Erzählungen, Literatur, Roman

Trabanten und Schnapskirschen

Die Folgen der Wiedervereinigung beschäftigen Deutschland bis heute, das Verhältnis zwischen Ost und West ist nach dreißig Jahren immer noch von Vorurteilen und Befindlichkeiten geprägt. Die vielfältige literarische Aufarbeitung der Wende- und Nachwendejahre zeigt die enormen Erschütterungen und Verluste der ostdeutschen Teilgesellschaft und hat gerade darin ein enormes utopisches Potential.

Begeisterung brach in der Messehalle aus, als Clemens Meyer 2008 für seinen Erzählungsband »Die Nacht, die Lichter« den Preis der Leipziger Buchmesse erhielt. Zwei Jahre zuvor war der Lokalmatador mit seinem Nachwende-Roman »Als wir träumten«, der von Andreas Dresen schwungvoll verfilmt wurde und dessen englische Übersetzung von Katy Derbyshire gerade für den International Booker Prize nominiert worden ist, als großer Favorit noch leer ausgegangen.

Als freier Kritiker beobachtete ich damals das Geschehen und ballte in meiner Hosentasche genügsam die Faust, als Meyers Name fiel. Zwei Jahre nach Meyer geboren und ebenfalls im Osten groß geworden, haben mich Geschichten, die meinen Leuten eine Stimme geben, schon immer mehr angezogen als Erzählungen, die in der Eifel oder im Ruhrgebiet spielen. Man mag das Kulturpessimismus schimpfen, aber der Kontrollverlust, die Desorientierung, die leise Melancholie und brutale Unmittelbarkeit, die mich in den ostdeutschen Geschichten erwartete, hatte mehr mit mir und meinen Erinnerungen zu tun.

Die Romane und Erzählungen von Clemens Meyer bevölkern Gestalten, die in aller Härte durch existenzielle Krisen gehen. Meyer widmet sich in seinem Schreiben den kleinen Leuten, die mit dem Leben und seinen Brüchen kämpfen, die vergeblich ihr Glück suchen und trotzdem weitermachen, die im Dreck leben und dennoch ihre Menschlichkeit bewahren. Er beschreibt immer wieder den Tanz auf dem brodelnden Vulkan der Nachwendezeit. Jede seiner Figuren trägt in ihrem Kampf gegen die sinnlose innere und äußere Leere dazu bei, das vielstimmige und facettenreiche Porträt einer Gesellschaft um Umbruch zu zeichnen.

Der Wende- und Nachwenderoman ist längst ein eigenständiges literarisches Genre, in dem es laut Wikipedia um die Wende und die friedliche Revolution in der DDR, den Mauerfall und die deutsche Wiedervereinigung sowie die Nachwendezeit in Ostdeutschland geht. Zu den Klassikern zählen neben dem Werk von Clemens Meyer beispielsweise Thomas Brussigs heitere Romane »Helden wie wir« und »Wie es leuchtet«, Jana Hensels autobiografischer Band »Zonenkinder«, Ingo Schulzes Wende-Erzählungen in Werken wie »Handy«, »Neues Leben« oder »Adam und Evelyn«, Uwe Tellkamps bildungsbürgerlicher Schlüsselroman »Der Turm«, Peter Richters brutales Plattenbau-Porträt »89/90« sowie Lutz Seilers anarchistischer Aussteigerroman »Kruso«.

Die Wende- und Transformationserfahrung hat in der ostdeutschen Teilgesellschaft bis heute eine herausgehobene Bedeutung. »Wir versuchen, den Systemwechsel in jedweder Hinsicht zu vollziehen«, kommentiert die proletarische Erzählerin in Heike Geißlers betörendem Leipzig-Roman »Die Woche« ironisch den bis heute andauernden Anpassungsprozess der Ostdeutschen. Der bis heute von »Statusängsten und kulturellen Irritationen« geprägt ist, wie der Soziologe Steffen Mau in seinem lesenswerten Band »Lütten Klein« festhält.

Nach wie vor schreiben vor allem ostdeutsch sozialisierte Autor:innen gegen Unwissen, Voreingenommenheit und Ignoranz des Westens an. »Es ist westdeutscher Mainstream, über den Osten zu lachen und ihn als rückständig zu betrachten«, räumt die westdeutsch sozialisierte Journalistin Nicole Zepter in ihrem Buch »Wer lacht noch über Zonengaby?« ein. Viele Westdeutsche haben ihre Vorurteile kultiviert, ohne jemals wirklich Kontakt zu ostdeutschen Lebenslagen oder Gefühlswelten gehabt zu haben. Dagegen schreiben momentan viele ostsozialisierte Autor:innen – teils nüchtern, teils im Furor – an.

Das ist insofern überraschend, als dass diese in den vergangenen dreißig Jahren in unzähligen Büchern, Filmen, Ausstellungen und Debatten thematisiert worden sind. Bei den literarischen Aufarbeitungen lassen sich einige, wenngleich nicht trennscharf abzugrenzende Narrative identifizieren: Epische Ergründungen der komplexen Geschichte, melancholische Kindheitserinnerungen, prosaische Milieustudien, gewaltvolle Nachwendegeschichten und soziologische Gesellschaftsromane.

Guntram Vesper hat mit seinem 2016 in Leipzig ausgezeichneten Roman »Frohburg« die epische Biografie der titelgebenden sächsischen Kleinstadt verfasst. Der 2020 verstorbene Vesper knüpfte dafür aus erinnerter und (re-)konstruierter Familien-, Stadt- und Landeshistorie ein engmaschiges erzählerisches Netz, in dem die großen historischen Bögen – Weltkrieg, Einmarsch der Roten Armee und DDR-Alltag – dicht mit den Schicksalen der kleinen Leute – lokale Kriminalfälle, kulturelle Eigenheiten und persönliche Erinnerungen – verwoben werden. In engen Maschen knüpft er ein historisch fundiertes Netz, das die Vielschichtigkeit der deutsch-deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts in all ihren Widersprüchen sichtbar macht. Vertieft wird diese epochale Perspektive in seiner Prosa, die gesammelt in dem Band »Nördlich der Liebe und südlich des Hasses« erschienen ist. Hier erscheint die Chronik des zweiteiligen Deutschlands als ebenso brüchig und doppelbödig, wie sie die Menschen erlebt haben.

Die kleinen Leute stehen auch in Birk Meinhards zweiteiligem Epos »Brüder und Schwestern« im Mittelpunkt. Darin erzählt der zweifache Kisch-Preisträger aus der Perspektive der so genannten Arbeiterklasse vom schizophrenen Dasein in der DDR, was ihm. Die Nähe der Erzählung zu den einfachen Leuten brachte ihm den Titel eines »Anti-Tellkamp« ein, was angesichts der Jubelstürme um Tellkamps bildungsbürgerlicher Studie in »Der Turm« durchaus Beigeschmack hat. Die Handlung seiner Romane folgt den Mitgliedern der Familie Werchow, die in Thüringen eine Druckerei betreiben. Im die Jahre 1973 bis 1989 umfassenden ersten Roman geht es um das Auf- und Abladen von Schuld durch Verstrickungen in Staatsapparat und Widerstand. Der zweite, die Nachwendejahre beschreibende Roman nimmt facettenreich die seelischen, moralischen und existenziellen Brüche seiner Figuren in den Blick, die der Übergang aus der sozialistischen Planwirtschaft in den Kapitalismus mit sich brachte.

Stets die Geschichte im Blick hält auch der Journalist und Autor Alexander Osang, der mit seinem Roman »Die Nachrichten« aus dem Jahr 2005 zu einem der wichtigsten Autor:innen mit Ostsozialisation aufstieg. Darin erzählt er die Geschichte des Nachrichtensprechers Jan Landers, der es völlig unproblematisch findet, nach der Wende der einzige Journalist mit DDR-Vergangenheit zu sein. Er will seine Chance nutzen, böse Zungen würden ihn einen klassischen Wendehals nutzen. Doch aller Anpassungswille nutzt nicht, als Stasi-Gerüchte aufkommen und er suspendiert wird. Landers begibt sich auf eine Reise in die eigene Vergangenheit und die Abgründe der Geschichte. Das Spiel mit dem eigenen Dasein als Journalist findet sich auch in seinem letzten Roman »Fast hell« wieder. Dieses Doppelporträt – von Osang und seiner Figur gebrochenen Uwe – reflektiert das Dasein eines Ostmannes in einer neuen Zeit, seine Neugier, seine Getriebenheit und sein Hadern mit sich und der Welt in einer berührenden Weise, wie man es selten liest. Nicht minder fulminant ist die autobiografisch motivierte Familiengeschichte »Die Leben der Elena Silber«, ein Epos, dass sich über zwei Jahrhunderte von Berlin-Pankow bis nach Russland erstreckt. Osang schickt Elenas Enkel Jahre nach ihrem Tod auf eine Reise in die Familiengeschichte, in der sich doch manches anders darstellt als von Elena immer behauptet. Eine ebenso lebendige wie leichtfüßige Geschichte, mitreißend und sprachgewaltig, voll kluger Dialoge und einprägsamer Bilder, die einen Literaturpreis verdient gehabt hätte.

Diesen männlichen DDR-Chroniken stehen mit den Werken von Kathrin Schmidt und Irina Liebmann deutlich feministischere Perspektiven auf die deutsch-deutsche Geschichte gegenüber. Schmidts erster, magisch-realistischer Roman »Die Gunnar-Lennefsen-Expedition« umfasst die deutsch-deutsche Geschichte der Familie Schlupfburg und ist vor allem aufgrund seiner dezidiert weiblichen und ostdeutschen Perspektive interessant. In ihren weitläufigen Netzen aus Figuren, Zeiten und Motiven, die sie in ihrer Prosa auswirft, kommen vor allem die patriarchalen Linien schlecht weg. Die Buchpreisträgerin von 2009 (mit ihrem Roman »Du stirbst nicht«) interessiert sich nicht für männliche Dynastien, sondern für die weiblichen Schicksale in der Geschichte, wie sich auch in ihrem letzten Roman »Kapoks Schwestern« gezeigt hat. Diese Geschichte einer jüdischen Familie in der DDR springt vor und zurück, versucht die historischen Kräfte in den Griff zu bekommen, die an den Figuren zerren, und sie in einer Berliner Kleingartenkolonie zu bündeln. Weltkrieg und Naziterror spielen dabei eine ebenso große Rolle wie der Stalinismus und die Enge in der DDR.

Auch Irina Liebmanns Prosa ist raum- und geschichtsgreifend angelegt. Ihr letzter Roman »Die Grosse Hamburger Straße« bildete den Abschluss einer Trilogie, in der sie die Perspektive vom Kleinen zum Großen weitet, angefangen bei den dokumentarischen Erzählungen der Bewohner in einem »Berliner Mietshaus«, mit denen sie 1982 debütierte, über die Entwicklung des Lebens in jener »Grossen Hamburger Straße« bis hin zu ihrer romantischen Reise in den »Letzten Sommer in Deutschland«, bei der sie schon Mitte der neunziger Jahre den Blick hinein in die breite Gesellschaft warf. Und dann ist da natürlich noch die Biografie »Wäre es schön? Es wäre schön! Mein Vater Rudolf Herrnstadt«, für die sie 2008 den Leipziger Buchpreis erhielt. Auch in ihr schillert die deutsch-deutsche Geschichte. In ihrem Werk kehrt Liebmann immer wieder in Berlins Mitte zurück, in dessen Osten sie den Großteil ihres Lebens verbracht hat. Dort fühlt sie sich zuhause, auch wenn kaum noch etwas von dem was war übrig ist. Aber in ihrem Kopf ist noch alles da, in vier weiteren Büchern mit Essays, Fotografien, Gedichten und Prosa hat sie es festgehalten. Ihr Roman »Die freien Frauen«, einer ihrer besten, gehört dazu, in der sich Elisabeth Schlosser erst die Seele aus dem Leib schreibt, um sich dann aufzumachen und das Alte hinter sich zu lassen. Die Uwe-Johnson-Preisträgerin zieht die Leser:innen oft in ihr Werk hinein, indem sie sie direkt anspricht. »Sieh, die Häuserwände, so abgeschrammt, bröckelig, so alt. Seit dem Krieg stehn sie so unberührt da, seit dem Krieg. Auch sie trüben das Licht uns ein, auch sie«, raunt sie in der »Grossen Hamburger Straße« jenen ins Ohr, die mit ihr durch die Straße flanieren, hinter die Türen und Gardinen erstaunt in die Tiefe der Zeitläufte schauen.

Diese autobiografisch geprägte Herangehensweise findet sich auch bei Autoren wie Kurt Drawert oder Peter Wawerzinek wieder. Beide erkunden in ihrem Texten durch eine ganz individuelle Mischung von Erzählung und Reflexion die eigene Geschichte in der untergegangenen DDR. Drawert schrieb in den frühen 90er Jahren den ebenso aufwühlenden wie sprachgewaltigen Roman »Spiegelland. Ein deutscher Monolog«, in dem die Geschichte einer Vater-Sohn-Beziehung erzählt und diese geschickt mit den zeitgeschichtlichen Ereignissen verknüpft. 2008 erschien dann sein Roman »Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte«, in dem er in einer mit fantastischen Motiven spielenden Erzählung das Kaspar-Hauser-Prinzip aufgreift, um vom Ende der DDR und dem Übergang in eine neue Zeit zu erzählen. »Hier und da sahen wir noch Betonmauerreste, aus den Erdfugen gesprengte Stahlwände und Schachteinlässe, Zollbaracken und Kontrollpostentürme, aber alles nur noch in der eher albtraumhaften Verweisung darauf, einmal existiert zu haben, wie letzte, locker herumliegende Knochenrückstände, die an ein Schlachtfest erinnern.« In seinem letzten Roman »Dresden. Eine zweite Zeit« legt er sein Ohr noch einmal auf die Gleise der (auch eigenen) Geschichte, um zwischen Traumdeutung und Gesellschaftsanalyse den langen Schatten der DDR-Diktatur und sein inneres Unbehagen mit der Gegenwart aufzuzeigen.

Peter Wawerzineks Schreiben schließt sich eher an die Kaspar-Hauser-Geschichte an. Die Rolle des verlassenen und verwahrlosten Kindes kennt der in Berlin lebende Autor nur zu gut. Er wurde 1957 von seinen Eltern in Rostock zurückgelassen und wuchs in staatlichen Kinderheimen auf. Welche Traumata er dort erfahren hat und was das Aufwachsen ohne Mutter bedeutet, hat er in seinem fulminanten Roman »Rabenliebe« verarbeitet, mit einem Auszug gewann er 2010 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Im Roman schildert er die Kindheit im Heim und sein Leben zwischen verschiedenen Adoptionsstühlen einiger Möchtegerneltern, aber auch von seiner Suche und dem enttäuschenden Auffinden seiner Mutter nach der Wende. Nach »Rabenliebe« erschienen noch die ornithologisch motivierten Romane »Schluckspecht« und »Liebestölpel«, die als biografisch inspirierte Trilogie Wawerzineks haltlose Suche nach Antworten aufzeigen, der die dunklen Seiten der DDR wie kaum ein anderer am eigenen Leib gespürt und jahrzehntelang mit den hinterlassenen Wunden gekämpft hat. In allen Romanen schreibt er gegen das Schweigen an, gegen das der Geschichte, der staatlichen Institutionen, der Familie und das eigene. Indem er sich den eigenen Dämonen stellt, entblößt er zugleich die (staats)historischen und lässt begreifen, wie das Leben in der DDR auf der Seele des Individuums lastet.

Die Ost-Prosa ist geprägt von der Erfahrung, dass sich jederzeit alles ändern kann. Sie erzählt von Status- und Sicherheitsverlust, von Resignation und Gewalt. Zu Unrecht wird sie von Redaktionen mit mehrheitlich westsozialisierten Journalist:innen gern darauf reduziert – wohl um den Blick auf das Fremde, das Andere, das Abgründige bestätigt zu sehen. Dabei finden sich auch melancholisch-warme, augenzwinkernde Blicke auf die Verhältnisse im Osten. Jakob Hein, Jochen Schmidt oder André Kubiczek lassen in ihren Erinnerungsromanen meisterhaft die DDR-Atmosphäre ihrer Kindheit und Jugend wiederaufleben, gleiches gilt für den Comiczeichner Mawil und sein Tischtennis-Epos »Kinderland«. Ihre heranwachsenden Helden erleben da in Ferien- und Pionierlagern absurde Mutproben, ersten Liebesschmerz und die unerträgliche Leichtigkeit des Seins fernab politischer Zwänge. Die Beklemmungen der gesellschaftlichen Verhältnisse schimmern in diesen Abenteuerromanen nur am Rand auf, der kindlich-naive Blick auf die Welt steht im Vordergrund. »Wir verstehen nicht, dass die Erwachsenen so wenig Phantasie haben, sich vorzustellen, was uns wirklich Spaß macht, das ist belastend. In allem, was uns betrifft, sind wir ihnen von Natur aus überlegen«, sagt etwa der Held in Jochen Schmidts Erfolgsroman »Schneckenmühle« altklug. 

Neben diesen Abenteuerromanen existieren ostdeutsche Milieustudien unterschiedlicher Prägung. Die intellektuellen Kreise erkunden (der frühe) Uwe Tellkamp in »Der Turm«, Lutz Seiler in »Kruso« und »Stern 111« sowie Jenny Erpenbeck in ihrem jüngsten Roman »Kairos«, dem der bildungsbürgerliche Hintergrund schon im Titel eingeschrieben ist. Diese Geschichten führen ins bürgerliche Milieu am Weißen Hirsch in Dresden der Vorwendejahre, in die anarchistischen Künstlerkreise auf Hiddensee und im Prenzlauer Berg 1989/90 sowie in die kulturelle Bohème Ost-Berlins der 80er Jahre. Der Erfolg dieser Romane ist wohl auf die alternative Parallelwelt zurückzuführen, die darin als echte Option in der DDR aufgezeigt wird und somit das Bild der moralisch verkommenen Stasi-Mehrheit einerseits und einer avantgardistisch-gewitzten Opposition andererseits erhärtet. Dabei zeigen diese Romane, wenn man genau liest, die Verhältnisse deutlich differenzierter und wie unter einem Brennglas.

Die schillernden Figuren spiegeln dabei gleichermaßen über den Dingen stehende wie von den Verhältnissen (und der Liebe) bedrohte Existenzen, die sich selbst beobachtend dem Ende der DDR entgegenlaufen. »Das Gefühl abtrennen von sich und unters Mikroskop legen, darin bestand in Wahrheit die Kunst in diesem verfluchten zwanzigsten Jahrhundert«, sagt Hans in Erpenbecks Liebesroman »Kairos«. Der Lockruf der Freiheit wird in diesen mindestens teilweise in der DDR spielenden Romanen nicht selten zum Gesang der Sirenen. »Und jeder hört etwas. Erlösung vom Beruf. Vom Mann. Vom Zwang. Vom Staat. Von der Vergangenheit«, heißt es in Lutz Seilers mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman »Kruso«.

Das Kulturmilieu spielt auch in Jan Faktors Schelmenroman »Trottel« keine unwesentliche Rolle. Ausgezeichnet mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2022 ist diese autobiografisch gespeiste Geschichte ein packendes Zeitdokument des Alltags in der DDR, in die der in Prag geborene Autor Ende der 70er Jahre der Liebe wegen zog. Diese Liebe gilt Annette Simon, ihrerseits Tochter von Christa Wolf. Entsprechend hat das erzählende Alter Ego umgehend Zugang zur kulturellen Bohème. Der Erzähler agiert in diesem Roman als freigeistiger König der Abschweifung (wie man es schon aus seinem Roman »Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag« kennt), der vom gleichermaßen bitteren wie schmerzhaften Selbstmord seines Sohnes erzählt, aber auch von der befreienden Anarchie der Punks in der DDR. In seinem Roman verarbeitet er zudem die Überwachung durch die Stasi als vergnügliches Katz- und Maus-Spiel, bei dem die Kinder der Intellektuellen eine zentrale Rolle spielten. »Mit der Stasi, fällt mir noch ein, machte man manchmal auch recht belebende Erfahrungen. Das hing unter anderem damit zusammen, dass etliche Staatsfeinde in unserer Gegend gleichaltrige Kinder hatten. Folgerichtig gab es dann immer wieder Kindergeburtstage, die die Stasi logischerweise nur als Tarninszenierungen einstufen konnte.« Das geniale Chaos dieses Romans, assoziativ mit viel Ironie in einen mitreißenden Rhythmus gebracht, macht aus den biografischen Dramen und staatlichen Idiotien eine einmalige Tragikomödie.

Als Schwiegersohn von Christa Wolf gehörte Faktor zur emsigen Pankower Künstlerszene, die Bernd Wagner in seinem großen Erinnerungskompendium »Verlassene Werke« raumgreifend porträtiert. Wagner ist Zeit seines Lebens Teil der Berliner Künstlerkreise gewesen, seinen Alltag, sein Erleben, seine Gespräche und Begegnungen hat er stets in literarischen Texten verarbeitet. Der beeindruckende Zettelkasten, der unter dem Titel »Verlassene Werke« erschienen ist, versammelt seine Aufzeichnungen aus den Jahren 1976 bis 1989, die zunächst im Ostteil der Stadt und – ab Ende 1985 – im Westen entstanden sind. In diesen stets literarischen Texten wird man aus der Erzählung der Geschichtsbücher heraus und ganz in den subjektiven Erzählstrom des Literaten gerissen, in denen er Begegnungen mit der Avantgarde der DDR-Literaturszene (Elke Erb, Wolfgang Hilbig, Katja Lange-Müller, Bernd Papenfuß, Christa Wolf) ebenso verarbeitet wie Träume, die er nach dem Aufwachen protokollierte. Auch wenn Wagner für das Zentralorgan der DDR schrieb, konnten viele der Texte, die er hier mit dem Abstand von Jahrzehnten noch einmal arrangiert und kommentiert, nie erscheinen. Diese nun endlich nicht mehr verlassenen Werke zeichnen das Bild eines unbequemen Denkers, der sich auch unter widrigen politischen Umständen nicht anpassen wollte und zugleich immer das Spannungsverhältnis zu der ihn umgebenden Welt als Antrieb und Inspiration für das eigene weltkritische Schaffen verstanden hat. Er selbst hat seine Textwelten nie verlassen, entsprechend lange wurde er nach der Wende ignoriert. Mit diesem Band, der nicht weniger als seine éducation sentimentale als Schriftsteller offenlegt, kommt er fulminant auf die Bühne der Literatur zurück.

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ist ein Subgenre entstanden, dass sich mit der rechten Gewalt in den Neunzigern auseinandersetzt. Aggressive Drohgebärden und Verfolgungsjagden, wie sie bei den Protesten von Rechtspopulisten und Rechtsextremen seit 2015 bundesweit auftreten, waren für viele Ostsozialisierte nichts Neues. In der Nachwendezeit dominierte vielerorts die Aggression von Neonazibanden die ostdeutschen Straßen. Der in Frankfurt/Oder aufgewachsene Christian Bangel, Autor des ironisch-ernsten Nachwenderomans »Oder Florida«, bezeichnete diese Zeit deshalb als »Baseballschlägerjahre«, die seither den Diskurs über die Literatur aus dem Osten dominieren.

Dies liegt auch daran, dass sich rechte Gewalt massiv in vielen Nachwende-Erzählungen niederschlägt. Was dabei aus dem Blick gerät ist der Aspekt, dass es sich in der Erzählhaltung und der Erzählperspektive meist um Milieustudien aus der ehemaligen Arbeiterklasse handelt, die aufgrund der radikalen wirtschaftlichen Umgestaltung in den Neunzigern zu großen Teilen von (arbeits)biografischen Brüchen betroffen war.

Strukturwandel, Arbeitslosigkeit, familiäre Tragödien und allgemeine Desorientierung prägen die Nachwende-Literatur. In den Nuller Jahren griffen zunächst Autoren wie Clemens Meyer mit »Als wir träumten« oder Peter Richter in »89/90« das ersatzlose Wegbrechen der alten Ordnung, das überdrehte Erobern neuer Freiheiten und die brutalen Brüche in Freundeskreisen auf. Die viel beschriebene Chiffre der Eskalation der Gewalt im Osten wurde dabei sprachlich konkret. »Alle hatten einen Baseballschläger, ohne jemals etwas von einem Homerun oder Inning gehört zu haben«, heißt es etwa in Peter Richters Wenderoman.

Die Knüppel verschwanden so schnell nicht aus den Kinderzimmern, wurden von den großen Brüdern an die kleinen weitergegeben, wie man in zahlreichen Wendeerzählungen der jüngeren Generation erfahren kann. Stellvertretend seien hier die Provinzromane »Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß« von Manja Präkels, »Mit der Faust in die Welt schlagen« von Lukas Rietzschel, »Monster wie wir« von Ulrike Almut Sandig oder »1000 Serpentinen Angst« von Olivia Wenzel genannt. Diese in Brandenburg, der Lausitz, Sachsen-Anhalt und Sachsen angesiedelten Erzählungen beschreiben eine chaotische Welt voller Verwüstungen und Verwerfungen, in der die alten Autoritäten gestürzt werden und der brutalen Energie der halt- und identitätslosen Wendegeneration nichts entgegenzusetzen haben. »Alles beginnt damit, eine Ohrfeige für das natürliche Ende eines Gesprächs zu halten«, wird die Wurzel der Verrohung bei Ulrike Almut Sandig benannt. So einfach und brutal kann die Wahrheit manchmal sein.

Dass es vor allem für die rechtsextreme Gewalt eine Vorgeschichte im Osten gibt, beweisen mit Jackie Thomae und Olivia Wenzel nicht zufällig zwei BiPocs unter den ostdeutschen Autor:innen. Während Wenzel vom Rassismus der Neunziger aus Perspektive einer Betroffenen erzählt, zeigt Thomae, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit schon in der DDR existierten. Dies liegt im Hiuntergrund ihrer Erzählung von zwei Söhnen eines senegalesischen Mediziners, die in verschiedenen Welten leben und so auch unterschiedliche Blicke auf die Wirklichkeit entwickeln. Für den einen wird das Berlin der Nachwendezeit zum polyglotten hedonistischen Spielplatz, wie es auf einem Benetton-Plakat abgebildet sein könnte. Der andere wird als angepasster Liberaler, der Zeit und Umstände manisch in den Griff zu bekommen versucht. Race, Class und Gender spielen im Tiefengrund des Romans immer eine Rolle, werden zugleich aber nie zur Schablone des Blicks auf die gesellschaftlichen Verhältnisse. Das Außenseitertum von Thomaes Figuren lässt sich auch unabhängig von Fragen der Hautfarbe lesen, was dem Roman eine besondere Bedeutung in der Ost-Literatur zuweist. So nonchalant wurde noch nie über nicht-weiße Herkunft, den Osten und die Nachwendejahre erzählt.

Wer dachte, die ostdeutsche Gewalt-Erzählung sei damit durch, wurde im vergangenen Jahr eines Besseren belehrt. Mit Daniel Schulz’ »Wir waren wie Brüder«, Hendrik Bolz’ »Nullerjahre« und Domenico Müllensiefens »Aus unseren Feuern« erschienen drei Bücher, die aus Potsdam, Stralsund und Leipzig lokale Eindrücke der Baseballschlägerjahre bieten. Diese ausnahmslos autobiografisch geprägten Texte belegen einmal mehr, wie die gewaltverherrlichende rechte Subkultur in der ostdeutschen Umbruchgesellschaft zur prominent ignorierten Alltagserscheinung wurde. In all diesen Geschichten tauchen plötzlich Reichskriegsflaggen in Kinderzimmern auf, werden pubertäre Jungs zu kahl geschorenen Schlägern und der öffentliche Raum zur angstbesetzten Zone. Diese Erzählungen beschreiben eine chaotische Welt voller Verwüstungen und Verwerfungen, in der die alten Autoritäten gestürzt werden und der brutalen Energie ihrer halt- und identitätslosen Kinder nichts entgegenzusetzen haben.

Spiegel-Journalistin Sabine Rennefanz, die selbst mit »Eisenkinder« eine eindrucksvolle Studie über die stille Wut der Wendekinder vorgelegt hat, kritisierte im vergangenen Jahr, dass die neuerliche Welle der Nachwenderomane auf einem Auge blind sei. Der Fokus auf das eigene Erleben der Wendezeit blende die Kämpfe der Elterngeneration aus, obwohl deren Leben am stärksten erschüttert wurde, so die in Brandenburg aufgewachsene Autorin. Insbesondere Mütter kämen ihr zu kurz, dabei würden diese als Kippfiguren zwischen emanzipierter Ost-Sozialisation und traditionellem Backlash doch eine besonders spannende Projektionsfläche bilden.

Blendet man Clemens Meyers fulminantes Werk aus und liest man die ostdeutsche Literatur eindimensional aus der Erzählperspektive heraus, hat Rennefanz nicht ganz Unrecht. Es sind nicht die Eltern, die in den neuen Ost-Romanen erzählen. Dass diese Generation aber keine Rolle spiele, stimmt so nicht. Sie ist allerdings mehr beobachtetes Objekt als handelndes Subjekt, beobachtet von ihren Kindern, die zusehen, wie ihren Eltern unter den Ereignissen der Wende die Kontrolle über ihr Leben entgleitet. »Die Männer stießen mit ihren Schnapsgläsern an, die Mütter verschwanden tuschelnd in der Küche«, fasst die Ich-Erzählerin von Manja Präkels den Rückzug der alten Autoritäten zusammen. Dieser Rückzug hält literarisch gesehen bis heute an.

Westdeutsche tauchen in vielen Romanen nur am Rand auf, als Ursupatoren und »Besser-Wessis«, die die wirtschaftlich am Boden liegende Zone gewissenlos ausbeuten. Hier liegt eine der Ursachen für den ostdeutschen Unmut. »Ihr kommt hier rüber, macht es euch in unseren Betrieben bequem, verkauft uns Schrott, fickt unsere Weiber und dann faselst du was von wiedervereinigt?«, mault ein Vater den in den Osten gegangenen West-Lehrer in Domenico Müllensiefens »Aus unseren Feuern« an. Wer das vorschnell als überspitzte Figurenrede abtut, ist mit hoher Sicherheit westdeutsch sozialisiert. Für Ostdeutsche (v)erklären Geschichten mit derlei Aussagen weder Zeit noch Verhältnisse, sondern bringen auf den Punkt, was sie erlebt haben: die wiederholte Erfahrung von Fremdbestimmung und Identitätsverlust, die den Nährboden für die Ablehnung der Eliten, Demokratiefeindlichkeit und Gewalt bildet.

Diesen Phänomenen gehen die Gesellschaftsromane von Juli Zeh, Ingo Schulze und Heike Geißler nach. Während in Geißlers »Die Woche« zwei »proletarische Prinzessinnen« mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die ihnen feindlich gesinnte Ordnung – Miethaie, untreue Männer, arschige Arbeitgeber, tumbe Nazis – und das tradierte Protestbürgertum der Stadt aufbegehren, spielt Ingo Schulze in seinem Roman »Die rechtschaffenen Mörder« das Abgleiten eines treuen Bürgers in rechte Kreise durch. Aus seinem zu DDR-Zeiten gefragten Antiquar Paulini wird erst ein verzweifelter Verwalter ausrangierter Buchbestände und schließlich ein Sonderling mit Verfolgungswahn. »Wenn schon jeder Jagd auf mich machen darf, dann nehme ich mir die Freiheit und mache auch ein bisschen Jagd«, ätzt er im Roman. Weniger schwermütig ist Schulzes vorangegangener Schelmenroman »Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst«. Er handelt von einem Aufsteiger aus dem Osten, der nach der Wende wider jede Vernunft zu Geld kommt und als neoliberaler Gewinnler mit sich und der Welt hadert. »Versteh uns nicht falsch«, heißt es da zu Beginn, »so wie du denkst, wäre es ja eigentlich richtig, aber …«. Um dieses aber dreht sich der Roman, gewitzt, kunstvoll und großer Ironie, ohne jemals den Kontakt zum Boden zu verlieren.

Juli Zehs Gesellschaftsromane zählen zu den meistgelesenen Deutungsversuchen des Ostens. Auch ihr neues Buch »Zwischen Welten« führt, zumindest partiell, ins Brandenburger Nirgendwo, wo sie in »Unterleuten« nach den Perspektiven der ostdeutschen Provinz gesucht hat und in »Über Menschen« der coronageschüttelten Gegenwart auf den Grund gegangen ist. In ihrem neuen Roman betritt sie gemeinsam mit dem Journalisten Simon Urban die polarisierenden Kampffelder von Klimapolitik, Gendersprache und Rassismus. Der in Bonn geborenen und in Brandenburg lebenden Autorin gelingt es in ihren Romanen immer wieder, die Essenz aus den aktuellen Debatten zu holen und in Geschichten zu übersetzen, die eine große Leserschaft finden, die Kritik aber spalten. Zuweilen wirken ihre Figuren aber wie am Reißbrett entworfen. In »Über Menschen« etwa trifft eine coronamüde Marketingexpertin im fiktiven Bracken auf einen mürrischen Dorfnazi, ein schwules AfD-Pärchen und eine alleinerziehende Tankstellenwärterin. Und bald jagt ein Klischee das andere.

In dem Roman »Zwischen Welten« diskutieren nun ein woker Hamburger Journalist und eine robuste Brandenburger Jungbäuerin die heißen Themen der Gegenwart via WhatsApp aus. Dabei geht es weniger um Ost versus West als um Stadt gegen Land. Man stößt zwar vereinzelt auf ostdeutsche Befindlichkeiten, der große Nachwenderoman von Juli Zeh ist und bleibt aber »Unterleuten«. In diesem vielstimmigen märkischen Sittengemälde zeigt sie eindrucksvoll, wie tief die DDR-Erfahrung in den Menschen sitzt und Gemeinschaften auch zusammenhält. Unterleuten ist ein Dorf im Ausnahmezustand. Die althergebrachte Ordnung gerät durch die Pläne, einen Windpark zu bauen, ordentlich durcheinander. Dabei wird die Jahrzehnte alte Feindschaft zwischen den beiden Dorfhäuptlingen wieder aufgewärmt, es entstehen aber auch neue, drängendere Konflikte zwischen Alteingesessenen und Neuzugezogenen. Vor diesem Hintergrund bekommt der alte Streit aus DDR-Zeiten einen stabilisierenden Charakter. »Wir leben in der Zeit der großen Auflösung. Angst und Verunsicherung sind in den Köpfen der Menschen. Und genau das ereignet sich auch in Unterleuten. Das zu zeigen, ging am besten vor dem Hintergrund der DDR-Geschichte«, begründete Zeh in einem Gespräch die Verankerung ihres Gesellschaftsromans in der archaischen Dorfgemeinschaft in der ostdeutschen Pampa.

In den zerfallenden Landschaften Ostdeutschlands spielen auch Manja Präkels unter dem Titel »Welt im Widerhall oder war das eine Plastiktüte« erschienenen Essays eine zentrale Rolle. John Sauter greift sie in seiner Lyrik auf und Clemens Meyer widmet ihnen seine Erzählungen in dem schmalen Band »Stäube«. Während Präkels in ihren lesenswerten Texten souverän zwischen Erinnerungen an die DDR und Erkundungen der Gegenwart surft, sich mal an das Aufwachsen zwischen Neonazis erinnert und das mit Besuchen brandenburgischer Flüchtlingsprojekte verknüpft, um den Blick gen Osteuropa zu weiten, spielt Sauters gesellschaftspolitische Poesie mit der melancholischen Tristess »in unserem verschwiegenen, lauten Land«. Dieses Land wird zum kaputten Ort der orangenen Lichter, die nichts wirklich beleuchtet haben und dennoch die Herzen der Zonenkinder wärmen. Clemens Meyer bleibt in seinen Texten in den Kohlegebieten des Ostens, denen er die Aura von Modor abgewinnt und zugleich einen Zugang zur verletzten Seele des Ostens findet. »Stäube« wird von einem Essay mit dem Titel »Wozu Literatur« abgeschlossen, in dem der Leipziger den jugoslawischen Dichter Alexander Tisma zitiert. Dinge und Menschen würden ohne Literatur »ein Nichts bleiben«, heißt es da, »ein leerer Raum, ein Raum ohne Verbindung zur Wirklichkeit, zur Geschichte, ja, zum Leben.«

Die vielfältige, literarische Verarbeitung der Wende- und Nachwendezeit ist der Versuch, Erlebtes und Erfahrenes nicht zu einem solchen toten Spuk der Geschichte werden zu lassen, sondern die spezifischen Erfahrungen der ostdeutschen Teilgesellschaft in das große Ganze der gesamtdeutschen Gegenwart zu integrieren. Denn während sich nach 1989 im Westen wenig veränderte, blieb im Osten im tatsächlichen wie übertragenen Sinne kein Stein auf dem anderen. Wende- und Nachwenderomane veranschaulichen in all ihrer Vielfalt die bis heute wirkenden Verwerfungen der Wiedervereinigung, eröffnen einen facettenreiche Blick auf ostdeutsche Lebenswelten und Befindlichkeiten. Sie handeln von Menschen, die mit dem Leben und seinen Brüchen kämpfen. Davon gab es im Osten nicht nur mehr als genug, von diesen Transformationserzählungen lässt sich auch eine Menge hinsichtlich der aktuellen Krisen und Herausforderungen sowie der Möglichkeit des Einzelnen wie der Gesellschaft, sich diesen zu stellen, lernen. Insofern wohnt dieser Literatur auch eine utopische Kraft inne, die zu entdecken sich lohnt.

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