Film

Ein BERLINale-Wettbewerb

Im Rennen um die Goldenen und Silbernen Bären beim 70-jährigen Jubiläum der Berlinale gehen drei deutschsprachige Filme, die jeder für sich Berlin in den Blick nehmen. Insgesamt sind 18 Filme im Wettbewerb vertreten, der eher Wert auf Kunst als auf Stars legt. Ob damit der Neustart nach Dieter Kosslick gelingen kann, bleibt abzuwarten.

Burhan Qurbanis »Berlin Alexanderplatz« ist wohl der am meisten erwartete Film im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale. Der Regisseur von »Wir sind jung, wir sind stark« präsentiert eine moderne und düstere Interpretation von Alfred Döblins Klassiker, in dem der portugiesische Schauspieler Welket Bungué und die Berlinerin Jella Haase die Hauptrollen übernehmen. Auch Christian Petzold, der zum wiederholten Male im Wettbewerb vertreten ist, sowie das schweizerische Duo Stéphanie Chuat und Véronique Reymond rücken Berlin ins Zentrum ihrer Filme. Chat und Reymond werfen in ihrem Film »Schwesterlein« mit Nina Hoss und Lars Eidinger in den Hauptrollen einen Blick in die Berliner Theaterszene, Christian Petzold erkundet in »Undine« nach Aussage des neuen Künstlerischen Leiters der Berlinale Carlo Chatrian den Mythos der Stadt. Insbesondere der Cast mit Paula Beer und Franz Rogowski in den Hauptrollen, lässt hier aufhorchen.

Undine von: Christian Petzold | © Christian Schulz/Schramm Film
Undine von: Christian Petzold | © Christian Schulz/Schramm Film

Ein Wiedersehen gibt es im Wettbewerb unter anderem mit dem koreanischen Regisseur Hong Sangsoo, der zum vierten Mal im Wettbewerb ist und zuletzt 2017 mit »On the Beach at night alone« um die Bären konkurriert hat. Im selben Jahr begeisterte die britische Regisseurin Sally Potter mit ihrem hochkarätig besetzten Kammerspiel »The Party« das Festivalpublikum. Mit einem Preis wurde sie jedoch nicht bedacht. Nun geht sie mit »The Roads not taken« in den Wettbewerb, der mit Javier Bardem, Elle Fanning, Salma Hayek und Laura Linney in den Hauptrollen den namenhaftesten Cast im ganzen Wettbewerb aufbietet. Auch das französisch-belgische Duo Benoît Delépine und Gustave Kervern ist nach 2010 wieder dabei, sie stellen ihren neuen Film »Delete History« vor. Der chinesisch-malaysische Regisseur Tsai Ming-Liang ist mit seinem Porträt »Rizi« wieder einmal zu Gast. Für »Der Fluss« (1997) und »Das Fleisch der Wassermelone« (2005) hatte er jeweils einen Silbernen Bären gewonnen, mit »Vor dem Regen« gewann er 1994 einen Goldenen Löwen in Venedig.

 Rizi | Days von: Tsai Ming-Liang |© Homegreen Films
Rizi | Days von: Tsai Ming-Liang |© Homegreen Films

Einen prominenten Neuzugang verzeichnet der Wettbewerb mit dem iranischen Regisseur Mohammad Rasoulof, der 2017 in Cannes für sein Drama »A Man of Integrity« ausgezeichnet wurde. In Berlin wird sein neuer Film »There is no Evil« gezeigt, ob er selbst anwesend ist, ist noch unklar. Es wäre nicht das erste Mal, das ein iranischer Regisseur nicht nach Berlin reisen darf, der mehrmals ausgezeichnete iranische Regisseur Jafar Panahi wurde sogar in Abwesenheit geehrt. Auch der Amerikaner Abel Ferrara ist erstmal in Berlin. Der Regisseur von »Bad Lieutenant« und »Pasolini« zeigt auf der Berlinale seinen neuen Film »Siberia«, schon im April startet in Deutschland sein Drama »Tommaso und der Tanz der Geister«. In beiden Filmen spielt Willem Dafoe die Hauptrolle, der 2018 mit dem Ehrenbären der Berlinale ausgezeichnet wurde. Neu ist auch der französische Regisseur Philippe Garrel, der sein Drama »The Salt of Tears« zeigt. Für seine Filme »Liebhaber für einen Tag« (2017) und »Unruhestifter« (2004) war er bereits bei den Filmfestspielen in Cannes und Venedig ausgezeichnet worden. Die Amerikanerin Eliza Hittmann ist mit ihrem Western »Never Rarely Sometimes Always«, der auch beim Filmfestival in Sundance im Wettbewerb ist, in Berlin vertreten.

 Sheytan vojud nadarad | There Is No Evil | Es gibt kein Böses von: Mohammad Rasoulof | © Cosmopol Film
Sheytan vojud nadarad | There Is No Evil | Es gibt kein Böses von: Mohammad Rasoulof | © Cosmopol Film

Außerdem erstmals im Wettbewerb sind die Argentinierin Natalia Meta mit ihrem Krimi »The Intruder«, die italienischen Brüder Fabio und Damiano D’Innocenzo mit ihrem Film »Bad Tales«, das brasilianische Duo Caetano Gotardo und Marco Dutra mit »All the Dead Ones«, die Amerikanerin Kelly Reichardt mit ihrem Western »First Cow« sowie die russischen Filmemacher Ilya Khrzhanovskiy und Ilya Permyakov, die ihr DAU-Projekt mit »DAU. Natasha« im Wettbewerb und mit »DAU. Degeneration« in der Berlinale Special Gala vorstellen. Zudem nehmen der kambodschanische Dokumentarfilmer Rithy Panh mit dem autobiografisch motivierten Beitrag »Irradiated« über den Völkermord in seinem Heimatland unter Pol Pot sowie der Italiener Giorgio Diritti, der mit »Hidden Away« einen Blick auf seine Heimat wirft, am Wettbewerb der 70. Berlinale teil.

DAU. Natasha von: Ilya Khrzhanovskiy, Jekaterina Oertel | © Phenomen Film
DAU. Natasha von: Ilya Khrzhanovskiy, Jekaterina Oertel | © Phenomen Film

»Die Wettbewerbsfilme erzählen kleine oder weltbewegende, individuelle oder kollektive Geschichten, die Bestand haben und ihre Wirkung im Zusammenspiel mit dem Publikum entfalten. Wenn die eher dunklen Farben überwiegen, mag das daran liegen, dass die von uns ausgewählten Filme eher illusionslos auf die Gegenwart blicken – nicht, weil sie Schrecken verbreiten, sondern weil sie uns die Augen öffnen wollen«, kommentierte Carlo Chatrian, der Künstlerische Leiter der Berlinale, auf der Pressekonferenz zum Wettbewerb. Auffällig ist, dass Chatrian, der zuvor das Filmfestival in Locarno verantwortet hat, nicht wie Kosslick auf große Namen im Line-Up setzt, sondern auf künstlerischen Anspruch. Dies betonte er auf der Pressekonferenz zum Wettbewerb.

 Never Rarely Sometimes Always von: Eliza Hittman | © 2019 Courtesy of Focus Features
Never Rarely Sometimes Always von: Eliza Hittman | © 2019 Courtesy of Focus Features

Ob er damit den Erwartungen an den viel erwarteten Neuanfang im ersten Jahr nach Dieter Kosslick gerecht werden kann, bleibt abzuwarten. Dazu braucht es auch einen Blick auf die anderen Sektionen, insbesondere auf das Panorama und den neuen Nebenwettbewerb Encounters, in dem »ästhetisch und strukturell wagemutige Arbeiten von unabhängigen, innovativen Filmemachern« gezeigt werden sollen. In der Sektion werden unter anderem die neuen Filme vonJosephine Decker, Alexander Kluge, Cristi Puiu oder Tim Sutton gezeigt. Das Programm des Panorama werden wie auch die Besetzung der Jury erst in den nächsten Wochen bekanntgegeben. Von der Jury ist bislang lediglich der Vorsitz bekannt, der britische Film- und Theaterschauspieler Jeremy Irons wird die Internationale Jury, die über die Vergabe der Bären bestimmt, leiten. Insgesamt ist das unter Kosslick immer stärker gewachsene Programm ausgedünnt worden, statt rund 400 Filme werden in diesem Jahr lediglich rund 340 Filme gezeigt.

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Die Jubiläumsausgabe der Berlinale wird von Philippe Falardeaus Literaturverfilmung »My Salinger Year« eröffnet. Der Film wird außerhalb des Wettbewerbs in der Berlinale Gala gezeigt. Dort laufen zudem einige Filme, die man eher im Wettbewerb vermutet hätte, etwa der neue Film der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland (»Charlatan«) oder »Persian Lessons« von dem russischen Indiefilmemacher Vadim Perelman. Außerdem werden Matteo Garrones »Pinocchio«-Verfilmung, Anne Fontaines Sozialdrama »Police« sowie die Disney-Animation »Onward. Keine halben Sachen« gezeigt.

Charlatan von: Agnieszka Holland | © Marlene Film Production
Charlatan von: Agnieszka Holland | © Marlene Film Production

Bei der Berlinale Special Gala kann man sich auf Johannes Nabers Politdrama »Curveball«, auf »Minamata«, den neuen Film von »Lullaby«-Macher Andrew Levitas, auf die Premiere von Nanette Bernsteins Dokuserie über »Hillary«-Clinton, auf das von Tilda Swinton erzählte Sci-Fi-Werk »Last and First Men« des 2018 in Berlin gestorbenen Filmkomponisten Jóhann Jóhannsson sowie auf den Dokumentarfilm des chinesischen Filmemachers Jia Zhang-ke (»Asche ist reines Weiß«, »A touch of Sin«, »Still Life«) mit dem Titel »Swimming Out Till The Sea Turns Blue«. Das komplette Programm der Special-Reihe finden Sie hier.

3 Kommentare

  1. […] nicht über, ganz im Gegenteil. Statt auf der Stadt ohne Mythos – bei der morgigen Premiere von Burhan Qurbanis »Berlin Alexanderplatz« mag man das schon wieder ganz anders sehen – herumzureiten, gibt das Drehbuch Paula Beer noch […]

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