Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse wurden nicht nur der Deutsche Buchpreis, sondern auch zahlreiche andere Preise vergeben. Zu den Ausgezeichneten gehören auch einige Übersetzer:innen. Ein willkommener Anlass, den Blick auf die diesjährigen Übersetzerpreise und ihre Preisträger:innen zu lenken.
Preise und die damit verbundenen Gelder sind in einer prekären Branche wie dem Literaturbetrieb oft elementar. Das gilt für die literarische Übersetzung noch viel mehr als für die deutschsprachige Literatur selbst, schlicht aufgrund ihrer geringeren Anzahl und der geringer ausfallenden Sichtbarkeit.
- Preise der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung
- Paul-Celan-Preis
- Straelener Übersetzerpreis
- Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse
- Rebekka – Preis für langjähriges Übersetzen
- Internationaler Literaturpreis
- Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis
- Mazzucchetti-Gschwend-Übersetzungspreis
- Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis
- Johann-Heinrich-Voss-Preis
- Internationaler Hermann-Hesse-Preis
- Übersetzerbarke
Mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis, dem Jane Scatcherd-Preis und dem Paul Scheerbart-Preis wurden auf der Frankfurter Buchmesse gleich drei Auszeichnungen von Übersetzenden vorgenommen. Der renommierte Paul-Celan-Preis und die Straelener Übersetzerpreise – beide mit jeweils 25.000 Euro die höchst dotiertesten Übersetzungspreise – werden in den nächsten Wochen noch vergeben.
Bereits überreicht wurden in diesem Jahr der Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung, die Rebekka für langjähriges Übersetzen, der Internationale Literaturpreis, der Helmut-M.-Braem-Preis, der Mazzucchetti-Gschwend-Übersetzerpreis, der Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis, der Johann-Heinrich-Voss-Preis sowie der Internationale Hermann-Hesse-Preis.
Preise der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung
Der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis ist in diesem Jahr an Stephan Kleiner vergeben worden, der in der Mitteilung als »äußerst vielseitiger und wendiger Übersetzer mit einem reichhaltigen Fundus von Autor:innen aus der aktuellen amerikanischen und britischen Gegenwartsliteratur« beschrieben wird. Sein Spektrum reicht von Hanya Yanagihara über Geoff Dyer und Nick Hornby bis zu Marlon James. Kleiners »Übersetzungen, die auch viel Essayistisches aus der amerikanischen Zeitgeschichte von Tarantino bis Obama umfassen, zeichnen sich durch hohe Präzision und lockere stilistische Eleganz aus. Sie sind Leuchtzeichen lebendiger Kulturvermittlung«, heißt es in der Erklärung zur Preisvergabe.



Mit dem Jane Scatcherd-Preis wurde Verena von Koskull für ihre genauen und unaufgeregt kunstvollen Übersetzungen aus dem Italienischen ausgezeichnet. Von Koskull habe bedeutende, stilistisch ganz unterschiedliche Romane von Autor:innen wie Alba de Céspedes, Marina Jarre, Antonio Scurati, Vincenzo Latronico, Igiaba Scebo oder Gian Marco Griffi übertragen, zahlreiche ihrer Übersetzungen sind zum diesjährigen Gastland-Auftritt Italiens erschienen. Verena von Koskull vereine ein untrüglich feines Gespür für Sprache mit tiefem Verständnis für kulturelle Besonderheiten; ihre Übersetzungen sind geprägt von unprätentiöser Klugheit.





Olga Radetzkaja wurde zudem mit dem Paul Scheerbart-Preis ausgezeichnet.Gewürdigt wurden damit ihre Lyrik-Übersetzungen aus dem Russischen. Insbesondere ihre Übersetzungen von Maria Stepanovas Lyrik-Bänden »Der Körper kehrt wieder«, »Mädchen ohne Kleider« und »Winterpoem« wurden gelobt. »In schwebender, leicht melancholischer Sprache, mit der ein Reich zwischen Traum und Wirklichkeit beschworen wird, zeichnet die Übersetzerin die in den Gedichten thematisierten verstörenden Tatsachen nach. Sie bewegt sich nah am Original entlang, verleiht aber der Sprache ihrer Übersetzung dennoch einen eigenständigen Ton.«



Die Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Stiftung ist eine Stiftung zur Förderung deutschsprachiger Übersetzer. Sie vergibt seit 1992 den mit 15.000 Euro dotierten Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis, seit 1995 den mit 10.000 Euro dotierten Jane Scatcherd-Preis und seit 1998 den Paul Scheerbart-Preis mit einem Preisgeld von 5.000 Euro. Mit den jährlich vergebenen Preisen soll die »oft unterschätzte und öffentlich zu wenig gewürdigte Arbeit« literarischer Übersetzer:innen gewürdigt werden.
Paul-Celan-Preis
Der vom Deutschen Literaturfonds alljährlich vergebene Paul-Celan-Preis für herausragende Übersetzungen ins Deutsche geht in diesem Jahr an Thomas Weiler. Sein facettenreiches übersetzerisches Werk erschließe dem deutschsprachigen Publikum hierzulande wenig bekannte Literatur aus dem Belarussischen, Polnischen und Russischen, so die Jury. Die Genres seiner Übertragungen reichen von komplexer Prosa über hochanspruchsvolle Kinderliteratur bis zu feinsinniger Lyrik.

Den mit 25.000 Euro dotierten Preis erhält Weiler im Besonderen für seine Übersetzung des Romans »Europas Hunde« von Alhierd Bacharevic, der in Belarus verboten und als extremistisch eingestuft ist. Der 2017 erschienene Text nimmt die Lesenden mit auf eine so düstere wie witzige Reise durch Vergangenheit und imaginierte Zukunft von Belarus (und Europa) und behandelt dabei in prophetisch anmutender Präzision Themen von höchster Aktualität.
Die Jury würdigt Weilers großartige Übertragung, »in der er die unterschiedlichsten Stimmen im Roman mit beeindruckender Kreativität und Sprachfreude zu Gehör bringt und dabei brillant so unterschiedliche Register wie Slang, Archaik, Mythologie und Satire zieht.« Sie würdigte zudem, dass Weiler neben dem Belarussischen und Russischen, in denen der Roman verfasst ist, Weiler auch ein Wörterbuch der Kunstsprache Balbuta zu übersetzen hatte, die in der Romanhandlung entwickelt und gesprochen wird. »Mit seinen experimentierfreudigen Sprachspielen, seinem feinen Sinn für Rhythmik und Klang auf unterschiedlichen Textebenen und seiner Akribie, die ihn die zahlreichen kulturellen Anspielungen des Romans nachzeichnen lässt, schenkt Thomas Weiler der deutschsprachigen Leserschaft unerhörten Sprachgenuss und den Zugang zu einem bisher unbekannten Stück Weltliteratur.«
Thomas Weiler wurde 1978 im Schwarzwald geboren. Seit seinem Übersetzerstudium in Leipzig, Berlin und St. Petersburg übersetzt und vermittelt er Belletristik und Kinderliteratur aus dem Polnischen, Russischen und Belarussischen. 2017 erhielt er den Deutschen Jugendliteraturpreis, 2019 erhielt er den Karl-Dedecius-Preis, 2024 wurde er zudem mit der August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung geehrt. Er Übersetzt die Literaturen u.a. von Artur Klinau, Viktor Martinowitsch, Volha Hapeyeva, Alexandra Litwina, Ziemowit Szczerek und Julia Cimafiejeva.
Straelener Übersetzerpreis
Der renommierte Literaturpreis der Kunststiftung NRW, der Straelener Übersetzerpreis, ging 2024 an die Tschechisch-Übersetzerin Eva Profousová, die für ihre bereits 2019 vorgelegte Übertragung des Romans »Ein empfindsamer Mensch« von Jáchym Topol ausgezeichnet wurde. Der Roman erzählt von der Odyssee einer tschechischen Künstlerfamilie, die vor dem bevorstehenden Brexit Großbritannien verlassen müssen und mit dem Campingwagen quer durch Osteuropa irren. Eine Road-Novel der Sonderklasse, politisch wach und überaus unterhaltsam.

»Die empfindsame Navigation der Übersetzerin lässt kein Detail außer Acht und wird der Spannung der Vorlage durchweg gerecht. Es gibt kaum einen Satz, der nicht eine besondere übersetzerische Schwierigkeit zu überwinden hätte, und doch sprüht die Freude am Spiel dem Text aus allen Poren«, urteilte die Jury in ihrer Begründung. Der Preis wird unter besonderer Würdigung ihres übersetzerischen Gesamtwerks vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Die 1963 in Prag geborene Eva Profousová lebt seit 1983 in Deutschland, sie studierte Slavistik und Osteuropäische Geschichte in Hamburg und Glasgow. Sie übersetzt u.a. Werke von Radka Denemarková, Jaroslav Rudiš, Katarína Kucbelová, Martin Šmaus, Kateřina Tučková und Petr Zelenka.

Der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis wurde Lisa Mensing für ihre Übersetzung aus dem Niederländischen von Caro Van Thuynes Trauerroman »Birkenschwester« zugesprochen. Diese habe die Jury »als außerordentlich kunstvoller Balanceakt überzeugt und begeistert«. Die 1989 geborene Mensing ist übersetzt u.a. auch das Werk von Martine Bijl und Connie Palmen, nebenbei ist sie als Redakteurin bei TraLaLit, dem Magazin für übersetzte Literatur, aktiv.
Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse
Im Frühjahr 2024 ist Ki-Hyang Lee für ihre Übertragung des Romans »Der Fluch des Hasen« von Bora Chung aus dem Koreanischen mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet worden. Ki-Hyang Lee habe bei ihrer Übersetzung der zehn geistreichen Kurzgeschichten sowohl für den hintersinnigen Humor als auch für die Schilderungen des realen Schreckens eine passende Übertragung gefunden. Wie der Hase würden auch die Erzählungen Haken schlagen.

»Das Unheimliche und Monströse laufen bei der gesellschaftskritisch versierten Koreanerin Bora Chung zu großer Form auf. Ki-Hyang Lee ist es zu verdanken, dass ihre Geschichten auch auf Deutsch abgründig funkeln. In der pointierten und leicht neben die Norm gesetzten Sprache, die Ki-Hyang Lee den Texten von Bora Chung verleiht, haben sie eine zitternde Offenheit für das Neue und Unerwartete. Das Niedliche und das Widerliche kommen uns daraus entgegen. Wir erleben die Liebe, wie sie sich in einer nahen Zukunft womöglich anfühlen wird. Übersetzen bedeutet dabei auch, von beweglichen Standpunkten aus zu denken: Was ist nah und was fern, was selbstverständlich und was fremd. In diesem Buch werden Fremdsprachen gesprochen, und die Übersetzung spielt mit deren Rolle. Dass wir den Reichtum der südkoreanischen Gegenwartsliteratur erleben können, ist ein großer Verdienst von Ki-Hyang Lees unermüdlicher Arbeit«, urteilte die Jury für den mit 20.000 Euro dotierten Preis.
Die 1967 in Seoul geborene Ki-Hyang Lee studierte Germanistik, Pädagogik und Japanologie in Seoul, Würzburg und München. Zu den zahlreichen Übersetzungen der in München lebenden Übersetzerin zählt u.a. das Werk der aktuellen Literaturnobelpreisträgerin Han Kang.
Rebekka – Preis für langjähriges Übersetzen
Der mit 5.000 Euro dotierte Preis ehrt Übersetzer:innen, die seit vielen Jahren gut, begeistert, beharrlich und häufig schlecht bezahlt Belletristik und Sachbücher übersetzen und trotz ihrer langen Titelliste zu wenig beachtet werden – unter anderem, weil die von ihnen übersetzten Bücher selten oder nie zu jenen gehören, die im Feuilleton besprochen und mit bereits existierenden Übersetzungspreisen geehrt werden. Die Rebekka 2024 konnte im Rahmen der Leipziger Buchmesse leider nur posthum vergeben werden. Die Rebekka ging an Dr. Anne Emmert, die mit Akribie, Sorgfalt, terminologischer Genauigkeit und sprachlicher Eleganz vor allem Sachbücher übersetzte. Die Themen der von ihr übersetzten Bücher reichen von Griechenland unter deutscher Besatzung über genmanipulierte Lebensmittel bis zu Titeln über Steine und Fossilien für junge Leser, wie es in der Meldung hieß.





»Anne Emmert arbeitet immer sachkundig, präzise und mit unfehlbarem Gespür für den jeweiligen Ton «ihrer» Autor:innen, zu denen u.a. Laurie Penny, Susan Faludi und Judith Butler gehören.« Die Auszeichnung wurde ihr »für ihr übersetzerisches Gesamtwerk, die Vielseitigkeit ihres übersetzerischen Schaffens sowie ihren nimmermüden Einsatz für die Belange von Kolleg:innen und für die öffentliche Anerkennung des Übersetzens« zugesprochen. Emmert war kurz nach Bekanntgabe ihrer Auszeichnung bei einem tragischen Verkehrsunfall mit ihrem Ehemann Günter ums Leben gekommen.
Internationaler Literaturpreis
Mit dem Preis für übersetzte Gegenwartsliteraturen, dem Internationalen Literaturpreis des Hauses der Kulturen der Welt, wurden im Mai Pajtim Statovci und sein deutscher Übersetzer Stefan Moster für den Roman »Meine Katze Jugoslawien« aus dem Finnischen ausgezeichnet. Es handele sich um einen eigensinnigen und wichtigen Roman, sprachlich leicht zugänglich und doch dicht gefüllt mit all den Komplexitäten, die menschliche Gefühlswelten zu bieten haben. Im Wechsel folgt die Handlung einer Mutter und ihrem Sohn durch unterschiedliche Zeiten und Situationen in ihren Leben, beide durch das verbunden, was sie trennt: die patriarchale Gewalt.

Statovcis zurückhaltende Sprache wurde von Stefan Moster schlicht, aber umso wirkungsvoller ins Deutsche übersetzt, heißt es in der Begründung der mit 35.000 Euro (Autor: 20.000 Euro, Übersetzer: 15.000 Euro) dotierten Auszeichnung. Mosters Übertragung »ist geschmeidig, sowohl in den poetischen Beschreibungen als auch in den lakonischen und humorvollen Passagen und zeugt von einer tiefen Vertrautheit mit den Sprachen, zwischen denen er operiert. Pajtim Statovci ist mit «Meine Katze Jugoslawien» nichts Geringeres als ein europäischer Roman gelungen – ein Exilroman, ein Generationenroman, ein queerer Roman, keiner der Begriffe allein würde ihm gerecht. Ein literarisches Werk, das dank der Übersetzung von Stefan Moster nun auch im Deutschen zu lesen ist.«
Der 1964 in Mainz geborene Stefan Moster ist Schriftsteller und Übersetzer. Er übersetzt u.a. Werke von Hannu Raittila, Ilkka Remes, Kari Hotakainen, Markku Ropponen, Petri Tamminen und Daniel Katz ins Deutsche. 2001 wurde er mit dem Finnischen Staatspreis für ausländische Übersetzer ausgezeichnet, 2022 mit dem Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis.
Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis
Mit dem alle zwei Jahre vergebenen Helmut-M.-Braem-Preis wurde in diesem Jahr die Sinologin und Übersetzerin Karin Betz für ihre herausragende Übertragung des Romans »Meine Stadt« der Hongkonger Autorin Xi Xi ausgezeichnet.

»Xixi beschreibt eine zauberhafte Welt, ohne dabei in Kitsch abzugleiten. Vielstimmig bewegt sich der Roman durch das Hongkong der 1970er Jahre. Die Übersetzung geht auf beeindruckende Weise mit den zahlreichen Paradoxien dieses Kultbuchs um. Der melancholische Ton harmoniert mit grotesker Komik; die fantastische Dingwelt kommt in einer feinen, subtilen Sprache zu Wort. Karin Betz findet ein Deutsch, das der Magie des chinesischsprachigen Originals gerecht wird und dabei mit Spielwitz und Sprachkraft überzeugt«, so die Begründung der Jury.
Die 1968 in Hanau geborene Karin Betz studierte Sinologie, Germanistik, Philosophie und Politik in Frankfurt/Main, Chengdu und Tokio. Sie übersetzt seit 2008 chinesische Literatur und wurde bereits mit dem Zuger Übersetzer-Stipendium, der August-Wilhelm-von-Schlegel Gastprofessur für die Poetik der Übersetzung an der FU Berlin sowie der Gastdozentur für literarisches Übersetzen an der Georg-August-Universität in Göttingen ausgezeichnet. Sie übersetzt u.a. die Werke von Literaturnobelpreisträger Mo Yan, von SciFi-Starautor Liu Cixin sowie von Liu Xiaobo, Liao Yiwu oder Can Xue.
Der mit 12.000 Euro dotierte Preis des Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e. V., der von Übersetzer:innen an Übersetzer:innen vergeben wird und bislang aus der Förderung von einigen engagierten Verlagen mit internationalem Programm und privaten Spenden an den Freundeskreis finanziert wurde, ist wie die Branche insgesamt in finanziellen Schwierigkeiten.
Mazzucchetti-Gschwend-Übersetzungspreis
Der ehemalige Deutsch-Italienische Übersetzerpreis, der in Anlehnung an die beiden Übersetzerinnen Ragni Maria Gschwend und Lavinia Mazzucchetti umbenannt wurde, geht in diesem Jahr an Annette Kopetzki. Sie erhielt im Juni den mit 10.000 Euro dotierten Hauptpreis für ihre bereits 2022 erschienene Übersetzung von Stefano Massinis Versroman »Die Lehman Brothers«. Darin erzählt der italienische Autor die Geschichte der im Bankencrash weltweit bekannt gewordenen Investmentbank – von der Auswanderung ihres Gründers Heyum Lehmann 1844 bis zur Pleite 2008. »Schwungvoll, farbenprächtig und betörend«, so komme Annette Kopetzkis Übersetzung von Stefano Massinis zeitgenössischem Epos daher, heißt es in der Pressemeldung zur Auszeichnung.

»Lexikalisch einfallsreich und rhythmisch virtuos bildet Kopetzki die Versform des Originals nach und folgt den Sprachbewegungen mit großer Musikalität. Lapidare Beschreibungen wechseln mit pointierter wörtlicher Rede, biblisches Pathos wird mit düsterem Witz kontrastiert. Das von ihr erstellte Glossar der hebräischen und jiddischen Begriffe bezeugt die Souveränität, mit der Kopetzki der Vielfalt der Sprachschichten gerecht geworden ist. Dass der auf 850 Seiten dargebotene Aufstieg und Fall einer Dynastie federleicht wirkt, liegt am Swing von Annette Kopetzki.«





Zudem wurde die renommierte Übersetzerin Karin Krieger mit dem ebenfalls mit 10.000 Euro dotierten Preis für ihr Lebenswerk geehrt. Seit dreißig Jahren lege sie »Übersetzungen von eindrucksvoller Qualität vor«, heißt es in der Jurybegründung. Ihr breit gefächertes Werk bietet einen Querschnitt der modernen italienischen Literatur von Alessandro Baricco, Andrea Camilleri, Giorgio Fontana, Alba de Céspedes, Elena Ferrante, Margaret Mazzantini bis zu Claudio Magris und Ugo Riccarelli. Der Nachwuchspreis, verbunden mit einem Aufenthaltsstipendium in der Villa Massimo in Rom, ging an Moritz Rauchhaus für seine Übersetzung von Boccaccios »Büchlein zum Lobe Dantes«.
Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis
Der mit 10.000 Euro dotierte Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ist in diesem Jahr an die Französin Claire de Oliveira vergeben worden. In der Begründung heißt es, die Germanistin und Übersetzerin habe es immer angetrieben, die Schriften und andere Kultur der frankophonen Leserschaft zugänglich zu machen. »Claire de Oliveiras Übersetzungen zeichnen sich durch Kreativität, Texttreue und eine genaue Kenntnis des literarischen und historischen Kontexts aus, in denen die übertragenen Werke entstanden sind. Für de Oliveira sind Literaturwissenschaft und Übersetzung «kommunizierende Röhren, die einander bedingen». Es sind ihre werktreuen und präzisen Übersetzungen, etwa von Herta Müllers Roman Atemschaukel, die die Jury überzeugt, ja teils verblüfft haben.« Claire de Oliveira arbeitet als Übersetzerin sowie Literaturwissenschaftlerin. Sie unterrichtet deutschsprachige Lyrik, Übersetzung und Übersetzungswissenschaft an der Pariser Université de la Sorbonne.

Die 1961 geborene Französin hat Germanistik in Paris studiert und über die deutschsprachige Literatur in Rumänien promoviert. Sie hat bedeutende Klassiker der deutschsprachigen Literatur von Joseph Roth, Elias Canetti oder Franz Kafka, aber auch zeitgenössische Prosa von Iris Wolff, Botho Strauß oder Jenny Erpenbeck neu übersetzt. Seit den Neunzigern übersetzt sie das Werk von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller ins Französische. Ihre Neuübertragung von Thomas Manns »Zauberberg« ist mehrfach ausgezeichnet worden.
Johann-Heinrich-Voss-Preis
Der mit 20.000 Euro dotierte Übersetzerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ging in diesem Jahr an Esther Kinsky. Die 1956 geborene Autorin hat neben ihrer schriftstellerischen Arbeit ein umfangreiches übersetzerisches Werk vor allem aus dem Polnischen und aus dem Englischen vorgelegt. Dies zeichne sich »durch die Wahl sprachlich und formal anspruchsvoller Texte, die oft erst dank ihrer Pionierarbeit wahrgenommen werden« aus, wie es in der Urkunde mit Bezug auf die Werke von Lewis Grassic Gibbon heißt. »Esther Kinskys Übersetzungen – seien es Texte von Joanna Bator oder von Henry David Thoreau, um nur zwei der vielen Autorinnen und Autoren zu nennen – bestechen stets durch ihre Sprachkunst, die selbst die kühnsten Eigenheiten der Originale im Deutschen aufzunehmen weiß.«





Das umfangreiche Werk der 1956 geborenen Autorin und Übersetzerin umfasst Lyrik, Essays und Erzählprosa ebenso wie Übersetzungen aus dem Polnischen, Russischen und Englischen. Sowohl als Autorin als auch als Übersetzerin hat sie bereits zahlreiche Preise erhalten, 2018 etwa den Preis der Leipziger Buchmesse für ihren Roman »Hain«, 2009 erhielt sie für die sensible und facettenreiche Übertragung von Olga Tokarczuks Roman »Unrast« den renommierten Paul-Celan-Preis.
Internationaler Hermann-Hesse-Preis
Die ukrainische Autorin Sofia Andruchowytsch sowie ihre Übersetzer:innen Alexander Kratochvil und Maria Weissenböck sind im Juli mit dem diesjährigen Internationalen Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet worden. Sie erhalten den mit 20.000 Euro dotierten Preis für ihre Arbeit an den Romanen »Die Geschichte von Romana«, »Die Geschichte von Uljana« sowie »Die Geschichte der Sofia«, die gemeinsam den so genannten Amadoka-Zyklus bilden.



Die Autorin entwerfe »auf formal vielfältige und beeindruckende Weise ein weitgespanntes Panorama der Ukraine des 20. Jahrhunderts«, ihren Übersetzer:innen sei es in ihrer Übertragung gelungen die historischen Stimmen und Tonlagen aus 100 Jahren ebenso zu treffen wie die unterschiedlichen Erzählkonstruktionen, »die lässig oder unzuverlässig sind, schlicht oder raffiniert, gebannt von den historischen Gräueln und stark in der Suche nach dem eigenen Glück«, heißt es in der Begründung.
Sowohl der 1965 geborene Alexander Kratochvil als auch seine 1980 geborene Kollegin Maria Weissenböck sind seit Jahren prominente Vermittler:innen ukrainischer Literatur für eine deutschsprachige Leserschaft. Weissenböck übersetzt Werke von Ljubko Deresch, Taras Prochasko und Tanja Maljartschuk, zu Kratochwils Autor:innen gehören gehören Walerjan Pidmohylnyi, Juri Andruchowytsch, Oksana Sabuschko, Jurij Wynnytschuk und Serhij Zhadan.
Übersetzerbarke
Mit der Übersetzerbarke des Übersetzer:innenverbands VdÜ wurde im Rahmen der Frankfurter Buchmesse Gabriela Stöckli ausgezeichnet. Die Literaturwissenschaftlerin und Leiterin des Übersetzerhauses Looren erhält den undotierten Preis »für ihre Verdienste um die Wertschätzung des literarischen Übersetzens in der Öffentlichkeit. In ihrer Funktion und im Ehrenamt setzt sie sich für die Professionalisierung des Übersetzer·innenberufs ein. Sie engagiert sich für eine verstärkte öffentliche Wahrnehmung der Zunft, insbesondere in den vier Sprachregionen der Schweiz, und unterstützt mit viel persönlichem Einsatz den internationalen Austausch von Übersetzenden«, heißt es in der Pressemitteilung des Verbands. Zudem mache sie sich unter dem Motto »Keine Literaturgeschichte ohne Übersetzungsgeschichte!« für die Archivierung der Übersetzungskunst in den Literaturarchiven stark.

»Wir verschreiben uns mit Haut und Haaren den Übersetzer:innen«, so der Selbstanspruch des Teams, das Stöckli um sich versammelt hat. Neben Workshops und Seminaren fördert das Schweizer Übersetzerhaus Looren Übersetzende durch Aufenthaltsstipendien. »Im Übersetzerhaus Looren schaffen Gabriela Stöckli und ihr Team eine Atmosphäre des angeregten Austauschs, der Hilfsbereitschaft und des entspannten Zusammenlebens und vernetzen die Übersetzer:innen mit Personen des lokalen Literaturbetriebs.« Auch deshalb sei das Übersetzerhaus ein überaus beliebter Ort für Übersetzer:innen aus aller Welt, so der VdÜ in seiner Begründung.