir dort einzelne Sachen an. Ich gehe natürlich auch in Ausstellungen, aber ich gehe am liebsten in die Ständigen Sammlungen und setze mich da mit einzelnen Sachen konzentrierter auseinander. Ich gehe auch sehr gern ins Kino, was sicher von meiner Tätigkeit in einem Hamburger Programmkino herrührt. Ich gehe immer noch bestimmt zwei Mal die Woche ins Kino, um mir europäisches Programm- und Autorenkino anzuschauen. Ich gehe auch gern in die Oper… das klingt, als wäre ich so ein schrecklicher Bildungsbürger, dabei bin ich das gar nicht. Ich schaue auch viel Sport im Fernsehen, verfolge das zum Teil sehr intensiv. Ich könnte mir zum Beispiel stundenlang Tennis anschauen. Und ich habe eine Faszination für Sportstatistiken. Ich verschlinge diese förmlich und merke mir das dann alles, von Tabellenverläufen im Fußball bis hin zu den Rundenzeiten bei der Formel 1. Und seit es das Jahrhundertpferd Totilas gibt, lese ich wie gebannt alle Berichte über Dressurreiten.
Welche Autoren haben Dich geprägt?
Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich habe immer so Phasen. Ich habe eine Weile alles von Hans Henny Jahnn gelesen, dann mal alles von Wolfgang Koeppen. Da hat mich keiner für mein Leben geprägt, man nimmt halt immer etwas von dem Gelesenen mit und liest weiter. Begegnungen mit Autoren haben mich geprägt, wie die schon erwähnte mit Esther Kinsky oder auch meine Freundschaft zu Michael Roes. Da interessiere ich mich dann für alles, auch für den gesamten ästhetischen Zugang.
Und wenn Du drei Bücher auf eine Insel mitnehmen müsstest, welche wären das?
Ich würde Der Nachsommer von Adalbert Stifter mitnehmen, weil das einer der ersten, richtig großen Romane ist, die ich gelesen habe. Ich würde Moby Dick von Herman Melville einpacken. Und als drittes – ich muss überlegen, es muss ja dick sein – vielleicht etwas Zeitgenössisches… jetzt fällt mir keines ein. Natürlich könnte ich jetzt Marcel Proust sagen, aber das hat mich dann doch nicht so beeinflusst. Vielleicht nehme ich einfach eines von meinen Büchern mit. Obwohl, hier ist eines (greift auf einen Stapel älterer Bücher): Wargamäe von Anton Hansen Tammsaare, das ist der erste Band eines fünfteiligen Zyklus Wahrheit und Recht. Tammsaare ist der wichtigste estnische Autor der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das ist ein fantastischer Autor, den würde ich auch unglaublich gern neu herausbringen.
Wo ist Dein Verlag in fünf bis zehn Jahren?
Ich hoffe, dass es ihn noch gibt. Mein Konzept soll konkurrenzfrei sein, das ist mir wichtig. Mir wird oft geraten, ich soll nicht so offen sein und über zukünftige Projekte sprechen, aber ich merke, dass mir das schwer fällt, dass ich das albern finde. Nehmen wir zum Beispiel Tammsaare. Wenn das ein anderer Verlag macht, ist das auch toll, dann freue ich mich einfach darüber, dass es das Buch gibt. Es gibt in dem Genre, das ich mache, so viel, dass ich da kein Konkurrenzgefühl entwickeln kann. Der österreichische Verlag Jung und Jung hat aktuell Aleksis Kivi in einer Neuübersetzung herausgebracht, einen anderen großen, kaum noch bekannten finnischen Autor. Ich freue mich über das Buch »Sieben Brüder« und habe da nicht das Gefühl, dass ich mich mit Sillanpää da dagegen behaupten müsste. Mein Ziel war immer, etwas zu machen, was andere als schön wahrnehmen. Ich hoffe, dass ich mich da durchsetzen kann. Ich habe keinen Vorbildverlag, aber ich fände es schon toll, wenn ich mich so etablieren könnte, wie die Friedenauer Presse oder der Berenberg-Verlag. Ich möchte auch nicht viel größer oder berühmt und reich werden, sondern wenn ich und vielleicht noch zwei, drei andere davon irgendwann leben könnten, dann wäre das perfekt.
Aus diesem Interview ist ein Porträt für den Tagesspiegel entstanden, das hier online veröffentlicht ist.
[…] Vom Suchen und Finden vergessener Autoren | intellectures — sebastian guggolz, ehemaliger lektor bei matthes & seitz, der jetz gerade seinen eigenen verlag gegründet hat: Ich bin mir sicher, dass die laufende Diskussion von wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, von beiden Seiten, also auch von den Verlagen um Bonnier. Der Streitpunkt sind ja die Rabatte, die Amazon fordert. Wenn Amazon meine Bücher über die Barsortimente kaufen, dann bekommen die die Bücher zum gleichen Preis, wie jede andere Buchhandlung auch. Ich weiß nicht, ob die noch einen Sondervertrag mit den Barsortimenten haben, aber das kann mir auch egal sein. Das heißt, jedes Buch, das ich bei Amazon verkaufe, ist ein verkauftes Buch und damit gut für mich. Die Diskussion um die eBook-Rabatte betrifft mich gleich gar nicht, da ich derzeit ja keine eBooks verkaufe. Und wenn man als Verlagskunde mit Amazon ein Partnerprogramm eingeht, und damit erreicht, dass alle Bücher des jeweiligen Verlags auf Lager und umgehend lieferbar sind, dann muss man ohnehin mit Amazon direkt die Rabatte aushandeln. Man bekommt dann bestimmte Vorteile, muss aber höhere Rabatte einräumen. Das ist dann einfach Verhandlungssache. Amazon ist dann aber ein zuverlässiger Geschäftspartner. Mein Problem auf dem Buchmarkt ist nicht Amazon. Da bin ich auffindbar und meine Bücher sind relativ schnell lieferbar. Mein Problem sind nach wie vor die Großbuchhandlungen, also Thalia und Hugendubel, und noch schlimmer die ganzen Bahnhofsbuchhandlungen. Die werden in der Amazon-Debatte plötzlich von den Verlagen mit ins Boot geholt, weil dort die großen Verlage vertreten sind, aber für mich als Kleinverlag sind die wie gesagt das eigentliche Problem. Die nehmen mich nicht wahr und bestellen mich nicht, weil ich immer unter einer gewissen Mindeststückzahl bleibe. Bei denen tauche ich nicht auf, bei Amazon schon. Deshalb ist es aus geschäftlicher Perspektive auch schwierig, einfach nur zu sagen, Amazon ist der Böse und wir Verlage und der Buchhandel die Guten. Das Bedenkliche an der aktuellen Debatte ist die Tatsache, dass dahinter wirtschaftliche Interessen stecken und nicht, wie man meinen könnte und wie suggeriert wird, kulturelle. […]
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