Das Literaturjahr 2015 hat gezeigt, dass Berliner Autoren erfolgreicher schreiben, als die Hauptstadtclubs Fußball spielen. Ob das Literaturjahr 2016 mithalten kann, bleibt abzuwarten, aber es gibt einiges, worauf man sich freuen kann. Das Schöne daran: der besonderen Provinzialität von Berlin wird schreibend definitiv ein Ende gemacht wird.
»Die Literatur lässt uns den Mond sehen, auch wenn er nicht scheint.« Mit diesen Worten werden Marion Poschmanns Reflexionen über die Literatur angekündigt, die im Frühjahr erscheinen. Nimmt man diesen Satz wörtlich, dann ist Berlin derzeit ein guter Ort, um Poschmanns Mondbetrachtungen in mondloser Nacht (hier bei Suhrkamp) nachzugehen, so der Titel ihrer Gedanken über das Schreiben.
Berlins Literaturszene ist nicht nur quicklebendig, sondern auch überaus erfolgreich. Insbesondere Jan Wagner Leipziger Triumph sorgte bundesweit für Aufsehen. Für seine bildstarken Regentonnenvariationen wurde er im Frühjahr als erster Lyriker mit dem Preis der Leipziger Buchmesse geehrt. Wagners Leipziger Triumph scheint vor allem der Poesie einen enormen Schub gegeben zu haben. Die Berliner Lyrikerin Monika Rinck, die für ihre im Berliner Kleinverlag kooksbooks erschienene Essaysammlung Risiko und Idiotie (bei kooksbooks) auf der Frankfurter Buchmesse den Hotlist-Preis der unabhängigen Verlage gewonnen und vor wenigen Wochen (mit Hanser-Verleger Jo Lendle) eine wunderbar abwechslungsreiche und tiefsinnige Akzente-Ausgabe zu den Spielarten des Witzes herausgebracht hat, erhielt für ihre lyrischen Arbeiten den Kleist-Preis, die Lyrikerinnen Uljana Wolf und Esther Kinsky wurden mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis geehrt.
Beim Deutschen Buchpreis schafften es mit Jenny Erpenbeck, Ulrich Peltzer und Inger-Maria Mahlke drei von sechs nominierten Berliner Autoren ins Finale, aus dem Frank Witzel mit seinem experimentellen Genre-Roman Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 – vollkommen berechtigt – als Gewinner hervorgegangen ist. Dass dieser Preis, obwohl nicht an einen Berliner Autoren vergeben, dennoch auch in die Hauptstadt gegangen ist, hat sowohl mit Witzels Verlag Matthes & Seitz Berlin als auch mit seiner Agentin Elisabeth Ruge zu tun. Die Literaturvermittlerin und ehemalige Hanser-Berlin- und Berlinverlag-Verlegerin hat in diesem Jahr mit Jan Wagner, Frank Witzel und der aktuellen Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch das literarische Triple oder, um mit Poschmann zu sprechen, dreimal den Mond vom Himmel geholt.
Doch welche literarischen Sterne sind 2016 aus der Hauptstadt zu erwarten? Ein Blick in die Verlagsprogramme zeigt, dass von zurückblickenden Werken über zeitkritische Gesellschaftsromane bis hin zu Science Fiction alles dabei ist. Zukunftsmusik gibt es beispielsweise von Ann Cotten, der aufregendsten Autorin ihrer Generation, die – gerade mit dem Klopstock-Preis ausgezeichnet – in dem Epos Verbannt! (hier bei Suhrkamp) in über 2.000 Versen ein pessimistisches Zukunftsoratorium singt. Auch Karen Duve blickt düster nach vorn. Sie konfrontiert in dem Roman Macht (hier zur Autorinnenseite bei Galiani) das kommende Matriarchat mit religiösen Endzeitbewegungen inklusive Kellerszenario à la Natascha Kampusch. Davon erholen kann man sich mit Horst Evers Satire Alles außer irdisch (hier bei Rowohlt), in der er Goiko Schulz zum Helden wider Wille und zur Hoffnung der Menschheit werden lässt. Sich heiter von der Gegenwart ablenken kann man auch mit Ahnes Ab heute fremd. Texte und Strichzeichnungen (bei Voland & Quist), in denen er sich mal mit Gott, mal mit sich selbst unterhält, um Antworten auf die Frage zu finden, wie man so schnell wie möglich ins 22. Jahrhundert gelangt. Ab heute Rainer Schmidt setzt mit seiner bissigen Gesellschaftssatire Legal High (bei Rogner & Bernhard) seine Dude-Erzählung aus der Cannabis GmbH fort und lässt in Angela Merkels nächster Legislaturperiode über Deutschland eine Welle grünen Rausch schwappen. Mit Bernd Cailloux’ dystopischen Haschischgeschichten Surabaya Gold (hier bei Suhrkamp) bekommen die Lesenden das Gegengift geimpft und landen unsanft in der Wirklichkeit.
Mit dieser setzen sich einige Gesellschaftsromane auseinander. Sehnsüchtig erwartet ist etwa Juli Zehs Unterleuten (hier bei Luchterhand), in dem sie ihre Protagonisten in dem trügerischen Idyll eines gleichnamigen (fiktiven) Brandenburger Dorfes nach der Moral jenseits des Egoismus suchen lässt. Die nicht unumstrittene Antifeministin Ronja von Rönne, zuletzt beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt aktiv, liest in ihrem nihilistischen Tagebuch Wir kommen (hier bei Aufbau) ihrer Generation einmal mehr die Leviten, während die 13 Jahre ältere Sarah Kuttner in 180° Meer (hier bei S. Fischer) den Versuch unternimmt, ihre Generation zu verstehen. Weniger ihre Generation als vielmehr ihre Zeit und sich selbst verstehen wollen Antonia Baum und Michael Kumpfmüller. In Baums neuem Werk Tony Soprano stirbt nicht (hier bei Hoffmann & Campe) geht es deshalb nicht nur um den Plott rund um den abenteuerlustigen Vater von Meadow, Anthony Junior und Camella, sondern auch um das eigene Schreiben und seine Konsequenzen, denn während sie den Roman schrieb, verunfallte ihr eigener Vater und aus Fiktion wird Realität. Kumpfmüller geht den umgekehrten Weg, macht aus Realität Fiktion und geht in seinem neuen Roman Die Erziehung des Mannes (hier bei Kiepenheuer & Witsch) der Frage nach, was Georg, den wir durch sein Leben begleiten, zu dem macht, der er ist.
Eine unübersehbare Realität sind auch die aktuellen Flüchtlingsbewegungen. Nichts prägt die Gegenwart so sehr wie die Auflösung der Grenzen und die Globalisierung von Mobilität. Konsequent, dass nicht wenige Gesellschaftsromane Fragen von Krieg, Flucht und Identität aufgreifen. Abbas Khider, der nicht nur von Hamburg nach Berlin sondern auch von der Hamburger Edition Nautilus zum renommierten Münchener Hanser-Verlag gezogen ist, nimmt die Leser in seinem neuen Roman Ohrfeige (hier bei Hanser) mit auf die Reise seines Protagonisten, der vom Irak nach Frankreich will, am Ende aber in Deutschland landet. Es ist ein Trip durch die Absurditäten des europäischen Asylsystems, in dem er, wie schon Jenny Erpenbeck in Gehen, ging, gegangen die Frage stellt, wie es um das westliche Selbstverständnis einer offenen Gesellschaft bestellt ist. Dieses steht auch in Ursula Frickers Roman Die Lügen von gestern und heute (hier bei dtv) im Zentrum. Darin treffen die Armutsmigrantin Beba, die studentische Flüchtlingsaktivistin Isa und ein enttäuschter Innensenator aufeinandertreffen und ringen vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsbewegungen und der sich daraus ergebenden Herausforderungen um ihre Ideale.
Was passiert eigentlich, wenn sich zwei Menschen begegnen? Hunderte, ach was, tausende Bücher sind darüber schon geschrieben worden. Nun legen Berliner Autoren einige weitere auf den entsprechenden Stapel. Jan Böttcher, der ehemalige Frontmann der aufgelösten Band Herr Nilsson und philosophische Poet, beschreibt in seinem neuen Roman Y (hier bei Aufbau) eine große Liebe zwischen Deutschland und dem Kosovo, die an den inneren und äußeren Grenzen zerschellt. Judith Hermanns Erzählungen in ihrem vierten Prosaband Lettipark (hier bei S. Fischer), der nach Bestsellern wie Sommerhaus später oder Nichts als Gespenster natürlich hohe Erwartungen weckt, drehen sich um die Frage, wie nah wir den Menschen sein können, die wir lieben. Und Antje Rávik Strubel beschreibt in ihrem Episodenroman In den Wäldern des menschlichen Herzens (hier bei S. Fischer), was bei all den Experimenten und Versuchen in dieser Zeit der allgegenwärtigen Liebe eigentlich im Herzen geschieht.
Andere Berliner Autoren steigen die Leiter der Geschichte hinab. Marion Brasch reißt mit der heiteren Bimmelbahn der Literaturgeschichte und lüftet in Die irrtümlichen Abenteuer des Herrn Godot (bei Voland & Quist) endlich das Geheimnis, was ihm alles widerfahren ist, während Vladimir und Estragon vergeblich auf ihn warten. Bachmann-Preisträger Tilman Rammstedt schickt die Hauptfigur in seinem im Live-Modus entstehenden Fortsetzungsroman Morgen mehr (hier bei Hanser) bis ins Jahr 1972 zurück, um dann an der Weltzeituhr zu drehen. Martin Schult erzählt in Flokati oder mein Sommer mit Schmidt (hier bei Ullstein) von einer Frankfurter Freundschaft zwischen dem zweiten deutschen Fußballweltmeistertitel und Arno Schmidt anno 1974. Karsten Krampitz, Publikumsliebling in Klagenfurt 2009, ehemaliger Straßenzeitungsmacher und Obdachlosenaktivist blickt auf 1976, das Krisenjahr der DDR mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns, sowie die Selbstverbrennung im Fall Brüsewitz zurück (hier und hier im Verbrecher Verlag). Seinem »Beitrag zur Aufarbeitung der Aufarbeitung – ohne Verklärung und Dämonisierung der DDR« setzt André Kubiczek mit dem Roman Skizze eines Sommers (hier bei Rowohlt) das sepiagetönte Bild eines sorgenfreien Sommers entgegen, den vier heranwachsende Jungs 1985 in der DDR verbringen.
Es geht aber auch grundsätzlicher. Lesebühnen-Frontmann Jakob Hein legt mit Kaltes Wasser (hier bei Galiani Berlin) einen Schelmenroman vor, in dem sich der bauernschlaue Thälmann-Pionier Friedrich Bender nach der Wende als der bessere Wessi herausstellt. Ernster geht es im neuen Roman seines Vaters Christoph Hein zu, der in Glückskind mit Vater (hier bei Suhrkamp) den Lebensverlauf von Konstantin nachzeichnet und dabei einen großen, generationsübergreifenden Deutschlandroman geschrieben hat. Dies ist auch Reinhard Jirgl gelungen, der nach seiner düsteren Utopie Nichts von Euch auf Erden nun das finstere Kapitel der DDR aufschlägt, das von Seilschaften, Loyalitäten und Feindschaften erzählt. Dieses Vitamin B (B wie Beziehung) wirkte auch noch nach dem Mauerfall nach, so dass sich der Roman des Büchner-Preisträgers zu einer »Geschichte aus dem Kalten Frieden der Nach-Wendezeit« erweitert. Das Kontrastprogramm zu Jirgls Oben das Feuer, unten der Berg (hier bei Hanser) stellt Jo McMillans Paradise Ost (hier bei Ullstein) dar, in dem die Autorin autobiografisch davon erzählt, »wie es war, dort, wo alle wegwollten, hinzuwollen«.
Die Gattung der autobiografisch oder biografisch motivierten Titel verspricht bei der richtigen Autorschaft auch maximale Erfolge. Maxim Biller gehört als Mitglied des neuen Literarischen Quartetts und enervierender Kolumnist, der die besondere Wissenschaft der Kastanienallee-Künstler-Soziologie wie kein anderer betreibt, zweifellos zu den vielversprechenden Literaten. In seinem gut 900 Seiten umfassenden Roman Biografie (hier bei Kiepenheuer & Witsch) lässt er den skandalumwitterten jüdischen Schriftsteller Soli Karubiner ein »ödipales Superdrama« erzählen, in dem sein Helden erst einen Saunagang vermasselt, um dann mit Joseph Goebels in der sudanesischen Wüste ein Tête-à-Tête zu erleben. Man darf gespannt sein, ob Biller sich mit diesem Titel zum deutschen Nathan Englander aufschwingt – der Verlag nennt Philip Roth, David Foster Wallace und Roberto Bolaño als Referenzen – oder doch nur der Berliner Shalom Auslander bleibt. Autobiografisch ist auch Almut Klotz Fenderfotzenschweine (hier im Verbrecher Verlag). Schon der Titel der 2013 verstorbenen Sängerin der Lassie Singers schlägt in die zur Biederkeit neigenden deutschen Literaturlandschaft ein, wie die Abrissbirne in die Wannsee-Villa. Klotz schreibt darin über ihre Liebe zu Reverend Christian Dabeler und regt sich über die Frauenrollen in der Indie-Popszene auf. Und nicht zuletzt betritt Benjamin von Stuckrad-Barre nach jahrelanger Abstinenz wieder die Bühne der Literatur. In Panikherz (hier bei Kiepenheuer & Witsch) erzählt er von seinem Absturz nach hohem Flug und beschreibt, wie er mit Bret Easton Ellis, Courtney Love und Helmut Dietl wieder zu sich selbst fand.
Wer das besondere Buch liebt, bekommt auch Futter aus der Hauptstadt. Da ist zum einen Uli Hannemanns Humoreske Die Megascharfe Maus von Milo (hier beim Berlinverlag), in der er griechische Halbgötter auf Neuköllner Hipster stoßen lässt und im Vorbeigehen einen Schlussstrich unter die europäische Finanzkrise zieht. Was passiert, wenn im Prinzessinnenbad die Kapitalisten einen brachialen Bauchklatscher hinlegen und das Proletariat dies mit klassischer griechischer Literatur kommentiert, davon schreibt der Neuköllner Lesebühnenautor. Autoren kommen bei dem von Holm Friebe und Philipp Albers veranstalteten Lesespiel nicht zu kurz. Die beiden Gründer der Zentralen Intelligenz Agentur veranstalteten im Sommer 2015 mit zahlreichen Kulturjournalisten eine Art Plagiatswettbewerb, bei dem es darum ging, nach der gemeinsamen Lektüre des erstens Satzes eines Romans den Anfang selbst fortzuschreiben. Anschließend wurden die verschiedenen Versionen und das Original gelesen, um abzustimmen, welcher Buchbeginn es wert wäre, als Romanauftakt zu dienen. Wer wissen will, was dabei herauskommt, wenn die Berliner Kulturschickeria die ersten Sätze von Albert Camus, Franz Kafka, Haruki Murakami oder Michel Houellebecq fortspinnt, der muss Mimikry – Das Spiel des Lesens (hier bei Blumenbar) lesen.
Bleibt zu erwähnen, dass der Aufwind der Poesie – auch durch den Bachmann-Preis für (die Bamberger) Sprachjongleurin Nora-Eugenie Gomringer – auch 2016 anhalten wird. Von Jan Wagner wird eine Auswahl seiner Lyrik unter dem Titel Selbstporträt mit Bienenschwarm (hier bei Hanser) erscheinen. Marion Poschmann betrachtet nicht nur den Mond in mondloser Nacht, sondern entführt in Geliehene Landschaften (hier bei Suhrkamp). Julia Trompeters Verse rücken die Lesenden durch Sprache Zum Begreifen nah (hier bei Schöffling & Co.)an die Dinge heran, die uns umgeben. Mit der Gegenwart setzt sich auch Kooksbooks-Gründerin Daniela Seel auseinander. Gemeinsam mit Anja Bayer erkundet sie mit Lyrik im Anthropozän sprachgewandt die Folgen des menschlichen Wirkens, einsam fragt sie kokett und neudeutsch was weißt du schon von prärie? (beide hier bei kooksbooks). Wahrscheinlich nichts, ist man geneigt zu antworten, was aber nicht weiter dramatisch ist.
Die These, dass Berlin nicht ganz zu Unrecht den Ruf der Kulturhauptstadt gehört, soll hier gar nicht verteidigt werden. Auch nicht die These, dass Berlin »arm, aber sexy« sei. Das haben Berliner ohnehin nie so empfunden, umso unerträglicher finden sie die aktuell stattfindende Gentrifizierung ihrer Wohnviertel, die euphemistisch als »Aufwertung von Wohnraum« verkauft wird, tatsächlich aber eine Auflösung ganzer Kiezkulturen ist. Die Kultur, zumal die Literarische, befindet sich aller Unkenrufe zum Trotz nicht in Auflösung. Selbst für den beliebten, aber insolventen Buchladen ozelot, not just another bookstore scheint es irgendwie weiterzugehen.
Preisgekrönte und preisverdächtige Autoren neben Jan Wagner gibt es in Berlin genug. Da ist Rainald Goetz, vor wenigen Wochen (längst überfällig) von der Deutschen Akademie für Dichtung und Sprache mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet, weil er in seinen Werken wie kein anderer den ambivalenten Sound der Moderne zum Klingen bringt. Auch in der Hauptstadt lebt Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, der für ihr schonungsloses Beschreiben und Verarbeiten der Diktaturerfahrung gerade mit dem Heinrich-Böll-Literaturpreis verliehen wurde. Wenn Übersetzergenius Moshe Kahn mal nicht in seiner italienischen Wahlheimat ist, dann lebt er in Berlin. Er hatte Stefano d’Arrigos prachtvolles und hochliterarisches Meisterwerk Horcynus Orca über dreißig Jahre nach seinem Erscheinen erstmals ins Deutsche übertragen hat und wurde dafür – höchst verdient – mit dem deutsch-italienischen Übersetzerpreis und dem Paul-Celan-Preis ausgezeichnet. Michael Kleeberg wurde mit dem Hölderlin-Preis, Annika Scheffel mit dem Robert-Gernhard-Preis und Felicitas Hoppe mit dem Erich Kästner Preis für Literatur auszeichnet wurden. Regina Scheer erhielt für ihren Debütroman Machandel den Mara-Cassens-Preis, Marica Bodrožić wurde mit dem Literaturpreis der Konrad Adenauer Stiftung ausgezeichnet und Thomas Hettche mit dem Solothurner Literaturpreis geehrt. Eva Menasse durfte sich über den Jonathan-Swift-Literaturpreis freuen.
Insgesamt war 2015 ein recht unterhaltsames Berliner Literaturjahr. Bov Bjerg hat mit seinem Coming-of-Age-Roman Auerhaus ebenso einen überraschenden Bestseller vorgelegt wie Anke Stelling mit ihrer fulminant witzigen Milieustudie Bodentiefe Fenster. Nicht nur zu unterhalten gewusst, sondern auch die Bedeutung des Historischen in der Gegenwart begreifen lassen haben Sascha Reh mit seinem Chileroman Gegen die Zeit, Leif Randt mit seiner Utopie Planet Magnon, Rolling-Stone-Redakteur Maik Brüggemeyer mit seinem Bob-Dylon-Roman Catfish sowie Jenny Erpenbeck mit ihrem Roman zur Flüchtlingskrise Gehen, ging, gegangen. Olaf Schwarzbach hat in Forelle Grau erklärt, wie aus ihm der legendäre Zeichner OL wurde, Pankow-Frontmann André Herzberg erzählte in Alle Nähe fern berührend seine Familiengeschichte und das ungeliebte Stiefkind der Berliner Literaturszene Alban Nikolai Herbst lässt in Traumschiff die Sirenen vom Sterben in einer globalisierten Welt singen. Und wer wollte, konnte zum 25. Wiedervereinigungsjubiläum auch noch einmal zu Jochen Schmidts und David Wagners Ost-West-Geschichtsschreibung Drüben greifen.
Ob das Literaturjahr 2016 hier mithalten kann, ist noch nicht klar, aber wie beschrieben gibt es einiges, worauf man sich freuen kann – auch und vor allem weil Literatur der besonderen Provinzialität der Möchtegern-Weltmetropole Berlin ein Ende macht. Denn Literatur ist eine Kunst, die Welten aus dem Nichts schafft. Davon gibt es hier genug. Es braucht nicht mehr, als weltgewandte Autoren und die Lektüre ihrer Werke.
[…] ein Einschnitt bedeutet haben. So wie auch die Flucht aus der Heimat einen Einschnitt darstellt (weshalb sich auch nicht wenige Neuerscheinungen mit dem Thema auseinandersetzen). In Ohrfeige ist sie Grundlage der Handlung, denn ohne Flucht keine Auflösung des Lebens in seine […]
[…] immer wieder zitiert. Er singt weitere hohe Lieder auf hohe Albert Camus, Daniel Cohn-Bendit, Heinrich Böll und Wolf Biermann. Ihnen stellt er Anti-Helden gegenüber, Rechthaber, Verblendete, Feiglinge, […]
[…] Drawert, Walter Kempowski, Marcel Beyer, Norbert Gstrein, Joochen Laabs, Uwe Tellkamp, Christoph Hein, Lutz Seiler, Jan Koneffke, Ralf Rothmann – die Liste der Träger des Uwe-Johnson-Preises ist mit […]
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[…] erst gelingt und dann gekapert wird. Der »genialsten politischen Parabel der Weltliteratur« (Eva Menasse), folgte mit »1984« eine Art Fortsetzung mit anderen Mitteln. In dem kurz vor seinem Roman Tod […]
[…] In diesem Rhythmus scheint sich auch etwas Grundsätzliches der Poetik der in Deutschland geborenen Amerikanerin zu spiegeln, die Ann Cotten in ihrem Nachwort, in dem sie das experimentalpoetische Werk ihrer Autorin vertieft, wie folgt beschreibt: »Mit Waldrop lernt man sprachliche Bautechniken für lichte, elegante Räume. Immer wieder neue Schnitte, die auch Schritte sind, durch die Wirklichkeit setzen. Dann innehalten. Betrachten.« Bei diesem Innehalten und Betrachten, oft ist es auch ein Vor- und Zurückblicken, ertappt man sich auch immer wieder bei der Lektüre von Cottens atmender Übersetzung. Dabei profitierte die in Amerika lebende Schriftstellerin und Übersetzerin zweifellos auch von ihrer eigenen Schreiberfahrung, bei der sie prosaische, essayistische und lyrische Elemente immer wieder miteinander in Bezug setzt – etwa in ihren Essays von on the road »Fast Dumm« oder in ihrem Versepos »Verbannt!«. […]
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[…] Christoph Martin Wieland, dem er »Die Erfindung der modernen deutschen Literatur« zuschreibt, und Regina Scheers die eigenen Erinnerungen evozierende Biographie der jüdischen Intellektuellen Hertha […]
[…] Dabei finden sich auch melancholisch-warme, augenzwinkernde Blicke auf die Verhältnisse im Osten. Jakob Hein, Jochen Schmidt oder André Kubiczek lassen in ihren Erinnerungsromanen meisterhaft die […]