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»Mir fehlte deutsche Literatur, die von Menschen wie mir handelt«

Mithu Sanyal kennt sich mit aufgeladenen Themen aus. Nun erscheint »Identitti«, ein Heimatroman aus BIPoC-Perspektive.

Vor über zehn Jahren enthüllte die Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Mithu Melanie Sanyal in einer packenden Kulturgeschichte das weibliche Geschlecht. Fünf Jahre später schrieb sie ein Buch über Vergewaltigung. Ihr erster Roman befasst sich mit der Frage, was es heißt, mixed-race zu sein. Im Mittelpunkt steht eine polnisch-indische Studentin, deren Mentorin sich eine falsche Identität gibt. Als die auffliegt, geraten alle Gewissheiten ins Rutschen. »Identitti« diskutiert nicht nur Fragen von Herkunft und Identität in erfrischender Weise neu, sondern gibt BIPoCs in der deutschen Literatur endlich eine Stimme. BIPoC steht für Black, Indigenous and People of Color oder – um es mit Sanyals Heldin zu sagen – für »Menschen, die gefragt werden: Wo kommst du her?« Eine Situation, in die Sanyal fast täglich gerät.


Mithu, wann hat Dich das letzte Mal jemand gefragt, woher Du kommst?
Während Corona passiert das natürlich seltener, weil ich wenig unterwegs bin, aber ansonsten passiert das in der Regel bestimmt einmal am Tag – beim Einkaufen, auf der Straße, irgendwo.

Antwortet man da überhaupt noch?
Das heißt, bei Menschen ab einem gewissen Alter sage ich irgendwann, auch um das Gespräch abzukürzen, das, was sie hören wollen. Aber wenn es Menschen in meinem Alter sind, dann frag ich manchmal erst einmal zurück. Sollen sie doch auch einmal antworten. Da passiert es schon mal, dass jemand sagt, aus Ostbayern zu kommen und unbedingt wieder zurück zu wollen. Kann ich gut verstehen, sag ich dann, denn ich bin in Oberbilk geboren, dahin zurück gegangen und will da auch bleiben. Wirklich schwierig ist tatsächlich, dass die Leute in meinen netten, woken, linken Kreisen ganz lange gelernt haben, dass man so etwas um keinen Preis fragt. Während die dann lustig darüber reden, wo ihre Eltern herkommen und was es für sie bedeutet, wird das bei mir vorsichtig ausgespart. Das ist die andere Seite der Medaille, dass es keinen normalen Bezug auf diese Frage gibt.

Weil die Frage selbst gar nicht mehr offen gestellt werden kann?
Genau. Wobei sie ja vorher auch nicht offen war. Ich könnte mit meiner Mutter anfangen. Deren Familie kommt aus Polen. Das interessiert aber niemanden, das will keiner wissen. Und darauf zielte ja auch nicht die Frage ab. Inzwischen ist es zumindest bewusst, dass das eine schräge Frage ist, dann sagen Leute so etwas wie: Ich weiß, dass ich das nicht fragen soll, aber ich mache es jetzt trotzdem … Mich belastet, dass ich reagieren muss und es bei einer ehrlichen Antwort ja nicht einfacher wird. Wo komme ich her?

Wie kann man das lösen?
Durch Kontakt. Je näher ich Menschen kenne, desto intimere Fragen dürfen sie mir auch stellen. Und desto komplexere Antworten kann ich auch geben. Für mich war es unendlich erleichternd, als ich meinen jetzigen Mann kennengelernt habe. Der kommt aus England, wo es viel mehr Menschen mit indischer Geschichte gibt und damit ein minimales kulturelles Wissen. Die Frage Wo kommst du her? mussten wir also gar nicht diskutieren, sondern wir konnten einfach bei irgendeinem Punkt einsteigen. Ich konnte bei ihm auch zum ersten Mal sagen, dass ein Teil meiner Familie aus Indien kommt, ohne dass das Gespräch sofort zu Ende war. In Deutschland gibt es außer Ayurveda und Yoga kaum andere Bezüge zu Indien. Man weiß hier halt kaum etwas über Indien. Nicht selten kommt dann sogar noch die Frage, ob ich Indisch spreche. Aber es gibt keine Sprache, die Indisch heißt, das existiert nicht. Es gibt in Indien ja nach dem, wen man fragt, 22 bis 20.000 Sprachen. Aber wenn ich das sage, wird das Gespräch immer komplizierter.

Mithu M. Sanyal: Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts. Wagenbach Verlag 2009. 240 Seiten. 19,90 Euro. Hier bestellen

Bevor es hier jetzt kompliziert wird, lass uns über Dein publizistisches Wirken sprechen. 2009 erschien Deine Kulturgeschichte der »Vulva«, 2016 eine Flugschrift zu den Aspekten der Vergewaltigung und nun Dein erster Roman, in dem es im Kern um Identity Politics geht. Welche Auseinandersetzung steckt hinter dieser Publikationsgeschichte?
Zunächst ist es etwas ganz persönliches. Ich wollte schon immer Romane schreiben, hatte aber das Gefühl, dass Leute wie ich keine Romane schreiben können oder dürfen. Das ist natürlich Quatsch und es war toll, zu sehen, dass das nicht stimmt. Aber ein Roman macht schon viel mehr Arbeit als ein Sachbuch, das ist als würde man vom zweidimensionalen plötzlich in den dreidimensionalen Raum wechseln. Trotzdem ist es eben auch nichts anderes, als ein Buch zu schreiben. Diese Erkenntnis war erleichternd.

Und thematisch? Ich meine, Du schreibst über das weibliche Geschlecht, über sexuelle Gewalt oder nun einen Roman über Rassismus. Immer wieder greifst Du so aufgeladene Themen auf.
In meinem Roman geht es gar nicht so sehr um Rassismus, sondern um being mixed race. Das war tatsächlich ein Thema, zu dem ich als Kind wenig lesen konnte. Als ich dann in den 90er Jahren endlich ich etwas dazu fand, waren es Bücher aus England oder Amerika. Die hatten dann gleichzeitig viel mit mir zu tun, aber an ganz vielen Punkten eben auch gar nicht. Mir fehlte einfach deutsche Literatur, die von Menschen wie mir handelt. Deshalb steckt hinter dem Roman auch das tiefe Bedürfnis, ein Buch zu schreiben, dass ich hier lesen können möchte. Das war bei dem »Vulva«-Buch genauso. Als Schülerin bin ich in die Stadtbücherei gegangen und fragte nach so einem Buch. Was ich bekommen habe, war ein Sachbuch über »die Vagina und ihre zahlreichen Erkrankungen«. Deshalb ist auch »Vulva – Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts« ein Buch geworden, das ich selbst lesen wollte. Und tatsächlich war das auch bei »Vergewaltigung – Aspekte eines Verbrechens« der Fall. Denn ich war mit der Art, wie wir als Gesellschaft darüber geredet haben, immer unglücklich. Mir fehlte dabei so viel. Hinter meinen Büchern steckt also immer der Ansatz, Bücher zu schreiben, die ich nicht finden konnte, als ich sie lesen wollte. Das verbindet meine Sachbücher miteinander und mit »Identitty«.

Für »Vergewaltigung« wurde Dir in England der Preis »Geisteswissenschaft international« verliehen. Im Vorwort von Vergewaltigung schreibst Du, dass es Dir besonders schwer gefallen sei, weil »die Schere im Kopf so scharf und die Knoten im Gehirn so festgezurrt« waren. Was hattest Du befürchtet?
Als ich angefangen hab, das Buch zu schreiben, ging es mir noch gar nicht so. Das kam erst, als die ersten Leute so unglaublich entsetzt darüber waren. Mir ging es um zwei Aspekte: Ich wollte zum einen nicht über Opfer schreiben, als wären sie für immer zerbrochen, sondern auch über Heilung reden können, und zum anderen wollte ich hinterfragen, warum wir immer nur von weiblichen Opfern und männlichen Tätern reden. Das hat damals viele wunde Punkte berührt. Mein erster Verlag hatte Angst, ich könne so missverstanden werden, als würde ich Opfer nicht ernst genug nehmen. Oder als ginge es mir nur noch um männliche Opfer. »Vergewaltigung« war ein unglaubliches Tabuthema. Und ich war ja auch entsprechend politisiert worden: Vergewaltigung war männliche Gewalt gegen Frauen. Auf den ersten Demos, auf denen ich war, ging es genau darum. Das Ganze hatte also auch mit meiner politischen Identität zu tun. Ich hatte wirklich Angst, nach dem Buch aus dem feministischen Kreis exkommuniziert zu werden. Das ist natürlich nicht passiert. Feminismus ist ja kein Kult, sondern es geht ja darum, dass wir unser Wissen hinterfragen und wachsen können.

Wie kam es nun zu Ihrem ersten Roman?
Ich wollte immer Romane geschrieben. Vor mehr als 20 Jahren habe ich eine schöne Kurzgeschichte in einem Sammelband veröffentlicht. Daraufhin hatte mich Karin Graf angerufen, um mich unter Vertrag zu nehmen. Ich sagte ihr, dass ich auch an einem Roman arbeiten würde. Es war schon damals dasselbe Thema. Es gab zwar keine Professorin, aber es ging um eine Freundschaft zwischen zwei mixed-race Frauen. Die Handlung war natürlich anders, aber das Kernthema war schon da. Ich schrieb also um die einhundert Seiten, mit denen Karin Graf zu den Verlagen ging. Die haben nach dem Motto reagiert Wir haben doch schon eine Inderin in unserem Programm, das brauchen wir nicht mehr oder Wir haben schon eine Türkin, noch eine Migrationsgeschichte brauchen wir nicht. Ich hatte damals das Gefühl, dass die Dinge, die mich interessierten, über die ich schrieb, nicht echt waren. Dazu kommt, dass mein Schreiben sehr dem angelsächsischen Stil ähnelt. Aber damals hatte ich das Gefühl, dass mein Literaturgeschmack nicht in die deutschsprachige Literatur passt.

In den vergangenen Jahren hat sich das geändert, BiPOC-Autor:innen wie Olivia Wenzel, Jackie Thomae oder Hengameh Yaghobifarah schreiben über ihre Wirklichkeit (siehe Galerie). Hat Dich das bestärkt?
Absolut. Mir hat auch geholfen, dass es so etwas wie eine Familie, eine Community aus Büchern gibt. Denn wenn jetzt mein Roman erscheint, erscheinen viele andere Romane zeitgleich, die sich mit verwandten Themen auseinandersetzen. So steht er nicht allein, muss sich nicht allein erklären, sondern erscheint gewissermaßen in einem Gespräch, das über verschiedene Bücher hinweg geführt wird.

Im Roman nimmt Niveditas Mentorin Saraswati eine PoC-Identität an und baut darauf ihre akademische Karriere auf. Der Philosoph Kwame Anthony Appiah ist der Ansicht, dass man sich seine Identität nicht aussuchen kann. Wie sehen Sie das?
Ich habe Saraswati als Figur ausgewählt, weil sie eine durchaus schwierige Position vertritt. Ich hatte mich an dem Rachel-Dolezal-Fall in Amerika sehr abgearbeitet. Da ging es auch darum, dass eine Weiße sagt, sie identifiziert sich als Schwarze. Ich denke, wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse anders wären, hätten wir alle deutlich mehr Spielraum. Aber da Macht so funktioniert, wie sie nun einmal funktioniert, ist es viel schwieriger. Aber eigentlich ist race viel konstruierter als gender. Womit ich nicht sagen will, gender sei natürlich. Aber race ist eben ein komplettes Konstrukt.

Also doch freie Wahl?
Sobald die möglich wäre, würde sich die Bedeutung von race auflösen. Da sind wir aber noch lange nicht. Ich denke, wir können uns – wie viele Dinge im Leben – diese Form von Identität nicht frei aussuchen. Aber wir können uns viel mehr daran aussuchen, als wir wir denken. Ich persönlich war immer im Dilemma, ein Identitätsvakuum zu empfinden. Ich war nie indisch genug, um Inderin zu sein. Ich war nie polnisch genug, um Polin zu sein. Deutsch genug war ich aber auch nie. So hatte ich lange Zeit das Gefühl, entweder gar keine Identität zu haben oder dass Identität etwas war, das mir von anderen zugewiesen wurde. Nach dem Motto Wir akzeptieren dich als… Diese Akzeptanz konnte man mir aber auch jederzeit wegnehmen. Deshalb habe ich mich in gewisser Form zwar nicht mit Rachel Dolezal identifiziert, aber ich hatte schon auch Sympathien mit ihr. Denn die Frage nach der eigenen Identität ist ja immer auch eine Trick-Frage, da werden gesamtgesellschaftliche Fragen zu individuellen Fragen gemacht. Bei Saraswati ist das genauso. Weil sie sich verhält, wie sie sich verhält, macht sie sichtbar, wie absolut schräg diese ganzen race-Konstrukte sind. Aber in ihrem Verhältnis zu ihren Student:innen ist ihr Vorgeben einer anderen Identität natürlich trotzdem ein Betrug.

Kwame Anthony Appiah: Identitäten. Die Fiktionen der Zugehörigkeit. Hanser Verlag 2019. 336 Seiten. 24,00 Euro. Hier bestellen

Wie würdest Du denn Deine Identität beschrieben?
Tatsächlich irgendwie trans-kulturell, auch wenn man das wegen trans nur schwer sagen kann und kulturell ist auch quatsch. Ich habe vor kurzem ein Buch wiedergefunden, das ich vor Jahrzehnten gelesen habe. Ich war damals jünger als Nivedita in meinem Roman. Es war ein Essay von Virginia Woolf und da habe ich in einer Notiz über Leute wie mich geschrieben. Und da steht wir Ausländer. Das ist verrückt, denn ich bin in Deutschland geboren. Aber Ausländer war Anfang der Neunziger das einzige Wort für Menschen wie mich. Dann gab es ganz kurz das Wort bikulturell, was ein bisschen geholfen hat, dann kam multikulturell, was sofort nach Straßenfest und buntem Essen geklungen hat. Deshalb bin ich dann bei einem Wort wie trans-kulturell geendet, um meine Identität zu beschreiben. Wenn es um die Frage nach belonging, also um Zugehörigkeit geht, hilft mir mein Partner, weil er wie ich zwischen den Kategorien schwimmt. Er ist weiß, spricht aber so deutsch, dass man ihm anhört, dass er nicht aus Deutschland kommt. Und dieses Gefühl, nicht klar zu einem Lager zu gehören, hatte ich schon, als ich zur Schule gegangen bin. Ich hatte viele Mitschüler:innen, die zwei Eltern hatten, die eindeutig von irgendwoher kamen. Die fühlten sich dann der italienischen Community zugehörig oder der türkischen Community. Das hatte ich nicht. Auch weil es keine richtige indische Community in Deutschland gab.

Lässt sich das Fremdheitsgefühl in Gemeinschaft besser aushalten?
Es geht gar nicht um aushalten, es gibt ja auch viel Tolles daran. Auch darum geht es in meinem Roman. Wir haben im Deutschen ja nur Worte für die negativen Aspekte von race, wie z.B. Rassismus. Aber genauso wie man mit Geschlecht eine Menge Spaß haben kann, geht das natürlich auch mit diesem verzwickten Konstrukt race. Ich bin zum Beispiel sehr froh, dass wir inzwischen zweisprachig leben. Das ist etwas, was ich in meiner Kindheit sehr vermisst habe, zwischen den Sprachen und den unterschiedlichen Gedankenwelten switchen zu können. Denn obwohl England so unglaublich nah ist, ist so vieles dort trotzdem vollkommen anders. Aber: Das Andere hilft, ist ein unglaublich wertvolles Korrektiv zu dem, was man als selbstverständlich annimmt. Und das ist toll. Man bekommt mehr Perspektiven und die Welt wird größer und schöner dadurch.

Im Gegensatz zur Identität kann man sich ganz sicher aussuchen, in welchen sozialen Kanäle man unterwegs ist. Twitter, Facebook, Instagram spielen auch im Roman eine Rolle. Wo bist Du am liebsten unterwegs?
Ich bin, weil ich es muss, viel in sozialen Medien unterwegs. Ich kenne auch ihre positiven Seiten. Aber wenn’s nach mir ginge, wäre ich viel weniger darin unterwegs, weil es mich unglaublich ermüdet, wie dort Diskussionen geführt werden, gerade jetzt in der Pandemie. Und dass aus Differenzen nur selten ein Austausch wird, sondern meist nur größere Differenzen. Von Angesicht zu Angesicht würde das nie so rasch passieren und sogar wenn, nimmt man das Gegenüber mit der unsäglichen Meinung trotzdem noch als Menschen war und nicht nur als diese Meinung. Zugleich schätze ich die sozialen Medien sehr, weil ich sehr große Solidarität dort erlebt habe. Auch gerade als ich meinen ersten großen Shitstorm hatte.

Was ist eigentlich das Problem mit Sätzen, die mit »Das Problem mit Rassismus ist…« beginnen?
Mit solchen Sätzen kann kein offenes Gespräch beginnen, weil da jemand sagt, wie man Dinge zu sehen hat. Und weil es nicht nur ein Problem gibt. Es gibt nicht den einen Hebel, den man umlegen muss. Es gibt in allem immer eine Vielfalt. Und wenn man über Dinge spricht, bei denen Menschen unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, wäre es doch schon nett, wenn man mitreden darf und nicht einfach nur die Ansicht von einem Einzelnen als gesetzt zur Kenntnis nehmen soll.

Mithu Sanyal: Identitti. Hanser Verlag 2021. 432 Seiten. 22,00 Euro. Hier bestellen

Der Roman stellt die Frage, wer mit welchem Recht was und in welcher Art und Weise sagen darf. Dabei unterläuft er die Erwartungen, stellt Positionen auf den Kopf und regt zum Denken an. Wie ging es Dir beim Schreiben, was ging da in Dir vor? Warst Du manchmal überrascht von den Debatten, die Deine Figuren da führen?
Es ist ja nicht so, dass mir eine göttliche Stimme einflüstert, was ich schreibe, sondern in den Auseinandersetzungen steckt natürlich viel Recherche. Allerdings sind die meisten Dialoge eben doch so entstanden, dass ich auf dem Fahrrad oder im Auto saß und plötzlich waren sie in meinem Kopf. Dann muss ich möglichst schnell irgendwo anhalten und sie aufschreiben. Vieles entwickelt sich tatsächlich aus den Figuren heraus – und sie weigern sich auch, Dinge zu tun, die ihrem Charakter nicht entsprechen – aber insbesondere in Saraswati steckt wahnsinnig viele Recherche. An der Figur scheiden sich auch die Geister. Es gibt Leute, die sie abgrundtief hassen. Lieben geht schwieriger, weil sie eine sehr distanzierte Person ist. Aber ich kenne Menschen, die unglaublich viel Verständnis für sie aufbringen. Und ich erkenne einfach vieles von ihr aus meinem eigenen Leben wieder. Ich habe ja selbst oft das Gefühl, dass egal, was ich sage, eine Lüge ist. Auch wenn ich als die spreche, als die ich gelesen werde, empfinde ich das als Anmaßung. Darf ich PoC sein? Das geht mit mit den ganzen Debatten um cultural appropriation ähnlich. Ich finde sie sehr produktiv, weil sie viele Dinge sichtbar machen, aber wenn wir ehrlich sind, ist jedes Schreiben cultural appropriation. Oder ich kann nur noch mein Tagebuch veröffentlichen.
Das Problem ist doch, dass wir immer nur darauf schauen, wo man die Grenze ziehen kann, statt zu sehen, wie viel Vermischung und Grauzonen es gibt und wie produktiv die auch sind. Wie gesagt, das bedeutet nicht, dass die Debatten unsinnig wären. Es gibt nur auch dort keine einfachen Antworten. Gauguins Bilder waren für mich zum Beispiel unglaublich wichtig. Dabei ist die Geschichte dieser Gemälde schrecklich. Der Mann ging in die Südsee, malte diese 14-jährigen Mädchen, danach stieg er mit ihnen ins Bett, steckte sie mit Syphilis an oder schwängerte sie. Das ist nun wahrlich keine Heldengeschichte, aber die Bilder haben mir meine Jugend gerettet. Denn es waren Bilder von nicht-weißen Frauen, die im Zentrum des Geschehens standen und als positiv und großartig dargestellt wurden. Und um diese Grauzonen und Übergänge ging es mir bei dieser Figur. Saraswati ambivalent darzustellen – und nicht eindeutig negativ – war dabei die größte Herausforderung. Und da ging es meist nicht um ihre Argumentation oder dass die mich verwirrt hätten, denn das sind die Debatten, die ich seit Jahren in meinem Kopf führe. Aber es hat mich viel gekostet, sie als eine Figur darzustellen, die eben nicht nur abgewertet werden kann. Man muss sie ernst nehmen. Zum einen weil sie natürlich wahnsinnig charismatisch ist, aber was sie wirklich rettet, ist, dass sie durch diesen ganzen emotionalen Aufruhr anwesend bleibt, dass sie ein echtes Interesse an Nivedita hat und sich nicht vor der Auseinandersetzung drückt. Sie sagt Nivedita ganz klar, »Du kannst dich jetzt über mich aufregen, so lange möchtest, ich bin weiterhin hier. Und ich werde auch weiter mit dir reden, egal wie wütend du auf mich bist.«

Tatsächlich ist diese Figur unheimlich spannend, eine klassische Kippfigur. Sie ist eine klassische Täterin, indem sie ihre Identität faked und darauf eine Karriere aufbaut. Sie räumt das auch ein, empfindet aber keineswegs Reue. Stattdessen sagt sie, dass ihr gar nichts anderes bleibt – zumal wenn man die Argumente Ernst nimmt, die in ihren Seminaren ausgetauscht werden. Und zugleich hat sie diese hartnäckig-verbindliche Seite.
Ja, Saraswati ist wahnsinnig verbindlich, aber aus ihren eigenen Motiven. Sie hält sich ja für eine Art Messias Figur für BIPOCs. Puh! Aber ich finde grundsätzlich unseren Umgang mit Tätern schwierig. Täter sind in unserer Welt böse Menschen und haben nach der Tat kein Recht mehr auf Menschlichkeit. Am liebsten wäre es uns, wenn sie sich einfach in Luft auflösen würden, aber das passiert ja nicht. Deshalb war es mir wichtig, dass es nach dem Shitstorm, der über Saraswati natürlich hereinbricht, weitergeht. Dass ist übrigens auch bei echten Shitstorms der Fall. Es geht danach immer weiter, häufig sogar besser als vorher oder zumindest ähnlich gut. Natürlich gibt es auch Leute, die wirft so ein Shitstorm völlig aus der Bahn, aber sehr viele dieser Geschichten enden damit, dass die Betroffenen einen anderen guten Job bekommen. Sie haben dann Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeit ist in unserer Gesellschaft eben eine Währung.

COVER PDF LESEPROBE Hengameh Yaghoobifarah: Ministerium der Träume. Aufbau Verlag 2021. 384 Seiten. 22,00 Euro. Hier bestellen

Saraswati wird natürlich der Vorwurf der Aneignung und des Blackfacing gemacht. Sie selbst findet diese Vorwürfe rassistisch und teilt zurück aus. Hätten Juli Zeh oder Daniel Kehlmann einen Roman mit so einer anmaßenden, weißen Figur schreiben können?
Im Moment wäre es tatsächlich schwierig für sie, einen solchen Roman zu schreiben. Natürlich, natürlich, natürlich! Der Gedanke, dass die Leute, die einen Roman schreiben, nicht mitgelesen werden als die Person, die sie sind, ist eine Lüge. Wir tun ja immer so, als stünde das Kunstwerk für sich. Aber das war noch nie so. Schon Emily Bronté hat mit gutem Grund unter einem männlichen Pseudonym geschrieben. Natürlich haben wir Fantasien über die Menschen, die diese Bücher schreiben. Und in dem Fall wird deutlich sichtbar, dass wir natürlich auch bei weißen Menschen Fantasien darüber haben. Und das verblüfft uns nur so, weil die vorher unsichtbar waren, weil sie halt die Norm waren. Und umgekehrt gab’s diese Fantasien auch schon immer mir gegenüber. Ich erinnere mich noch daran, dass Leute von mir, als ich angefangen habe zu schreiben, so einen Coming-of-Age-Roman in einer Gastarbeiter-Familie erwartet haben. Wo ich denke, wie sollte ich, davon habe ich doch gar keine Ahnung.

Nun hast Du einen Roman mit einer Hauptfigur geschrieben, die wie Du ein indisches Elternteil hat?
Ich wollte, dass es einen Roman über uns als Community in Deutschland gibt. Es gibt so wenig Literatur über uns. Das war also, wenn man so will, eine egoistische Entscheidung. Aber Nivedita und ihre Cousine Priti sind ja die beiden einzigen Figuren in dem Roman mit indischen Elternteilen. Saraswati ist ja keine Inderin. Es war mir auch wichtig, dass es auch andere Figuren darin gibt. Oluchi beispielsweise ist schwarz, ihr Vater kommt aus Nigeria. Die hat sich selbst ein wenig hineingeschrieben in den Roman. Sie war eigentlich gar nicht als eine so zentrale Figur geplant, wurde im Verlauf des Schreibens aber immer wichtiger. Mit ihr konnte ich zeigen, dass du weniger versöhnlich bist, wenn du eine andere Geschichte mitbringst, auch eine andere Diskriminierungsgeschichte. Dass sie Saraswati gegenüber viel wütender ist, hat eben auch viel mit ihren Erfahrungen zu tun.

Der Roman wirft Fragen der Diskussionskultur auf. Obwohl wir uns im akademischen Milieu bewegen, ufert die Empörung schnell zum Shitstorm aus.
Es wird von ihren Student:innen ja als Politikum wahrgenommen, dass Saraswati als Professorin für Postcolonial Studies mit race spielt. Also sie hat nicht über den Beruf ihrer Eltern gelogen, sondern über den Kern dessen, was sie unterrichtet. Aber es sind nicht nur die Studierenden. Die ganzen Rechten, die sowieso alles verbieten wollen, was auf studies endet, springen sofort auf die Empörung auf. Es gibt hier also eine Kraft von außen, die skandalisiert, und einen inneren Kreis, der sich betrogen fühlt. Ich glaube, wenn es mehr Vorbilder an Universitäten gäbe, mehr POC-Professorinnen, dann wäre das nicht so ein Problem. Dann wäre Saraswati eine unter vielen. Aber weil sie so ein einsamer Leuchtturm ist, auf den alle ihre Bedürfnisse projizieren, eskaliert die Situation so stark. Es geht im Roman ja auch um das Verhältnis zwischen Student:in und Mentor:in, in dem es immer eine Entzauberung geben muss. Welcher Schlag es ist, wenn sich die eigene Mentorin als Mensch mit Fehlern zeigt, wenn die vom Sockel geholt wird, auch davon handelt der Roman. Auch für mich war es total wichtig, festzustellen, dass manche meiner Ikonen auch schräge Gedanken hatten. Nur so konnte ich letztlich meine eigene Stimme finden.

Mithu M. Sanyal: Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens. Edition Nautilus. 256 Seiten. 18,00 Euro. Hier bestellen

Eine aus dem Ruder laufende Debatte hast Du auch nach der Buchvorstellung von »Vergewaltigung« im taz-Café erlebt. Du schlugst damals auf Wunsch von Betroffenen vor, nicht mehr von »Überlebende sexualisierter Gewalt« zu sprechen, sondern stattdessen »Erlebende« zu sagen. Sofort ging ein veritabler Shitstorm auf Dich nieder. Was hast Du aus der Erfahrung mitgenommen?
Ich habe gar nicht gesagt, wir sollten nicht mehr von Überlebenden oder Opfern sprechen, sondern es ging mir darum einen weiteren Begriff zur Selbstbezeichnung zu haben. Zu allererst war ich damals erschrocken, dass es Leute aus den eigenen Kreisen waren, die ich verletzt hatte. Das war ja das Letzte, was ich wollte.. Das hat mich mehr erschrocken als die ganzen Angriffe von rechts außen. Ich hatte große Angst, nach dem Shitstorm nicht mehr geliebt zu werden, auch wenn es um politische Dinge geht. Und die große Angst, dass von dem Nonsens etwas hängen bleibt. Aber das ist nicht passiert. Ich hab gelernt, dass es auch ganz viel echte Solidarität gab. Und dass ich das Internet viel zu wichtig genommen habe. Auch auf der Höhe des Shitstorms gab es Leute, die noch nie etwas davon gehört hatten. Zu dem Zeitpunkt dachte ich aber, dass die ganze Welt mit dem Finger auf mich zeigt. Das war eine wichtige Erfahrung. Und auch zu merken, dass das auch einfach vorbeigeht. Das Leben geht normal weiter. Und dann kommt irgendwann der nächste Shitstorm und dann der nächste, aber die werden immer kleiner. Aber ich weiß, kurz danach habe ich versucht, vorsichtiger zu schreiben, auch so mit Schere im Kopf, damit das nicht noch mal passiert. Nur um dann festzustellen, dass man immer irgendetwas falsch macht. Das war auch jetzt beim Roman der Fall. Es gab eine entsetzte Reaktion darauf, weil ich das N-Wort an zwei für mich klar markierten Stellen ausgeschrieben habe. Ich finde diese Kritik übrigens völlig in Ordnung. Ich hatte zwar vorher einige Leute gefragt, aber man kann ja auch Fehler machen, obwohl man Menschen fragt. Deshalb werde ich das in der nächsten Auflage ändern.

In der Essaysammlung »Eure Heimat ist unser Albtraum« hast Du über Heimat geschrieben, und dass es bei Heimat immer auch um die Narrative einer Gesellschaft geht. Du zitierst darin Naika Foroutan, die statt einer Leitkulturdebatte eine Leitbilddebatte fordert, also eine Debatte darüber, was wir als Gesellschaft sein wollen. Verstehst Du Deinen Roman als einen Beitrag zu einer solchen Debatte?
Jain. Ich finde, die Debatte ist gesellschaftlich und medial ganz wichtig. In meinem Roman geht’s es aber ja auch darum, die Vergangenheit größer und diverser und voller zu machen und zu zeigen, dass wir immer schon hier waren. Wir sind Teil der Geschichte und wir wollen uns als Teil der Geschichte sichtbar machen, damit wir uns darauf beziehen könnten. Die Leitbild-Debatte kommt ja hauptsächlich aus Kanada und geht davon aus, dass alle Kanadier sind und bloß keiner auf die Idee kommen soll, auch noch etwas anderes zu sein. Es gab diese eine Szene im Kindergarten, wo ein kleiner Junge sagte: Ich bin Libanese. Und die Kindergärtnerin sagte: Nein, du bist Kanadier. Das ist doch scheiße. Wir können doch beides sein und das ist großartig. Das aufzuzeigen, auch darum geht es in meinem Roman.

Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah: Eure Heimat ist unser Albtraum. 208 Seiten. 20,00 Euro. Hier bestellen

Im Roman hast Du Tweets, Posts und Kommentare von zahlreichen Menschen aus Kultur und Medien und Kultur verwendet. Wie kam es dazu?
Diese Beteiligung ist entstanden, weil ich ein paar Leute gefragt habe »Sag mal, wie würdest du denn reagieren, wenn…?« Denn ich hatte mich beim Schreiben gefragt, würde diese Geschichte überhaupt in Deutschland so funktionieren? Wäre man hier überhaupt so wütend und entsetzt. Die Antwort inzwischen: ja! Die erste Person, die ich gefragt hatte, wie sie reagieren würde, schrieb mir dann, sie würde so und so tweeten. Aber dann dachte ich, ein einzelner Tweet macht ja keinen Sinn, also habe ich noch ein paar Leute gefragt. Und dann noch mehr und noch mehr. Und im Nachhinein bin ich total glücklich darüber, weil die Tweets und Posts wirklich alle anders sind, als ich das geschrieben hätte – sowohl stilistisch als auch inhaltlich. Es kamen immer wieder welche, bei denen ich dachte: Wow, da wäre ich im Leben nicht drauf gekommen. Aber das war natürlich irre viel Arbeit, weil es mit dem Fragen allein natürlich nicht getan ist. Mit manchen Menschen habe ich lange telefoniert und alles erklärt. Denn mir war die Handlung ja total klar, aber natürlich ging es den anderen nicht so.

Als Du den Roman geschrieben hast, ermordete ein Rechtsextremist aus rassistischen Motiven zehn Menschen in Hanau. Wie hat sich das auf das Schreiben ausgewirkt?
In meiner Auseinandersetzung mit dem Thema fand ich es immer unglaublich, dass Solingen und all die anderen Anschläge als Thema in der deutschen Literatur nie vorkamen. Ich habe sicherlich nicht alle Romane gelesen, aber ich habe es nicht gefunden. Interessanterweise taucht beispielsweise rechtsextremer Terror in den Romanen, die jetzt erscheinen – also etwa in Hengameh Yaghoobirafahs »Ministerium der Träume« – auf. Diese Ereignisse sind für mich wichtig, auch als Zäsuren in meiner Erinnerung. Ich habe viele weiße Freund:innen, die mit mir gegen Rassismus demonstrieren waren, für die diese Anschläge aber nicht so zentral waren. Und ich glaube, das hat auch etwas damit zu tun, weil wir es uns in diesen Geschichten nicht erzählen. Im Gegensatz zum Mauerfall. Der war für mich, obwohl ich nicht aus dem Osten komme, immer etwas ganz Zentrales, weil wir darüber in der Schule diskutiert haben. Das trifft aber nicht für unsere Perspektiven auf die Geschichte zu. Das zu ändern war immer eine große Motivation für mich. Zudem erdet so etwas wie Hanau eine solche Geschichte, in der es darum geht, dass eine Professorin vorgibt, POC zu sein. Und dann kommt sowas sie Hanau und plötzlich stellen sich diese Fragen ganz anders. Es gab auch die Angst, darf ich darüber schreiben oder reduziere ich so ein schrecklicher Ereignis auf eine Hintergrundkulisse. Auch da habe ich mit vielen Menschen gesprochen, auch Menschen aus Hanau. Und ich habe mich schließlich dafür entschieden, dass der Anschlag in mein Buch hinein muss – dieser Anschlag und nicht ein fiktionaler. Da spielte auch mein Gefühl, dass ich mich persönlich durch diesen Anschlag bedroht fühle und gleichzeitig dachte, was für eine Anmaßung von mir, eine Rolle. Auch das wollte ich spiegeln. Und zufällig war es auch im Rachel-Dolezal-Fall so, dass es auf dem Höhepunkt der Debatte zum Anschlag auf die Kirche in Charleston kam. So erfuhr die Debatte um den Fall erst einmal eine Zäsur. Die ist dann zwar später wieder aufgenommen, aber anders. Man kann nach so einem Ereignis nicht mehr in derselben Form darüber reden.

Der Roman ist nicht nur aufgrund der Parallelen zum Fall Rachel Dolezal in den USA nah an der Wirklichkeit. Die Hauptfigur Nivedita Anand teilt einige biografische Merkmale mit Dir. Hast Du keine Angst, dass Fiktion und Wirklichkeit verwechselt werden und man das als Deine Geschichte liest?
Alle Orte in dem Buch sind real, inklusive der Toilette im Deutschlandfunk, weil die Geschichte an so vielen Punkten so wahnsinnig phantastisch erscheint. Deshalb war es mir umso wichtiger alles andere in absoluter Realität zu verwurzeln. Auch die Wohnung von Saraswati existiert wirklich, auch die Straßen in Essen, wo Nivedita aufgewachsen ist. Ja Nivedita und ich teilen die Herkunftsländern unserer Eltern, dadurch ist sie aber noch lange nicht autobiographisch. Sie ist viel jünger als ich, ihre Form der Auseinandersetzung mit race ist ganz anders, weil das Wissen um Rassismus in Deutschland ja exponentiell gewachsen ist in den letzten Jahren. Mir wurde noch als Kind und Jugendliche noch erzählt, Rasse und Rassismus gebe es in Deutschland nicht. Das waren die Nazis. Mir war es aber wichtig, dass es Menschen wie mich in Literatur gibt. Deshalb habe ich Nivedita mit dieser Familiengeschichte angelegt. Ihr wird ja auch immer gesagt: das ist ja eine außerordentliche Mischung, polnisch-indisch, aber nein, das ist total normal. Fast alle im Ruhrgebiet kommen irgendwie aus Polen. Die andere Seite ist die, dass ich immer, egal worüber ich schreibe, gefragt würde: ist das nicht autobiografisch. Es sei denn, ich würde einen Roman über Susanne und Klaus schreiben. Und dann würde man fragen, wie ich denn so einen Roman schreiben könnte. Zadie Smith wird ja auch ständig gefragt, ob es autobiografisch ist, wenn es um London geht, obwohl sie über so viele unterschiedliche Familien schreibt. Man hat also sowieso keine Chance, sich diesem Verdacht des autobiografischen Schreibens zu entziehen.

Wo würdest Du »Identitti« vom Genre her einsortieren? Komödie? Tragödie? Satire? Coming of Age?
Zunächst: Es ist ein Roman. In England ist diese Art von postmigrantischer Geschichten ein selbstverständlicher Teil der Literatur. Der Roman hat natürlich Coming-of-Age-Elemente, ist aber kein Coming-of-Age-Roman. Es ist auch ein Campus-Roman, der jedoch kaum auf dem Campus spielt…

Vielleicht ist es schlicht und ergreifend ein Heimatroman?
Ja genau, es ist ein Heimatroman. Das find ich gut.

Wenn Du Dich entscheiden müssten: pc oder lieber PoC?
Natürlich PoC. Aber das ist natürlich auch eines dieser Worte, die wir in fünf Jahren wahrscheinlich nicht mehr verwenden. Momentan haben wir kein besseres. Aber dennoch: was für ein beknacktes Wort, »people of color«. Wir haben gerade gelernt, »farbig« sagen wir nicht. Also wird auch das Wort in absehbarer Zeit nicht mehr das Wort sein. Ich hoffe, ich kriege das Memo früh genug, damit ich weiß, welches der nächste Begriff ist.

Mithu, vielen Dank für das Gespräch.

10 Kommentare

  1. […] sind ein »Ganzkörpererlebnis«, kriechen »einem nicht nur ins Gehirn, sondern unter die Haut« (Mithu Sanyal in »Von einem Sohn dieses Landes« und sein »Blick auf das Verhältnis von Schwarzen und Weißen […]

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