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Auserlesene ukrainische Literatur

Katja Petrowskaja, Natascha Wodin, Dimitrij Kapitelman, Lana Lux, Marjana Gaponenko

Deutschsprachige Autorinnen mit ukrainischen Wurzeln sind momentan viel gefragt, um in Radio, Fernsehen und Printmedien die ukrainischen Farben zu vertreten. Zu ihnen gehört Bachmann-Preisträgerin Katja Petrowskaja, die in Kiew geboren und lebt seit 1999 in Deutschland. Mit einem Auszug aus ihrem Roman »Vielleicht Esther«, der die Verbrechen der deutschen Wehrmacht in der Ukraine und die Erinnerung daran thematisiert, gewann Sie 2013 den Ingeborg-Bachmann-Preis, der Roman selbst war 2014 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert und gewann den Aspekte Literaturpreis für das beste Debüt. Im Mai erscheinen ihre Foto-Kolumnen, die sie 2015 in der FAZ zu schreiben begann. Unter dem Titel »Das Foto schaute mich an«, denkt sie über das Foto einer geisterhaften Pflanze in einem Tschernobyl-Buch, das rauchvernebelte Gesicht eines Grubenarbeiters in einer Kiewer Ausstellung oder das Foto eines syrischen Flüchtlingspaar auf Lesbos nach und fragt nach dem Wesen der Wirklichkeit.

Natascha Wodin ist zwar 1945 in Fürth zur Welt gekommen, ihre Eltern stammen aber aus der Ukraine und aus Russland. Ihnen sind auch ihre beiden bekanntesten Romane gewidmet. Ihr mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneter Roman »Sie kam aus Mariupol« erzählt die Geschichte ihrer Mutter und die der Zwangsarbeiter in Nazideutschland. Dem gegenüber steht der Roman »Irgendwo in diese Dunkel«, in dem sie ihre Jugend an der Seite ihres gefürchteten Vaters, dessen Tyrannei sie nur entkommt, indem sie weg läuft. Zuletzt erschien Wodins Roman »Nastjas Tränen«, in dem sie die Geschichte ihrer ukrainischen Haushaltshilfe erzählt, die zugleich ein Lehrstück über Armut und Reichtum sowie die europäische Migrationspolitik ist.

Der in Kiew geborene Schriftsteller und Journalist Dimitrij Kapitelman kam Mitte der 1990er als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland und lebt in Berlin. Sein Debütroman »Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters« bezeichnet er selbst als »Buch der Emanzipation«. Er erzählt darin von den rassistischen Erfahrungen, die sein Alter Ego macht, und von der Reise, die er mit seinem Vater in die »Judkraine« unternimmt. In seinem zweiten Roman »Eine Formalie in Kiew« muss sein Alter Ego in die alte Heimat reisen, um ein Dokument zu besorgen, dass die deutschen Behörden von ihm verlangen. Die süßen Kindheitserinnerungen treffen auf eine bittere Realität, und das alles nur, um den Einbürgerungsformalitäten nachzukommen. Eine ebenso lakonische wie melancholische Erzählung über Heimatverlust, Migration und Identität im Übergang.

Die jüdische Autorin, Illustratorin und Schauspielerin Lana Lux ist 1986 im ukrainischen Dnipropetrowsk geboren, sie kam mit ihrer Familie 1996 nach Deutschland und lebt in Berlin. In ihrem Debütroman »Kukolka« erzählt sie die Coming-of-Age-Geschichte eines ukrainischen Waisenkinds, in ihrem zweiten Roman »Jägerin und Sammlerin« geht sie dem Schmerz des Heimatverlusts ihrer Figuren mit ukrainischen Wurzeln auf den Grund. Dabei betrachtet sie ihre Frauenfiguren stets mit großer Sympathie, ohne ihnen die Härten des Daseins zu ersparen.

Marjana Gaponenko ist 1981 in Odessa geboren und lebt in Wien. Ihr Debütroman »Annuschka Blume« ist der Briefwechsel einer Lehrerin und eines Journalisten. Sie steckt in der ukrainischen Provinz fest, er reist durch die Welt. In ihren Briefen erheben sie sich über die Dinge und betrachten die Wirklichkeit von außen. In »Wer ist Martha« reist ein sterbenskranker ukrainischer Vogelkundler nach Wien, um noch ein paar aufregende Tage zu haben und mit einem Schicksalsgenossen zurückzublicken. Ihre Folgeromane setzen sich nicht mit der Ukraine auseinander, dafür aber ihr Bühnentext »Post-Sowjetische Dramolett-Trilogie«, in dem sie in drei Akten das »historische und gegenwärtige Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland« vermisst.


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8 Kommentare

  1. […] propagiert, dass die Ukraine ein künstlicher Staat ohne eigene Kultur und Geschichte sei. Bereits in einem Beitrag zur zeitgenössischen ukrainischen Literatur hatte ich gezeigt, dass dies U… Die Filmreihe »Perspectives of Ukrainian Cinema« beweist nun für das Kino eindrucksvoll das […]

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