Wie in kaum einem anderen Jahr wurde 2020 gelesen, denn Literatur gibt Halt. Dazu haben auch die vielen Titel aus den unabhängigen Verlagen beigetragen, die es immer schwerer gegen die großen Publikumsverlage haben. Hier findet ihr meine zwanzig Lieblingsbücher des Jahres aus den deutschen Indie-Verlagen, die aus Kapazitätsgründen nicht alle ausführlich besprochen werden konnten.
In der Galerie sind meine Top-20-Bücher aus den Indie-Verlagen versammelt. Nachstehend werden in Kurzkritiken die Bücher in rücklaufender Reihenfolge vorgestellt. Hier geht es zu den besten 20 Büchern aus Publikumsverlagen 2020.
Platz 20
Frank Berzbach: Die Schönheit der Begegnung
Fragt man Paare, wie sie zueinander gefunden haben, können sich viele nur noch dunkel daran erinnern. Frank Berzbachs Erzähler schrieb deshalb auf, wie es mit ihm und Linh begonnen hat. Aus den geplanten fünf Seiten sind 32 Variationen geworden, die von der unverhofften Begegnung auf der WG-Party über das eingefädelte Date bis hin zur Liaison Dangereuse im Swingerclub reichen. Nichts davon ist erwartbar, aber alles vollkommen vertraut. Nach dem grandiosen Wurf über »Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen« legt Alltagsphilosoph Berzbach einen bewundernswert sensiblen Erinnerungsroman über den Beginn einer großen Liebe vor. Angesichts der immer wiederkehrenden Isolation während des Corona-Jahres liest sich dieser Text über den Zauber der Begegnung wie das Sehnsuchtsbuch des Jahres.
Platz 19
Jorge Zepeda Patterson: Die Korrupten
Der 68-jährige Patterson ist der Don Winslow Mexikos, seine Kriminal-Literatur nimmt die Vorgänge in der mexikanisch-amerikanische Grenzregion von der anderen Seite in den Blick. Weil ein Großteil seiner Erkenntnisse »nicht druckbar« ist, hat er angefangen, sie in Krimis zu verarbeiten. Seine von Nadine Mutz übersetzte Trilogie um die »Blauen« beleuchtet die folgenschwere Verführbarkeit der Mächtigen und ihre Vernetzung mit der organisierten Kriminalität, indem er in eine Welt eintaucht, in der Menschenhandel, politische Korruption und internationale Finanzmarkttransaktionen zu einer milliardenschweren Normalität führen. »Die Korrupten« ist der Auftakt der Trilogie, in der die Grundlagen für die Dynamiken zwischen den Blauen geschaffen werden und sollte daher auch vor »Milena oder der schönste Oberschenkelknochen der Welt« gelesen werden. Hier gehts zur ausführlichen Besprechung.
Platz 18
Flavius Ardelean: Der Heilige mit der roten Schnur
In diesem fantastischem Roman erzählt ein lebendiges Skelett namens Bartholomäus Knochenfaust die Geschichte einer verlorenen Seele, der eine eigene Stadt gründet, um die dunklen magischen Kräfte, die er am eigenen Leib zu spüren bekommen hat, aus seiner Welt auszusperren. Die unnahbare Figur, von der hier die Rede ist, trägt den Namen »der Heilige Taush« und ist der titelgebende »Heilige mit der roten Schnur«, die in seinem Bauchnabel gesponnen wird. Anknüpfend an die tiefschürfende Literatur von Dante, Borges, Kafka und Murakami spielt dieser dieser wunderbar von Ecaterina Gabriela illustrierte und glänzend von Eva Ruth Wemme übersetze Roman mit den Mythen Transsilvaniens und der Bilderwelt der dunklen Romantik.
Platz 17
Sebastian Barry: Tausend Monde
Thomas McNulty und sein Freund John Cole hatten ihren ersten Auftritt in Sebastian Barrys Überraschungserfolg »Tage ohne Ende«, der – in der Übersetzung von Hans-Christian Oeser – vor zwei Jahren die Buchtische eroberte. Aus der Perspektive von McNulty wurden in diesem sprachgewandten Western die Ereignisse des Amerikanischen Bürgerkriegs und der Eroberungszüge gegen die Indianer geschildert. Von einem seiner Raubzüge bringt McNulty das Indianermädchen Winona mit, die bei ihm und Cole aufwächst. In »Tausend Monde« erzählt nun Winona ihre Geschichte – zumindest das, was sie davon weiß. Denn vor allem geht es darum, die weißen Flecken ihrer Erinnerungen zu füllen. Barrys neuer Roman ist eine fulminante Geschichte lauter Schreien und stummer Tränen. Sie handelt vom Verlust eines Lebens und dem Geschenk einer zweiten Chance. Und nähert sich erzählend den dunklen Geheimnissen, die Menschen in tiefe Abgründe stürzen können.
Platz 16
Ann Petry: The Street
Lutie Johnson hat eigentlich alles getan, um nicht zu den Armen zu gehören, die es nach unten spült, doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihr. Sie wird Opfer des Alltagsrassismus gegenüber der schwarzen Bevölkerung, des Masochismus der Nachkriegsgesellschaft und der Folgen der Klassengesellschaft. Lutie Johnson kämpft, doch kann sie auch gewinnen? Petrys vor über 60 Jahren geschriebener Roman hat alles, was ein Klassiker braucht, da er von einer frappierenden Universalität ist. Uda Strätling hat dieses bahnbrechende Werk neu ins Deutsche übertragen. Dreißig Jahre vor James Baldwin hat die afroamerikanische Autorin in Literatur gegossen, was es heißt, jung, schwarz und weiblich in einer amerikanischen Großstadt zu sein. Hier gehts zur ausführlichen Besprechung.
Platz 15
Christoph Höhtker: Schlachthof und Ordnung
Der neue Roman von Christoph Höhtker ging in der ersten Corona-Welle unter, dabei liest sich dieser rauschhafte Roman wie das Buch der Stunde. Es geht um eine Gesellschaft in der Krise, um ein heilbringendes Medikament und die immer gleiche Logik des Neoliberalismus. Hoffnung verspricht Marazepam, ein Medikament, in dem die einen eine Verschwöung, die anderen die Erlösung von allem Übel vermuten. Höhtkers Text kommt mit einem ungezähmten Punch daher, wie man ihn in der deutschen Literatur nur noch selten findet. »Schlachthof und Ordnung« ist eine beißende Satire auf die neoliberale Gesellschaft und zugleich das komplette Gegenteil mit Parallelen zu den Dystopien von Dietmar Dath und der Entrückung der Welt, wie sie einem in Clemens J. Setz Romanen begegnet. Hier gehts zur ausführlichen Besprechung.
Platz 14
Hiromi Goto: Chor der Pilze
Ausgehend von der eigenen Auswanderungsgeschichte erzählt die 1966 in Japan geborene Autorin hier von kultureller Zugehörigkeit und Selbstbestimmung. Sie handelt von Naoe, deren Tochter Keiko und ihrer Enkelin Muriel. Großmutter und Enkelin stehen telepathisch miteinander in Verbindung, während sich Keiko und ihr Mann um die familieneigene Pilzfarm kümmern. Naoe ist schon vor Jahrzehnten in Kanada angekommen, heimisch geworden ist sie jedoch nicht. Also bleibt sie in ihrer japanischen Welt, die ihre Tochter wiederum komplett abgelegt hat, damit Muriel wie jedes kanadische Kind aufwächst. Die spürt, nicht zuletzt aus den Erzählungen der Großmutter, dass es etwas fehlt. Als Naoe verschwindet, nimmt die Erzählung zauberhafte Züge an und Muriels Eltern erobern die abgelegte japanische Kultur zurück. Die von Karen Gerwig übertragene Poesie des Textes trägt durch diese magisch-realistische Familiengeschichte in der Tradition eines Haruki Murakami.
Platz 13
César Aira: Die Wunderheilungen des Doktor Aira
Als Jugendlicher entdeckte César Aira erst Jorge Luis Borges, dann Franz Kafka. Ohne sie nachzuahmen sind sie seine Fixsterne. Es ist daher kein Zufall, dass er seine Texte frei nach Borges’ als »Fiktionen« bezeichnet wissen möchte, statt sie einem Genre zuzuordnen. Seine neueste Fantasie ist einem müden Wunderheiler gewidmet, der zufällig den Namen des Autors trägt. Seiner paranormalen Fähigkeiten überdrüssig lässt sich jener Arzt auf einen Duell mit seinem Widersacher, einem Chefarzt für Inneres, ein. Ins Innere drängt auch dieses schmale, einmal mehr von Christian Hansen wunderbar übersetzte Büchlein, das aufgrund seines Covers fälschlicherweise für einen der ersten Corona-Romane gehalten werden könnte. Es ist aber alles andere als das. »Die Wunderheilungen des Doktor Aira« ist ein kleines Schlüsselwerk im literarischen Kosmos des Argentiniers, in dem es im Kern darum geht, ob und wenn ja, wie Wunder – literarische wie dieses eingeschlossen – möglich sind.
Platz 12
Anna Prizkau: Fast ein neues Leben
»Manchmal verschwindet etwas. So war es auch mit meinen Eltern. So ist das Leben.«, heißt es in der zweiten von zwölf kurzen Erzählungen, mit denen Anne Prizkau vom Ankommen und Fremdsein erzählt. Die FAZ-Redakteurin kam in den Neunzigern mit ihren Eltern aus Moskau nach Deutschland und hat in diesem schmalen Buch verarbeitet, wie sie sich, ihre Familie und die Gesellschaft, in der sie lebt, seither erlebt hat. Es geht gleichermaßen um Alles und Nichts, denn das Nichts ist etwas, das es auszuhalten gilt in der ewig andauernden Phase des Übergangs. Hoffnung, Sehnsucht, Angst, Wut, Traurigkeit und Scham – all diese Gefühle tauchen auf und ab und wühlen in der Erzählerin, wenn sie nicht gerade physische Erfahrungen des Verletztwerdens macht. In Sätzen wie Hammerschlägen erzählt Anne Prizkau von der Erfahrung, entfremdet zu werden und sich zu entfremden.
Platz 11
Jana Volkmann: Auwald
Judith steigt aus. Nicht freiwillig, sondern weil ihr Chef das will. Denn dass sie Holzarten am Geruch erkennen, aber so gar nicht mit Menschen kann, ist auch ihm nicht geheuer. Er verordnet ihr Urlaub, der sie nach Bratislava führt, wo infolge eines Diebstahls ihre Welt in magisch-realistische Kristalle zerfällt. Deren Leuchten führt Judith zu ihren Traumata und den Abgründen der Gegenwart. Dabei verschwimmen nicht nur Traum und Wirklichkeit, sondern auch die Erzählperspektiven. Und während man sich in diesem Auwald-Text verliert, setzt sich Judith »im Inneren der Au« nicht nur mit alten Fehlern und Körperproblemen auseinander, sondern findet sich dabei selbst. Jana Volkmann legt hier ein souverän erzähltes Prosadebüt vor, ausgezeichnet mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2021.
Platz 10
Lydia Davis: Es ist, wie’s ist
Die Amerikanerin Lydia Davis schreibt seit Jahrzehnten kurze Prosa. Manchmal ist es nicht einmal eine Seite, in die sie eine ganze Welt packt. Ihr nachgereichtes Debüt macht einmal mehr deutlich, warum sie jedes Jahr aufs Neue bei den Nobelpreiskandidat:innen gehandelt wird. Darin geht es um zerrüttete Beziehungen, um kriminalistische Sprachkurse und die Aufarbeitung von Vergangenem. Davis weist auf die Bedeutung von Nebensächlichem und Alltäglichem hin, weist ihnen den Platz im Glücksspiel des Lebens zu. In ihrer sprachlichen Brillanz, ihrer Prägnanz und Poesie – in der Übersetzung von Klaus Hoffer – bezeugen die frühen Stories im Band »Es ist, wie’s ist« die Genialität einer Autorin, die seit den 1970er Jahren immer wieder neu von sich reden macht. Gemeinsam mit fünf anderen Bänden liegen mit diesem Buch nun endlich sämtliche Erzählungen der großen Amerikanerin vor.
Platz 9
Anna Stern: das alles hier, jetzt
Anna Sterns mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnetes Buch handelt vom Abschied und Neuanfang. Anankes Tod hinterlässt ein tiefes schwarzes Loch in ihrem Freundeskreis, das es mit Erinnerungen und Geschichten zu füllen gilt, um Licht ins Dunkel dieses viel zu kurzen Lebens zu bringen. Poetisch und radikal schreibt Anna Stern von dem, was Ananke hinterlässt. Auf kurzen Episoden stellt Stern jeweils auf den Doppelseiten die schmerzende Trauer der tröstenden Erinnernung gegenüber. »es gibt tabletten, es gibt alkohol, es gibt heroin. und es gibt zufall und schicksal, und du warst überzeugt, das eine oder andere treffe dich früh: zuerst. vor allen anderen.« Ein zutiefst berührendes Buch über Freundschaft, Familie und die Kraft der Erinnerung.
Platz 8
Deborah Levy: Der Mann, der alles sah
Auf dem Zebrastreifen der Abbey Road, wo einst das legendäre Bild der Beatles entstand, wird Saul Adler, Sohn einer deutschen Jüdin und eines britischen Kommunisten, gleich zwei mal angefahren. Einmal 1988, kurz bevor er in die untergehende DDR reist, und einmal 2016, als er längst erfolgreicher Osteuropa-Forscher ist. In Deborah Levys virtuosem Roman erzählt er seine Geschichte und die seiner Generation, wobei Vergangenheit und Gegenwart ineinander verschwimmen. Was Wahrheit, was Fiktion, was Erinnerung, was Vision ist, kann man in diesem glänzend von Reinhild Böhnke übersetzten Roman kaum mehr unterscheiden. Stilsicher, pointiert und geschickt führt Deborah Levy durch diese alles andere als gewöhnliche Geschichte eines Lebens für die Literatur.
Platz 7
Edem Amuwey: Nächtliche Erklärungen
Studenten proben in einer der zahlreichen afrikanischen Diktaturen ein Bühnenstück von Beckett, als Unruhen aufkommen. Für den Erzähler in Edem Amuweys kraftvollem Exilroman ist das nur der Anfang einer Odyssee. Mit dem in Togo geborenen, in Frankreich aufgewachsenen und nach Kanada ausgewanderten Awumey kann man einen aufregenden Erzähler entdecken, der immer wieder die Erfahrung der Gewalt, der Flucht und des Exils in düster schillernde, kraftvolle Literatur bringt. Viel aktuellere und dringendere Literatur, hier erstmals übersetzt von Stefan Weidle, kann man angesichts einer Welt, in der diese Erfahrung von Millionen still geteilt wird, kaum lesen. Hier gehts zur ausführlichen Rezension.
Platz 6
Christine Wunnicke: Die Dame mit der bemalten Hand
Die in München lebende Autorin hat mit diesem Roman, der es – nachdem »Der Fuchs und Dr. Shimamura« und »Katie« auf der Longlist standen – bis auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat, einen wunderbaren historisch-philosophischen Roman geschrieben. In diesem ost-westlichen Divan (!) philosophieren der deutsche Kartograf Carsten Niebuhr und der persische Astrologe Musa al-Lahuri über Sternenbilder und deren Deutung. Aus Poesie, Weltanschauung und Geschichte formt Wunnicke eine federleichte Prosa, die Leser:innen zugleich in ferne Welten und ganz nah zum Selbst trägt. Völlig zurecht wurde dieser Roman einer schicksalhaften Begegnung mit dem Wilhelm-Raabe-Preis ausgezeichnet.
Platz 5
Anke Stelling: Grundlagenforschung
Die Wahlberlinerin Anke Stelling hat einen Blick wie ein Skalpell. Entsprechend seziert sie die gesellschaftliche Wirklichkeit in ihren Büchern wie kaum eine andere Schriftstellerin. In ihren gesammelten Erzählungen, die unter dem passenden Titel »Grundlagenforschung« erschienen sind, demonstriert sie das einmal mehr. Darin lässt sie die Hüllen fallen, zieht die Vorhänge der bodentiefen Fenster zur Seite und macht den Blick frei für die Einsamkeit und Dunkelheit, die sich hinter der Fassade auftut. Gerade in der Erbarmungslosigkeit ihren Figuren gegenüber findet Stelling die Worte, die die Widersprüche des Alltags, in denen wir alle leben, akkurat beschreiben. Hier gehts zur ausführlichen Kritik.
Platz 4
Nadeschda Mandelstam: Erinnerungen an das Jahrhundert der Wölfe
Ossip Mandelstams Lyrik hätte sicher auch ohne seine Frau den Weg in die Literaturgeschichte gefunden, aber wer weiß, ob dies so schnell gegangen wäre. Denn das einer Liebeserklärung gleichende Memoir von Nadeschda Mandelstam – in dem sich die langjährige Wegbegleiterin an das gemeinsame Leben, an Hoffen und Bangen, Freundschaft und Verrat, inneres und äußeres Exil erinnert – hatte es zuerst hinter den Eisernen Vorhang geschafft. In der erstmals vollständigen Neuübertragung und Kommentierung durch Ursula Keller werden zeithistorische Bezüge und persönliche Verbindungen sichtbar. Nadeschda Mandelstams »Jahrhundert der Wölfe« ist ein gigantisches Werk der autobiografischen russischen Literatur, auf einer Höhe mit den Erinnerungen von Warlam Schalamow, das vom Ringen um künstlerische Autonomie in Zeiten politischen Terrors erzählt.
Platz 3
Irina Liebmann: Die große Hamburger Straße
In ihrem mit dem Uwe-Johnson-Preis 2020 ausgezeichneten Roman beschreibt Irina Liebmann, wie sie sich dieser Straße, in der sie einst wohnte, über die Jahre immer wieder neu annäherte, wie sie Schicht um Schicht freilegte, mal dezidiert, dann wieder zufällig und unfreiwillig, um selbst das aufzuspüren, was zwischen und unter den Pflastersteinen verborgen ist. Indem sie die historischen Schwingungen zwischen den Fassaden der Häuser der großen Hamburger Straße zum Klingen bringt, schafft Liebmann so etwas wie eine universelle Wirklichkeit, in der all das mitschwingt, was einst war, was ist und was noch kommen mag. So beleuchten sich Vergangenheit und Gegenwart gegenseitig. »Viele vergessen jetzt vieles«, heißt es lakonisch in Irina Liebmanns neuem Roman. Die Berlinerin hat das, was in Vergessenheit geraten könnte, in diesem magisch-realistischen Buch bewahrt.
Platz 2
Tarjej Vesaas: Die Vögel
Mattis gilt seinen Nachbarn als zurückgeblieben, ihn aber interessiert das nicht. Er lebt mit seiner Schwester Hege in einer Hütte am See und widmet sich ganz seiner eigenen naturverbundenen Welt. Vor allem die Waldschnepfen haben es ihm angetan, in deren Balztänzen und Rufen er verborgene Botschaften wittert. Doch dann zieht ein Gewitter auf und die Ereignisse infolge von Blitz und Donner überschlagen sich. Als dann noch ein fremder Mann von der anderen Seite des Sees auftaucht, droht seine innere Welt zusammenzustürzen. Nach »Das Eis-Schloss« bezeugt »Die Vögel« einmal mehr die poetische Kraft der Literatur des Norwegers. Schmidt-Henkels Übersetzung aus dem Neunorwegisch ist so wohltuend und elegant wie die Geräuschkulisse in einem Wald. So bildet die Erzählung einen tragenden Klangteppich, ein Moosbett, in dem immer wieder knackende Äste, Vogelrufe und andere Tierlaute das harmonische Flirren der Natur zauberhaft erweitern.
Platz 1
Ulrike Almut Sandig: Monster wie wir
Wenn man nicht darüber spricht, wenn man nicht davon erzählt, dann ist es nicht geschehen, heißt es in »Monster wie wir«, meinem Indie-Buch des Jahres. Die Lyrikerin Ulrike Almut Sandig macht dem Schweigen in ihrem Prosadebüt ein Ende. Sie spricht über die Erfahrung ihrer Protagonisten Ruth und Viktor, die beide mit sexueller Gewalt in der Familie konfrontiert sind. Dabei findet sie Worte für Unsagbares und zeigt, wie sich Leid und Trauma wiederholt. »Alles beginnt damit, eine Ohrfeige für das natürliche Ende eines Gesprächs zu halten.« So klar, so brutal, so einfach kann es manchmal sein. »Monster wie wir« bietet eine der eindringlichsten Lektüren, die man im Literaturjahr 2020 machen konnte. Erschütternd, nachhaltig und sprachlich brillant.
[…] In der Galerie sind meine Top-20-Bücher aus den Publikumsverlagen versammelt. Nachstehend werden in Kurzkritiken die Bücher in rücklaufender Reihenfolge vorgestellt. Hier geht es zu den besten 20 Büchern aus unabhängigen Verlagen 2020. […]
[…] für diese Übersetzung hat er kein Werkzeug geschont, so rund, so samtig, so elegant ist sein deutscher Text, der zu den schönsten gehört, die man im letzten Jahr entdecken konnte. Dass seine Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung nun […]
[…] gehört neben Lisa Maria Schulz, Mikael Vogel, Noah Klaus und Ulrike Almut Sandig auch zu den Berliner Lyriker:innen, die an der aufregenden Anthologie »Poetry for Future« […]
[…] aß« von Manja Präkels, »Mit der Faust in die Welt schlagen« von Lukas Rietzschel, »Monster wie wir« von Ulrike Almut Sandig oder »1000 Serpentinen Angst« von Olivia Wenzel genannt. Diese in Brandenburg, der Lausitz, […]